Das Weihnachtsgeschäft ist gelaufen, auch für die Schokoladenindustrie kehrt nun der Alltag zurück. Und dieser zeigt sich von der rauen Seite. Denn der wichtigste Rohstoff hat sich erneut massiv verteuert. Eine Tonne fermentierte und getrocknete Kakaobohnen kostet an den Terminbörsen über 11’000 Dollar, 70 Prozent mehr als im Herbst und 170 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die Kapriolen am Kakao-Markt dauern schon länger an. Auslöser war das ungünstige Wetter vor etwas mehr als einem Jahr – zuerst wars zu viel, dann zu wenig Regen – in Ghana und der Elfenbeinküste, den wichtigsten Anbauländern. Dadurch verringerte sich die ohnehin schon durch Krankheiten und alte Bäume dezimierte Ernte noch stärker. Das Angebot konnte nicht mehr mit der anhaltend hohen Nachfrage mithalten.

Wurden die getrockneten Bohnen über Jahre zwischen 2000 und 3000 Dollar pro Tonne gehandelt, schossen die Preise im vergangenen April auf historische Rekordniveaus um die 12’000 Dollar. Der vielversprechende Start in die neue Wachstums- und Erntesaison sowie Anzeichen einer Nachfrageschwäche der US-Konsumenten führten im Sommer nur eine vorübergehende Entspannung herbei – schon im Herbst wurden neue Höchstpreise registriert. Ein Ende des Angebotsdefizits ist nicht in Sicht: Die Lager sind fast leer, und auch die kommende Ernte könnte enttäuschend ausfallen.

Schokoladenpreise sind bereits spürbar gestiegen

Konnte sich die Industrie gegen die ersten Preisspitzen mit Termingeschäften absichern, wird das bei anhaltend hohem Preisniveau immer schwieriger. Deshalb ist es eine Frage der Zeit, bis die Schokoladenhersteller ihrerseits die Preise ihrer Produkte anheben. Gemäss dem Schokoladenfabrikantenveband Chocosuisse machen die Rohstoffpreise in der Regel mehr als die Hälfte der Produktionskosten aus.

Doch der Spielraum für die Preisweitergabe ist begrenzt. Denn die Endkundschaft musste schon in den vergangenen zwei Jahren höhere Preise schlucken. In der Schweiz sind Schokoladenpreise für die Konsumentinnen und Konsumenten gemäss Bundesamt für Statistik stärker gestiegen als die übrigen Preise oder die Löhne. Letztes Jahr betrug die «Schokflation» gar 9,1 Prozent. Noch höhere Preise könnten die Kunden vergraulen, und sie könnten zu anderen Süssigkeiten greifen.

Das heisst: Entweder nehmen die Schokoladenhersteller tiefere Margen oder weniger Umsatzvolumen in Kauf.

Barry Callebaut tendiert zu Letzterem. Der Schweizer B2B-Schokoladenproduzent kann laut eigenen Angaben die höheren Rohstoffkosten zu einem grossen Teil dank eines fixen Preismodells direkt an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Die Marge bleibt also mehr oder weniger erhalten. Doch die hohen Preise könnten die Nachfrage nach Schokoladenprodukten zum Schmelzen bringen. Beobachter und Analystinnen halten deswegen das für 2025 in Aussicht gestellte stabile Volumenwachstum für zu optimistisch.

Und dazu kommt ein negativer Effekt auf die Bilanz: «Das grösste Problem ist für Barry Callebaut, dass die teuren Bohnen direkt die Lagerhaltung und das Umlaufvermögen beeinflussen», sagt Jean-Philippe Bertschy, Leiter Schweizer Aktienresearch bei Vontobel. Will heissen: Die Warenlager werten sich auf, und der freie Cashflow nimmt ab. Mangels flüssiger Mittel musste Barry Callebaut zwei Milliarden Franken neue Schulden für den Einkauf der Bohnen aufnehmen. Die Ratingagentur S&P Global hat daraufhin das Kreditrating von BBB auf BBB– gesenkt. Das ist die unterste Stufe, bevor Anleihen als spekulativ oder Ramsch klassiert werden.

Anlegerinnen und Anleger sind besorgt

Auch an der Börse werden die Geschäftsaussichten des Schokoladen-Grossproduzenten, der sich unter dem neuen CEO Peter Feld seit gut einem Jahr im Umbau befindet, kritisch beurteilt. Der Aktienkurs hat diese Woche einen neuen Tiefpunkt erreicht, seit 2020 hat er mehr als die Hälfte verloren.

Nicht viel besser ergeht es Hershey. Beim weltgrössten Schokoladenhersteller aus Pennsylvania haben die hohen Rohstoffpreise tiefe Spuren hinterlassen. Seit letztem Jahr stagniert der Umsatz, und die Profitabilität sinkt. Der Aktienkurs ist auf Tauchgang und auf dem tiefsten Stand seit Anfang 2021 angelangt.

Geschenkesegment weniger betroffen

Auch Lindt & Sprüngli kann sich den höheren Kakaopreisen nicht komplett entziehen. Doch die Geschichte zeigt, dass es die Kilchberger Chocolatiers schaffen, unabhängig vom Auf und Ab der Rohstoffpreise die Margen zu verbessern.

Das hat verschiedene Gründe. Dazu gehören laut Bertschy die hohe Preissetzungskraft und die Tatsache, dass die Kundschaft bei Premium-Schokolade weniger empfindlich auf Preisänderungen reagiert. So stammt etwa die Hälfte des Umsatzes aus dem Geschenkesegment, und bei Geschenken spielt der Preis nicht so eine grosse Rolle.

Doch auch die Lindt-Aktien sind unter Druck und handeln deutlich unter 10’000 Franken. Dass das Management und VRP Ernst Tanner im grossen Stil Aktien verkaufen, ist auch nicht gerade ein Vertrauensbeweis. 

Weitere Preiserhöhungen wahrscheinlich

Auf der Hand liegt auch, dass die im Trend liegenden Produkte mit hohem Kakaoanteil stärker betroffen sind als Milchschokolade mit viel Zucker und Milchpulver. Die rote Lindorkugel etwa enthält bloss 30 Prozent Kakao.

Die Kakao-Krise und die Folgekosten für Schokoladenprodukte beschäftigen auch die Grossverteiler. «Die Erhöhung der Rohstoffpreise zwingt uns dazu, die Preise unserer Eigenmarken im Bereich Schokolade zu erhöhen», schreibt die Migros.

«Preisforderungen seitens Lieferanten prüfen wir sehr genau und geben diese nur weiter, wenn es absolut unvermeidbar ist», heisst es bei Coop. Letztes Jahr wurden bei vielen Nestlé- und Munz-Produkten die Verkaufspreise angehoben. Auch bei Kinderschokolade des Ferrero-Konzerns war eine Anpassung von rund 10 Prozent unvermeidlich. In diesem Januar hat Coop eine Preiserhöhung bei Schoko-Darvidas kommuniziert.

Shrinkflation bei Migros und Coop?

Von der Praxis der Shrinkflation, also kleineren Packungen bei gleichen Preisen, distanzieren sich die Grossverteiler. «Die Migros führt keine Shrinkflation für ihre Eigenmarken durch und hat auch nicht vor, dies zu tun», schreibt der orange Riese.

Alles deutet damit auf weiter steigende Preise für Schokoladenprodukte in den Läden hin – und auf eine anhaltende Durststrecke für Anlegerinnen und Anleger von Schoggi-Stocks.

Dieser Artikel ist zuerst in der Handelszeitung erschienen.