Er habe seine Meinung geändert: Die US-Notenbank Fed solle die Zinsen senken, und zwar «vorzugsweise bei der geldpolitischen Sitzung nächste Woche», schreibt William Dudley diese Woche in einem Aufsatz für den Nachrichtendienstleister Bloomberg.

Dudley, zwischen 2009 und 2018 Chef der Federal Reserve Bank von New York (NY-Fed), hält die markoökonomischen Bedingungen für eine Zinssenkung bereits jetzt erfüllt. «Die Bemühungen der Fed, die Wirtschaft abzukühlen, zeigen sichtbare Wirkung», schreibt er. Das Wachstum habe sich verlangsamt, was für die vergangenen Quartale zutrifft. Auch der Inflationsdruck habe nachgelassen. Zudem hätten grosse Teile der Bevölkerung ihr Erspartes aufgebraucht, und der Wohnungsbau sei aufgrund erhöhter Kreditkosten ins Stocken geraten.

Dudleys Aussagen zum nächsten Zinsschritt der Fed sind aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen zählte sich der ehemalige Chef der NY-Fed nach eigenen Angaben bisher zum Lager, das zwecks Inflationsbekämpfung höhere Zinsen empfiehlt.

Zum anderen erwartet das Gros der Beobachter eine erste Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank erst im September, nicht schon im Juli. Gemäss Händlern liegt die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts im Juli bei sieben Prozent; mit einer 93-prozentigen Wahrscheinlichkeit hält die Fed die Füsse vorerst weiter still. Anders sieht es für den September aus. Die Wahrscheinlichkeit einer dannzumaligen Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte beträgt gemäss der «CME FedWatch» 85 Prozent.

Nach einer ersten Zinssenkungen im September rechnen Ökonomen von Bloomberg mit einer weiteren Senkungen im Dezember. Sie begründen ihre Prognose mit einem moderateren Wirtschaftsgang im zweiten Halbjahr. Die Nachfrage werde voraussichtlich zurückgehen, da sich der Arbeitsmarkt abkühle. Diese Entwicklung gebe der Federal Reserve Raum für eine Lockerung der Geldpolitik. Für den Augenblick bleibt wohl: Im zweiten Quartal ist die US-Wirtschaft flott gelaufen, weshalb sich eine rasche Zinssenkung kaum aufdrängt.

Zinssenkungen bis auf zwei Prozent in den kommenden Jahren möglich

Mit Siebenmeilenstiefeln hatte die US-Notenbank die Zinsen ab 2022 erhöht. Seit Sommer 2023 hält sie die Raten im Zielbereich von 5,25 bis 5,50 Prozent - und damit deutlich über dem Niveau der vergangenen fünfzehn Jahre. 

Geht es nach am Dienstag veröffentlichten Vorhersagen des Analyseunternehmen Morningstar, so werden die US-Zinsen in den kommenden Jahren wieder deutlich fallen. Diese Tabelle fasst die Moringstar-Prognose zusammen:

Zeitpunkt Zielband (in %)
Gegenwart 5,25 bis 5,50
Ende 2024 4,75 bis 5,00
Ende 2025 3,00 bis 3,25
Ende 2026 1,75 bis 2,00

Quelle: Morningstar.

Folglich wird die US-Notenbank das Zielband innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre um 3,5 Prozentpunkte senken - «wonach die Fed keine weiteren Zinssenkungen mehr vornehmen wird», schreiben die Analysten.

Sie stellen zudem eine weiterhin sinkende US-Teuerungsrate in Aussicht: Nach 3,7 Prozent im Jahr 2023 werde die Inflationsrate auf 2,4 Prozent im Gesamtjahr 2024 fallen. Im Zeitraum 2025 bis 2028 dürfte die durchschnittliche Rate bei 1,8 Prozent liegen - ein Wert, der unter der Fed-Zielmarke von zwei Prozent liegt.

Ein nächsten Hinweis auf das Vorgehen der amerikanischen Notenbank folgt am Freitag. Dann werden die neuesten Daten zum PCE-Preis-Index veröffentlicht. Der Index spiegelt Änderungen von Preisen für Waren und Dienstleistungen, die Konsumenten in den USA gekauft haben.

Der PCE-Preis-Index gilt - neben anderen Daten - als wichtige Orientierungsgrösse der Fed. Deren nächste zinspolitische Entscheide folgen am 31. Juli, am 18. September, am 7. November und am 18. Dezember.