Der Iran hat in der vergangenen Woche Raketen auf Ziele in gleich drei Nachbarländern abgefeuert - Irak, Syrien und Pakistan. Die Atommacht Pakistan hat umgehend reagiert: Das Militär beschoss Stellungen belutschischer Separatisten im Iran.

In der Region wuchs innerhalb von Stunden die Sorge vor dem Ausbruch eines neuen Regionalkonflikts. Dabei hat die Instabilität im Nahen und Mittleren Osten seit dem Überfall der militant-islamistischen Palästinenser-Gruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem Beginn des Gaza-Krieges ohnehin zugenommen. Mit dem Iran in der sogenannten «Achse des Widerstands» verbündete Milizen von den Huthis im Jemen über den Irak bis zur Hisbollah im Libanon haben als Zeichen der Unterstützung mit der Hamas im Gazastreifen amerikanische oder israelische Ziele attackiert. Auch Frachtschiffe im Roten Meer gerieten in Visier.

Nun signalisierten zumindest Iran und Pakistan zwar den Wunsch nach einer Deeskalation. «Aber neu ist, dass die iranische Führung einige militärische Aktionen nicht mehr über unterstützte Milizen ausführen lässt, sondern selbst aus dem Iran heraus aktiv wurde», sagt Guido Steinberg, Nah- und Mittelostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der Nachrichtenagentur Reuters.

Wie Gregory Brew, Analyst bei der Eurasia Group, einem internationalen Risikoberatungsunternehmen, sieht Steinberg dafür vor allem innenpolitische Gründe. Die iranische Führung fühle sich durch den verheerenden Bombenanschlag am 3. Januar auf eine Gedenkfeier zum vierten Todestag für einen von einer US-Drohne getöteten Kommandeur der Revolutionsgarden herausgefordert, bei dem fast 100 Menschen starben.

Die Regierung schwor der sunnitischen Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS), die sich zu dem Anschlag bekannt hatte, Rache. Denn der Bombenanschlag in Kerman sei «eine Blamage für die Führung» in Teheran gewesen, sagte ein iranischer Insider, der den herrschenden Klerikern des Landes nahesteht. «Es gibt eine Menge innenpolitischen Druck, etwas zu tun, und die Führung reagiert auf diesen Druck», meint auch Experte Brew.

Dieses Motiv sieht auch Steinberg hinter dem Vorgehen. Denn in Pakistan griff der Iran Stellungen der militanten Sunniten-Gruppe Dschaisch al-Adl an. Diese Rebellengruppe kämpft für eine Unabhängigkeit der iranischen Provinz Sistan und Belutschistan, ihr werden Kontakte sowohl zum IS als auch zu Israel nachgesagt.

«Und während wir vor allem die Kopftuch-Proteste als Bedrohung für das Regime in Teheran wahrgenommen haben, fürchtet die iranische Führung vor allem eine Abspaltung der Gebiete Kurdistan, Belutschistan und Arabistan», sagt Steinberg mit Blick auf iranische Grenzprovinzen im Nordwesten, Südwesten und Osten des Landes. Dort leben meist sunnitische Minderheiten in dem überwiegend schiitischen Land, ethnische und religiöse Konflikte überlagern sich. Separatisten agieren auch aus Nachbarländern wie Pakistan oder Irak heraus.

Steinberg sieht das Vorgehen allerdings nicht nur als Schwäche. «Es ist schon erstaunlich, dass der Iran Ziele in dem Nachbarland Pakistan angreift, immerhin eine Atommacht. Das zeigt, wie sehr man sich ebenbürtig fühlt.» Pakistan wiederum signalisierte sehr schnell nach dem Gegenschlag, dass die Regierung in Islamabad kein Interesse an einer Eskalation habe.

Gefahr eines nicht abgestimmten Militärschlags Israels gegen den Iran

Dennoch werden die Spannungen in der Grenzregion bleiben, glaubt Michael Kugelman, Direktor des Südasien-Instituts am Wilson Center, einer in Washington ansässigen Denkfabrik. Die Grenzsicherheit sei ein langjähriges Problem zwischen Iran und Pakistan. Angesichts der hohen Spannungen wäre eine Deeskalation in nächster Zeit schwierig, sagt er.

«Die Iraner testen überall in der Region die Grenzen aus», fügt Steinberg hinzu. Die iranischen Angriffe im Irak und Syrien galten offiziellen Angaben zufolge israelischen Spionageeinrichtungen und ebenfalls Zielen der IS-Miliz. Die Angriffe auf Stellungen in Syrien hätten zudem den Nebeneffekt gehabt, dem selbst ernannten Erzfeind Israel zu signalisieren, dass man über Raketen mit hoher Reichweite verfüge, die den jüdischen Staat erreichen könnten, meint Steinberg.

Zu einer direkten Konfrontation mit den USA ist es noch nicht gekommen. Das US-Militär greift allerdings Stellungen der mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen im Bürgerkriegsland Jemen an als Reaktion auf Angriffe der Miliz auf Frachter auf der für den Welthandel wichtigen Seeroute im Roten Meer und im Golf von Aden.

Die grössere Gefahr einer Eskalation in der Region sieht Steinberg weniger in einer direkten Antwort der USA auf iranische Angriffe etwa im Irak. «Die grösste Gefahr für eine Eskalation geht nach den Drohgesten aus Teheran sicher von einem nicht abgestimmten Militärschlag Israels gegen den Iran aus.» Bisher verläuft die Auseinandersetzung indirekt über Ziele in Syrien: Am Samstag bombardierte Israel ein Gebäude in Damaskus und tötete den Angaben zufolge vier iranische Revolutionsgardisten, die in dem Land als Militärberater für den mit der Führung in Teheran verbündeten Präsidenten Baschar al-Assad tätig gewesen sein sollen.

(Reuters)