Das Immobilien- und Handelsimperium des österreichischen Geschäftsmanns René Benko steckt in der Klemme. Von Signa Holding über die Immobiliensparten Signa Prime und Signa Development bis zur Handelssparte Signa Retail haben wesentliche Konzerngesellschaften Insolvenz beantragt. Damit stehen grosse Fragezeichen über Luxustempeln wie dem Globus in Zürich, KaDeWe in Berlin oder Selfridges in London, ebenso wie dem New Yorker Chrysler Building oder dem in Hamburg entstehenden Elbtower. Die undurchsichtige Struktur und der unstillbarer Appetit von Signa auf immer neues Kapital machten sie besonders anfällig.

1. Wie kam Signa in Schwierigkeiten?

Schulabbrecher und Autodidakt Benko konnte viele wohlhabende Privatleute dafür gewinnen, sein Immobilienreich zu finanzieren, doch am Ende ging ihm die Luft aus. Aktionäre und Gesellschafter, die immer wieder frische Mittel für Signa bereitgestellt haben, weigerten sich zuletzt, ihre Geldbörsen noch einmal zu öffnen. Um eine Sanierung in Eigenverwaltung abschliessen zu können, braucht Signa informierten Kreisen zufolge immer noch 350 Millionen Euro an frischen Mitteln.

2. Warum spitzt es sich gerade jetzt zu?

Andere Firmen haben als Reaktion auf den Abschwung bei Gewerbeimmobilien zuletzt eher versucht, ihr Geld zusammenzuhalten. Doch Signa startete immer neue Projekte. Selbst als die Zinsen niedrig waren, deckten die Mieteinnahmen der Gruppe nur knapp die Finanzierungskosten, so dass Signa stets auf Benkos Geschick angewiesen war, neue Mittel aufzutreiben. Im Oktober läuteten endgültig die Alarmglocken, als Signa eine zugesagte Finanzspritze für seinen in New York börsennotierten Online-Sporthändler ohne weitere Erklärung zurückzog. Kurz später folgte der Baustopp beim Elbtower und das Eingeständnis von Liquiditätsproblemen bei der Signa Development.

3. Warum ist Signa besonders anfällig?

Immobilienentwickler stützen sich häufig auf komplexe Finanzstrukturen — von Vorzugsaktien oder Genussscheinen über vorrangige Schuldtitel bis hin zu Mezzanine-Krediten — um ihre Investitionen in ein Projekt zu hebeln. Die dünne Kapitaldecke macht sie anfällig für einen Anstieg der Finanzierungs- und Baukosten. Wegen des nicht öffentlichen Charakters dieser Kreditstrukturen können Liquiditätsschwierigkeiten bei einem Projekt bis kurz vor der Insolvenz verborgen bleiben. Die Signa Holding und ihre Tochtergesellschaften sind überdies nicht börsennotiert und unterliegen daher kaum öffentlichen Berichtspflichten.

4. Wie wichtig ist Benko selbst?

Signa besteht aus zahlreichen verbundenen Gesellschaften mit teilweise unterschiedlichen, teilweise sich überschneidenden Investoren. Letztlich dreht sich jedoch alles um René Benko. Seinen Privatstiftungen gehören mehrheitlich die Signa Holding und über sie die anderen Gesellschaften. Im Prospekt für einen Bond der Signa Development heisst es auch, dass Schaden für Benkos Reputation erhebliche Auswirkungen auf die Gruppe haben könnte. Benko wurde 2012 vom Wiener Straflandesgericht wegen Bestechung eines kroatischen Politikers verurteilt; die Richterin sprach seinerzeit von einem «Musterfall für Korruption». Nachdem eine Berufung scheiterte und das Urteil rechtskräftig wurde, legte Benko alle Funktionen in der Gruppe nieder und fungierte formal nurmehr als Vorsitzender eines Beirats. Im Oktober 2022 kam es zu einer Hausdurchsuchung bei Signa und Benko im Rahmen von neuen Ermittlungen wegen des Verdachts der Korruption.

5. Wer steht bei Signa im Risiko?

Zu den Gesellschaftern und Aktionären zählen Milliardäre und ihre Familien, Versicherungen und Grossinvestoren wie etwa die deutsche RAG Stiftung. Sie alle würden bei einer Insolvenz am meisten verlieren. Zu den Gläubigern zählen Banken, Staatsfonds, sowie wiederum Versicherungen und Kreditfonds. Signa hat sich auch mit dem thailändischen Mischkonzern Central Group zusammengetan, um seine Luxuskaufhäuser zu kaufen und zu betreiben. Der Art-Deco-Klassiker Chrysler Building in Manhattan gehört ihm zusammen mit Aby Rosens Rfr Holding. Prominente Signa-Investoren sind etwa der österreichische Baumagnat Hans-Peter Haselsteiner und der Reederei-Milliardär Klaus-Michael Kühne. Beide haben zuletzt ihre Unzufriedenheit mit Benkos Gebaren zum Ausdruck gebracht, und Haselsteiner stand hinter dem Versuch, Benko vom Ruder zu drängen. Andere Aktionäre würden lieber sofort verkaufen.

6. Wie hoch sind die Schulden bei Signa und Benko?

Die Komplexität der Gruppe macht es nicht einfach, die Gesamtschulden zu ermitteln. Die grösste Sparte Signa Prime, der die wertvollsten Liegenschaften und Projekte gehören, hatte laut Geschäftsbericht Ende 2022 konsolidierte Verbindlichkeiten in Höhe von 10,8 Milliarden Euro. Im Insolvenzantrag stehen allerdings nur 4,3 Milliarden Euro, da viele Kredite direkt an Immobilien geknüpft sind. Die Europäische Zentralbank hat Signas Kreditgeber aufgefordert, Risikovorsorgen für ihre Aussenstände bei Signa zu bilden.

7. Was bedeutet das für die Branche?

Auch wenn die Umwälzungen im US-Immobiliensektor noch dramatischer waren als in Europa, zeigen Signas Probleme, dass die Gefahr von Insolvenzen weiterhin besteht. Sollte es zu Notverkäufen von Signa-Liegenschaften kommen, könnte das weitere Kreise ziehen und die Bewertungen im gesamten Sektor in Mitleidenschaft ziehen, was in weiterer Folge dann auch andere Immobilienunternehmen in Schwierigkeiten bringen könnte.

(Bloomberg)