Herbert Diess hat sich beim Tesla-CEO abgeschaut, wie man grosse und kleine Investoren anzieht: die Ärmel selbst hochkrempeln bei der Verkündung der Botschaften von VW über soziale Medien, sowie ausgefeilte Veranstaltungen mit grossen Ambitionen inszenieren. Das hat sich bereits ausgezahlt - die Stammaktien des Autoherstellers befinden sich seit Dienstag im Steilflug und notieren auf den höchsten Stand seit 2009.
Die Stimmungsumkehr bei VW kam plötzlich und ist dramatisch. VWs Börsenwert sank letztes Jahr, als Tesla an allen Autoherstellern vorbeizog, um mit grossem Abstand wertvollster Autobauer der Welt zu werden. Aber allein im März hat VW seine Bewertung bereits um mehr als 36 Milliarden Euro erhöht. Das liegt am Optimismus, den Diess verbreitet, zu Tesla aufzuschliessen und vielleicht Tesla sogar überholen zu können.
Der Zuwachs beim Börsenwert im März ist mehr als die Hälfte der gesamten Bewertung der BMW AG, der ehemalige Arbeitgeber von Diess, die am Mittwoch das Ziel verkündet hat, bis Ende des Jahrzehnts rund die Hälfte ihres Absatzes mit rein elektrischen Fahrzeugen machen zu wollen.
Optimismus von Analysten
Die Aktie von VW begann ihren Aufstieg, als Analysten UBS eine Reihe optimistischer Berichten veröffentlichten, nachdem sie einen ID.3 auseinandergenommen hatten, VWs erstes elektrisches Massenmodell. Das Auto sei “das glaubwürdigste elektrische Fahrzeug aller Autohersteller bislang”, schrieb Analyst Patrick Hummel und nahm sein Kursziel hoch.
Ähnlich wie Musk versucht Diess nun, die Nachrichten zu dominieren. VW hat in den Wochen darauf in schneller Frequenz diverse Ankündigungen gemacht. Ein geräumigerer Porsche Taycan wurde vorgestellt, die Marke VW verdoppelte das Ziel für Elektroauto-Verkäufe in Europa und Diess kündigte über LinkedIn und Twitter an, er lade zu einer Veranstaltung ähnlich wie Teslas “Battery Day” im September ein.
„Der Power Day von VW war ein Wendepunkt in der Unternehmensgeschichte“, schrieb Tom Narayan, ein Analyst bei RBC Capital Markets, am Mittwoch und erhöhte sein Kursziel um rund ein Drittel. Er sagte, Elektroautos werden der VW-Aktie neue Bewertungen ermöglichen durch bessere Profitabilität.
VW gab bekannt, sechs Batteriefabriken allein in Europa bis zum Ende des Jahrzehnts bauen zu wollen. Darauf folgte die jährliche Pressekonferenz der Wolfsburger, die sich ebenfalls auf Elektrofahrzeuge fokussierte. Die Stammaktien stiegen am Dienstag in Frankfurt im Tagesverlauf um bis zu 29 Prozent - der grösste Anstieg seit dem gescheiterten Übernahmeversuch durch Porsche 2008. Auch am Mittwoch zeigte der Aktienkurs nach oben.
Wenig liquide
Dabei sind die Stammaktien von VW wenig liquide mit nur etwa 10 Prozent Streubesitz. Die im DAX notierten Vorzugsaktien legten am Dienstag um 6,7 Prozent zu und schlossen auf dem höchsten Stand seit Juli 2015. Am Mittwoch ging es für die Stämme nochmal um bis zu 13 Prozent rauf, die Vorzüge notierten bis zu 9,5 Prozent fester.
Die überproportionalen Gewinne der Stämme von VW sind teilweise auf den Kauf von US-Privatanlegern und hohe Leerverkaufspositionen zurückzuführen, so Ken Menager, ein Stratege für besondere Situationen bei Avalon Capital. Die American Depositary Receipts von VW basieren auf der Notierung der Stammaktien in Deutschland.
Neben den Aktionären von VW ist Diess ein grosser Nutzniesser des Anstiegs. Vor etwas mehr als einem Jahr verkündete der 62-jährige CEO eine Aktienkaufplan über 50.000 Euro pro Monat. Da bewegten sich die Stammaktien um 100 Euro, nun stehen sie bei über 290 Euro.
Während die Gewinne, die in letzter Zeit unter Diess anfielen, noch weit von dem entfernt sind, was Musk im letzten Jahr geschafft hat, haben sie doch seine niedrigere Vergütung teilweise wettgemacht. Das Gehalt des Vorstandschef einschliesslich Pensionszusagen ging von 8,4 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 7,7 Millionen Euro im vergangenen Jahr zurück, so VW am Dienstag in seinem Geschäftsbericht.
(Bloomberg)