Das Thema Klima ist als wissenschaftliches Konzept bereits äusserst komplex. Wenn Investoren klimabezogene Folgen in ihre Entscheidungen einbeziehen müssen, stellt dies eine zusätzliche Herausforderung dar. Dürre, Überschwemmungen und Migration sind dabei die offensichtlichen Auswirkungen des Klimawandels, mit denen die Märkte konfrontiert werden.

«Wir müssen ein Verständnis dafür entwickeln, wie klimawissenschaftliche Erkenntnisse auf Marktdaten angewendet werden können. Das Klima lässt sich dabei als Verteilung möglicher Wetterereignisse definieren», sagt Matt Goldklang, Klimaanalyst bei Man Group, gegenüber cash.ch. Diese Definition ermögliche es, historische Klima- und Wetterdaten zu nutzen. Zwar waren extreme Wetterereignisse in der Vergangenheit seltener als heute und in Zukunft, aber diese historischen Daten können trotzdem wertvoll sein.

Weintrauben sind beispielsweise stark vom Klima abhängig – ob Sonne, Regen, Bodenfeuchtigkeit oder Wolkendecke. Veränderungen im Klima können die Qualität jeder Ernte beeinflussen. Das Interessante an der Weinproduktion ist nicht nur der Einfluss physiologischer Veränderungen, wie einer Hitzewelle, sondern auch die Auswirkungen auf die Weinmärkte. 

«Ich habe Weinproben organisiert, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Wein zu diskutieren. Bei einer Probe habe ich italienische Weine, speziell Barolos aus dem Piemont, verglichen», so Goldklang. Dabei sollte jeweils ein Wein mit idealen und einer mit schlechten klimatischen Bedingungen als Probe herhalten. Die Krux: Bei der Vorbereitung stellte gerade die Beschaffung einer Flasche aus dem Jahr mit schlechtem Klima eine Herausforderung dar: Zuerst war sie nirgends zu finden. Und als er den Wein schlussendlich doch fand, war er sehr teuer.

Diese Geschichte zeigt, wie geringe Ernten durch den Klimawandel den Markt beeinflussen können. Zwar könnte man annehmen, dass geringerer Ertrag und niedrigere Qualität zu niedrigeren Preisen führen, doch ein reduziertes Angebot bei gleichbleibender Nachfrage führt oft zu höheren Preisen, zumindest kurzfristig. Wein ist gleichzeitig ein langfristiger Vermögenswert, der Zeit zum Reifen benötigt. Das Klima spielt dabei eine wichtige Rolle in der unternehmerischen Strategie der Produzenten. So verlagern Champagnerproduzenten ihre Anbauflächen nach Südengland, um von günstigeren Klimabedingungen zu profitieren.

Klimarisiken sind schlussendlich besonders im Rohstoffmarkt sichtbar. Klimaextreme haben beispielsweise dazu beigetragen, dass die Kakaopreise in letzter Zeit in die Höhe geschnellt sind. Oder weltweit ist die Produktion von Olivenöl eingebrochen. Es wird damit gerechnet, dass 2024 weltweit etwa 18 Prozent weniger hergestellt wird als im vergangenen Jahr. Aufgrund der extremen Hitze wird ausserdem erwartet, dass es auch zu einem Qualitätsabfall kommen wird.

Klimarisiken an den Anleihe- und Aktienmärkten

Die Auswirkungen von Klimaextremen sind indirekt oder direkt an den Märkten beobachtbar. Amerikanische Lebensmittelunternehmen, die auf landwirtschaftliche Betriebsmittel mit hohem Wasserbedarf angewiesen sind, mussten in den letzten Jahren Verluste hinnehmen, als die Dürre die Versorgung im amerikanischen Westen verwüstete. 

Die Klimarisiken sind auch für festverzinsliche Anlagen von grösster Bedeutung. Im Sommer wurden international tätige Aluminiumunternehmen durch die Überschwemmungen im Wallis, die die Produktion einschränkten, schwer getroffen, was die Risiken im Zusammenhang mit extremen Wetterereignissen verdeutlicht. Das beste Beispiel ist das Risiko von Waldbränden in Kalifornien, die zu milliardenschweren Verbindlichkeiten und zum Konkurs eines Versorgungsunternehmens geführt haben.

«Traditionell sichern Anleger in festverzinslichen Wertpapieren das Abwärtsrisiko ab und erhalten Zinsen sowie Kapital zurück. Wichtig ist dabei die Qualität und der Wert der Vermögenswerte. Klimarisiken beeinflussen den Wert dieser Vermögenswerte erheblich», sagt Luca Manera von Asteria IM. 

«Generell sind wir der Meinung, dass die Märkte die Risiken des Klimawandels immer noch stark unterschätzen. Es gibt zahlreiche Messgrössen zur Bewertung von Klimarisiken, wodurch keineswegs sicher ist, dass diese Risiken bereits vollständig eingepreist sind», fügt auch Rachel Whittaker, Leiterin Sustainable Investing Research bei Robeco, an.

Klimadaten werden immer wichtiger

Es gibt verschiedene Arten von Risiken: physische Risiken für die Unternehmenstätigkeit durch Veränderungen der physischen Umwelt und Übergangsrisiken, die sich aus den Kosten und Herausforderungen der Anpassung an eine Netto-Null-Wirtschaft ergeben, wie zum Beispiel Änderungen der Vorschriften, Erwartungen und des Wettbewerbsumfelds. Einige Risiken sind quantifizierbar, andere nicht. Viele Investoren arbeiten daran, die finanziellen Kosten für Unternehmen, die sich an eine Netto-Null-Wirtschaft anpassen, zu quantifizieren.

Andere finanzielle Auswirkungen sind hingegen schwieriger vorherzusagen. Beispielsweise ist der Verlust der biologischen Vielfalt eng mit dem Klimawandel verknüpft und stellt ein wichtiges Thema bei nachhaltigen Investitionen dar. Da es jedoch begrenzte Daten über die biologische Vielfalt gibt und die Erfolgsbilanz kürzer ist als bei den meisten Klimametriken, sind die Herausforderungen grösser. Empirische Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es auf den Aktienmärkten noch keine Risikoprämie für biologische Vielfalt gibt.

Für Whittaker sind Schwellenländer- und Hochzinsanleihen die anfälligsten Anlageklassen für das Risiko des Klimawandels. Die Auswirkungen des Klimawandels auf Staatsanleihen der Industrieländer schätzt die Expertin in den nächsten fünf Jahren als neutral ein. Dies liegt daran, dass die Renditen von Staatsanleihen tendenziell positiv mit dem realen Wirtschaftswachstum und negativ mit höherer Inflation korrelieren. In den nächsten fünf Jahren dürften jedoch die alleinigen Auswirkungen des Klimawandels das Wachstum unter das bisherige Trendniveau drücken.

Klimaforscher und Spezialisten spielen eine wichtige Rolle, da sie die Qualität und Tiefe der Daten besser beurteilen können. Erste Datensätze liefern Informationen über die Anzahl der Vermögenswerte und deren Gefährdung durch Klimarisiken wie Hochwasser. Aus einer Long-Only-Festzins-Perspektive ist die Einbindung dieser Daten in den Anlageprozess noch nicht weit fortgeschritten. Solche Daten sind zwar nicht der Haupttreiber von Entscheidungen, werden aber zunehmend eine wichtigere Rolle in der Gesamtbewertung einer Investition spielen.
 

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