Ein Dollar kostet derzeit 0,8865 Franken. Seit Anfang Mai hat der Franken um 3,5 Prozent aufgewertet, nachdem zuvor seit Jahresbeginn eine starke Gegenbewegung zu verzeichnen war. Besonders bedeutend für die Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft ist jedoch der deutliche Rückgang des Euros gegenüber dem Schweizer Franken - in Richtung 95 Rappen.

Kursentwicklung des Währungspaares (EUR/CHF).

In den letzten Wochen haben Händler angefangen, Netto-Shortpositionen gegenüber dem Schweizer Franken einzunehmen, die seit fünf Jahren nicht mehr so hoch waren. Eine chaotische Politik in Frankreich und Deutschland könnte jederzeit den Euro destabilisieren, was sich voraussichtlich in einem niedrigeren Euro-Franken-Wechselkurs niederschlagen würde.

Die politischen Entwicklungen in Europa, insbesondere in Frankreich, lassen Befürchtungen aufkommen, dass die Haushaltsdefizite weiterhin stark zunehmen werden. Das Gleiche gilt für die USA, wo die Verschuldung unter der Präsidentschaft von Joe Biden weiter zugenommen hat. Das Budgetdefizit wird 2024 etwa sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, und die Gesamtverschuldung hat mit 35 Billionen Dollar einen neuen Rekordstand erreicht.

Bei einem möglichen Wahlerfolg von Donald Trump könnte sich die Situation aufgrund der angekündigten Steuersenkungen möglicherweise noch weiter zuspitzen. Im Vergleich zu Europa und den USA bleibt die Schuldenlage in der Schweiz überschaubar, was für den Schweizer Franken spricht.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass sowohl Europa als auch China mit neuen Handelszöllen belegt werden, falls Trump im November wiedergewählt wird. Natürlich ist nichts davon sicher, und die US-Wahlen sind noch einige Monate entfernt. Aber es könnte sein, dass die Anleger die "politischen" Aufwärtsrisiken für den Schweizer Franken unterschätzen.

Inflation, Zinsentwicklung und Zinsdifferenz

Ein weiterer Faktor für das Auf und Ab beim Schweizer Franken gegenüber dem Euro oder den Dollar ist die Zinsentwicklung. Die Abwertungsphase bis Mitte Mai zeichnete sich dadurch aus, dass das Inflationsklima in der Schweiz sich deutlich besser entwickelt hat als in der Eurozone. Während die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) in der Schweiz bereits zu Jahresbeginn nur knapp über 1,0 Prozent lag, betrug die Inflation in der Eurozone rund drei Prozent und lag damit deutlich über dem EZB-Zielniveau von kleiner oder gleich zwei Prozent.

Aus diesem Grund entstand bereits früh im Jahr die Erwartung, dass die SNB die Zinsen vor der EZB senken würde, was dann im März auch tatsächlich geschah. Dadurch gewann der Euro an relativer Attraktivität und wertete entsprechend auf. Als dann im zweiten Quartal die erste Leitzinssenkung der EZB näher rückte, bekam der Franken wieder Auftrieb, insbesondere da das Zinssenkungspotenzial in der Eurozone mit einem Leitzins von 4,5 Prozent deutlich grösser ist als in der Schweiz - wo der Leitzins zurzeit bei 1,25 Prozent liegt. Der Wechselkurs des Frankens hielt daher kurz vor der Parität an und wertete auf 0,95 CHF Franken auf.

Als dann die SNB überraschenderweise Ende Juni erneut die Zinsen senkte, kehrte sich die Zinsdifferenz zugunsten des Euros um und der Wechselkurs des Frankens ging zurück - bis auf knapp 0,98 Franken.

Pulver verschossen

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im März und Juni bereits zwei Zinssenkungen vorgenommen, wodurch das Pulver wohl grösstenteils verschossen ist. Auf der anderen Seite werden sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-Notenbank (Fed) in den nächsten zwölf Monaten ihre Leitzinsen deutlich senken. Dadurch verringern sich die Zinsunterschiede, was den Franken unter Abwertungsdruck setzt.

Hinsichtlich der Zinsen wird die Schweizerische Nationalbank (SNB) fast zwangsläufig eine Annäherung der Zinsunterschiede zulassen müssen. Es ist zu erwarten, dass die Leitzinsen in den USA und Europa bis Mitte 2025 jeweils um 100 Basispunkte sinken werden. «Um den Zinsunterschied aufrechtzuerhalten, müsste die SNB ihren Leitzins in Richtung 0 Prozent senken, was sehr unwahrscheinlich ist. Bei einer weiteren Aufwertung des Frankens wird die SNB voraussichtlich verstärkt auf Deviseninterventionen zurückgreifen», erklärt Matthias Geissbühler, Anlagechef bei Raiffeisen, auf Anfrage von cash.ch.

Die Raiffeisen Schweiz prognostiziert, dass der Euro in den nächsten zwölf Monaten auf 0,95 Franken und der Dollar auf 0,88 Franken steigen wird. Bei aussergewöhnlichen externen Schocks könnte der Franken jedoch vorübergehend noch stärker an Wert gewinnen, da er als sicherer Hafen gilt.

Testen der Allzeithöchststände möglich

In der Schweiz liegt die Inflationsrate mittlerweile im akzeptierten Bereich der SNB. Aus diesem Grund beabsichtigt die Nationalbank laut Pictet-Chefstratege Anastassios Frangulidis keine übermässig starke Aufwertung des Schweizer Franken. Neben ihrer Zinspolitik kann die SNB bei Bedarf auch am Kapitalmarkt intervenieren, um den Franken abzuschwächen. Bisher hat sie dies jedoch in diesem Jahr nur in begrenztem Umfang getan. Dies könnte sich ändern, wenn der Franken weiterhin an Wert gewinnt. 

«Falls es keine negativen geopolitischen Nachrichten oder übermässig schwache Konjunkturdaten, insbesondere aus den USA (Arbeitsmarkt), gibt, wird sich der Franken gegenüber dem US-Dollar und dem Euro stabilisieren», prognostiziert Frangulidis gegenüber cash.ch.

«Seit Mitte Juli verdichteten sich die Hinweise, dass die EZB im September die Zinsen zum zweiten Mal senken wird und dass bis Mitte 2025 weitere drei Schritte folgen sollen gemäss Geldterminfutures», sagt hingegen Harald Preissler, Anlageexperte bei Bantleon. Die tendenziell schrumpfende Zinsdifferenz zwischen den Währungsräumen hat dazu geführt, dass der Franken erneut gestärkt wurde, und erklärt den Rückgang von 0,98 auf 0,96 Franken.

Preissler geht davon aus, dass die Terminmärkte sogar noch grössere Leitzinssenkungen der EZB einpreisen werden. Das Testen der Allzeithöchststände des Frankens - bei 0,925 Franken - sei innerhalb der nächsten sechs Monate möglich. «Jedoch rechnen wir nicht damit, dass neue Höchststände erreicht werden, da die EZB aufgrund der strukturell steigenden Inflation in der Eurozone bei Zinssenkungen an Grenzen stösst.»

ManuelBoeck
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