Wegen seiner Nähe zur Regierung in Peking sollte der chinesische Tiktok-Mutterkonzern ByteDance sein US-Geschäft ursprünglich bis zum 19. Januar 2025 verkaufen. US-Präsident Donald Trump hatte diese Frist um 75 Tage verlängert. Diese Fristverlängerung wäre am heutigen Samstag ausgelaufen - eigentlich.
Doch Präsident Donald Trump gibt Tiktok eine weitere Fristverlängerung in den USA. Die Kurzvideo-App soll trotz eines US-Gesetzes zu ihrem Aus zunächst für weitere 75 Tage im Land verfügbar bleiben, ordnete Trump an.
Nachfolgend einige Fragen und Antworten zu diesem Thema:
Warum soll Tiktok in den USA verboten werden?
TikTok und ByteDance stehen wegen ihrer Nähe zur Regierung in Peking in zahlreichen Ländern unter Spionageverdacht. Sowohl die Unternehmen als auch die chinesischen Behörden haben diese Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen.
In den USA betrachten Abgeordnete sowohl der Demokraten als auch der Republikaner die App als Risiko für die nationale Sicherheit, weil die Regierung in Peking das Unternehmen zwingen könnte, Nutzerdaten herauszugeben oder die öffentliche Meinung zu manipulieren. Letzteres spielte bei der Verabschiedung des Gesetzes im Frühjahr 2024 eine besondere Rolle, weil damals der Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten in vollem Gang war.
Viele US-Politiker wollen gegenüber China Härte zeigen. Der Streit um TikTok ist daher nur einer von vielen: Um den technologischen und militärischen Aufstieg Chinas zu bremsen, haben die USA unter anderem die Exporte hochmoderner Computerchips in die Volksrepublik eingeschränkt.
Wer ist für das Gesetz, wer ist dagegen?
Das US-Repräsentantenhaus hatte die Vorlage mit einer überparteilichen Mehrheit von 360 zu 58 Stimmen verabschiedet. Im Senat waren es 79 zu 18 Stimmen gewesen. Führende Demokraten und Republikaner hatten die Initiative gemeinsam angestossen. Viele von ihnen stehen weiter hinter dem Vorhaben, ebenso zahlreiche Generalstaatsanwälte der Bundesstaaten.
Donald Trump hatte das Verfahren gegen TikTok zwar während seiner ersten Amtszeit angestossen, sich hiervon inzwischen aber distanziert. Er gewährte der Plattform eine Gnadenfrist, nachdem bis zum ursprünglichen Termin kein Käufer gefunden werden konnte. Damit stellt er seine republikanische Partei vor eine Zerreissprobe, da viele führende Konservative ein Verbot weiterhin befürworten.
Zahlreiche Jungwähler stehen einem möglichen Verbot kritisch gegenüber. Für sie ist die App ein wichtiges Werkzeug, um politische Themen zu verfolgen oder ihre Ansichten zu teilen. Bürgerrechtler sehen in der Initiative einen Eingriff in die von der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit.
Wie geht es weiter?
Am Samstag, 5. April, wäre die von Trump gewährte Fristverlängerung ausgelaufen. Trump hat die Frist nun erneut verlängert, wie er am Freitagabend anordnete. Trump und Vizepräsident JD Vance hatten in den vergangenen Tagen Erwartungen geschürt, dass eine Lösung für Tiktok noch vor Ablauf der Frist am Samstag im Grundsatz stehen könnte. Nun schrieb Trump aber bei seiner Online-Plattform Truth Social, der Deal brauche mehr Arbeit, um alle nötigen Zustimmungen einzuholen.
Der TikTok-Mutterkonzern ByteDance sagte am frühen Samstag, dass es noch Differenzen über das Geschäft gebe. «Wir befinden uns immer noch in Gesprächen mit der US-Regierung, aber es wurde noch keine Einigung erzielt, und die beiden Seiten haben immer noch Differenzen in vielen wichtigen Fragen», sagte das Unternehmen in einer Erklärung auf seinem offiziellen Konto auf der chinesischen Social-Media-Plattform WeChat. «In Übereinstimmung mit dem chinesischen Recht unterliegt jede Vereinbarung den entsprechenden Überprüfungsverfahren», so ByteDance weiter.
Die Plattform hatte bei seinem Wahlsieg eine wichtige Rolle gespielt. Daraufhin war TikTok-Chef Shou Zi Chew Gast bei Trumps Amtseinführung.
Selbst wenn ByteDance bald einen Käufer für TikTok finden sollte, bleibt unklar, ob die chinesische Regierung einem solchen Deal zustimmen würde. China stellte schon in Trumps erster Amtszeit die Regel auf, dass für den Verkauf von Software-Algorithmen ins Ausland die Zustimmung der Regierung erforderlich ist.
Ist eine Paketlösung mit Zöllen denkbar?
Trump hatte bereits niedrigere Zusatzzölle für China im Austausch gegen die Zustimmung der chinesischen Regierung zum Tiktok-Verkauf in Aussicht gestellt. Er räumte dabei ein, dass Peking «möglicherweise» ein Mitspracherecht bei dem Deal haben werde. «Vielleicht werde ich ihnen eine kleine Senkung der Zölle oder etwas Ähnliches geben, um den Deal abschliessen zu können», sagte Trump jüngst. Jeder Prozentpunkt der Zölle sei mehr wert als die Kurzvideo-Plattform. Jetzt verwies Trump erneut darauf, dass China «nicht glücklich» über seine Zusatzzölle sei.
Wer könnte das US-Geschäft von TikTok übernehmen?
Als Interessenten für TikTok gelten die Software-Konzerne Microsoft und Oracle, der Online-Händler Amazon sowie ein Konsortium um den Milliardär Frank McCourt. Als mögliche Käufer wurden ausserdem US-Finanzinvestoren wie KKR, Susquehanna oder General Atlantic genannt, die teilweise bereits an ByteDance beteiligt sind. US-Vizepräsident JD Vance überwacht den Verkaufsprozess. Es ist allerdings unklar, ob die chinesische Regierung einen Verkauf von TikTok absegnen wird.
ByteDance würde Insidern zufolge aber lieber dichtmachen als verkaufen. Experten halten es zudem für ausgeschlossen, dass der Konzern im Rahmen eines solchen Deals die Algorithmen, die unter anderem Nutzern neue Clips vorschlagen, preisgeben würde. Sie fielen unter Technologien, für deren Export eine staatliche Genehmigung der Regierung in Peking notwendig sei. Ohne diese Algorithmen sei die Video-Plattform deutlich weniger wert als aktuell.
Wie würde ein Verbot durchgesetzt?
Bei einem Verbot müssen Anbieter wie Apple oder die Alphabet-Tochter Google - wie bereits im Januar vorübergehend geschehen - TikTok aus ihren jeweiligen App Stores entfernen. Bestandskunden könnten die App voraussichtlich wohl weiter nutzen, erhielten aber keine neuen Funktionen oder Sicherheitsupdates mehr. Eine solche Blockade lässt sich allerdings umgehen, indem Anwender sogenannte VPN-Software nutzen. Diese leitet Anfragen über Server in beliebigen Ländern. Denkbar ist auch, dass TikTok seinen Dienst in den USA erneut komplett abschaltet.
Ist Tiktok in anderen Ländern auch verboten?
TikTok und die Programme einiger anderer chinesischer Anbieter sind in Indien seit Mitte 2020 komplett verboten. Das Land begründete dies mit einer Gefahr für die nationale Sicherheit. Albanien will die Plattform demnächst für etwa ein Jahr sperren. In zahlreichen anderen Staaten mussten Regierungsvertreter und Staatsbedienstete TikTok von ihren Diensthandys löschen. Auch bei der EU-Kommission ist die App auf diesen Geräten tabu.
(AWP/Reuters)