Die Analysten der Grossbank UBS sehen für 2024 ein positives makroökonomisches Umfeld für Pharmaunternehmen in Europa. Der Sektor sei unter Ausschluss von Novo Nordisk defensiv, nicht zyklisch, habe einen geringen Verschuldungsgrad sowie starke Cashflows und attraktive Bewertungen. Das vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis der bedeutenden Pharmakonzerne in Europa beträgt mit Novo Nordisk 16, ohne 14. 

Attraktive Bewertungen sind die Kernelemente der Buy-Ratings für GSK, Sanofi und Merck. Bei Novartis, das auch zum Kauf empfohlen wird, rechtfertige hingegen das prognostizierte mittelfristige Gewinnwachstum pro Aktie den Aufschlag. Dieses liegt über dem Konsens. Die prognostizierte Schwäche des Dollars werde die Erträge der Branche wegen der Bedeutung des US-Marktes zwar belasten, aber das zugrunde liegende Wachstum nicht beeinträchtigen, sind die UBS-Autoren wie Matthew Weston oder Jo Walton überzeugt.

Erfolg und Anzahl Phase-III-Studien entscheidend

Wie in der Vergangenheit bleibt aber im Pharmasektor eines entscheidend: Der Erfolg und die Anzahl der Ergebnisse von Phase-III-Studien. Für das Jahr 2024 prognostiziert die UBS dank erfolgreicher Studien ein frei werdendes Spitzenumsatzpotenzial von 37 Milliarden Dollar, was einem Anstieg von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr und in etwa dem 5-Jahres-Durchschnitt des Sektors entspricht. 

Der Erfolg von Phase-III-Studien betrifft nicht nur damit einhergehende Umsätze in der Zukunft, die dadurch realistischer werden: Ein kontinuierlicher Strom von Studienergebnissen stärkt das Innovationspotenzial der Branche und trägt dazu bei, die unvermeidlichen Debatten und Bedenken bezüglich der Arzneimittelpreise in den USA und anderen wichtigen Märkten auszugleichen. 

US-Wahlen 2024 weniger belastend

Und gerade die Höhe der Arzneimittelpreise könnte dieses Jahr wegen des US-Präsidentschaftswahlkampf wieder in den Schlagzeilen stehen. In der Vergangenheit hat die damit einhergehende Rhetorik jeweils den Sektor belastet. Die Experten gehen aber davon aus, dass der Pharmasektor bei den Wahlen 2024 weniger im Mittelpunkt stehen wird als in früheren Wahlzyklen. Zu den Schwerpunktthemen, die die Wahl 2024 dominieren dürften, gehören Bildung, Abtreibungsrechte, Aussenpolitik und Einwanderung.

“Wir gehen zwar davon aus, dass das Gesundheitswesen auch 2024 ein zentrales Thema bleiben wird, aber mit der Umsetzung des IRA (Inflation Reduction Act) sind unserer Meinung nach bereits viele der wichtigsten Unsicherheiten für den Pharmasektor beseitigt worden”, so die UBS-Analysten. Dank der geringeren Preise dürfte Novo Nordisk ab 2025 in Form von Volumenwachstum profitieren, der Preisdruck ist hauptsächlich für den britischen Pharmakonzern AstraZeneca negativ. Den letztgenannten Titel empfiehlt die UBS denn auch zum Verkauf.

Titel Kursentwicklung auf Jahressicht Rating Kurspotenzial

Dividendenrendite

GSK +9 Prozent "Buy" +21 Prozent 3,6 Prozent
Merck KGaA -20 Prozent "Buy" +12 Prozent 1,4 Prozent
Novartis +18 Prozent "Buy" +12 Prozent 3,5 Prozent
Sanofi +3 Prozent "Buy" +19 Prozent 3,8 Prozent
AstraZeneca -1 Prozent "Sell" +1 Prozent 2,2 Prozent
Bayer -46 Prozent "Neutral" +10 Prozent 7,8 Prozent
Novo Nordisk +55 Prozent "Neutral" +7 Prozent 1,0 Prozent
Roche -14 Prozent "Neutral" +6 Prozent 3,8 Prozent
Sartorius -22 Prozent "Neutral" +7 Prozent 0,4 Prozent

Bloomberg-Daten, Stand 29. Januar 2024.

Wie schon erwähnt, empfehlen die Analysten der UBS Novartis, die 2024 mit einer Reihe von Patentabläufen konfrontiert sind, zum Kauf. Das anvisierte Kursziel liegt bei 104 Franken, was einem Aufwärtspotenzial von 12 Prozent entspricht. Die wegfallenden Umsätze werden mit positiven Prognosen für Pluvicto (Prostatakrebs) und Remibrutinib (Hauterkrankung), sowie ein weiterhin starkes Wachstum für Kisqali (Brustkrebs) und Kesimpta (Multiple Sklerose) aufgewogen. “Wichtig ist, dass wir glauben, dass die mittelfristige Pipeline ausreicht, um von 2027 bis 2030 eine gute Umsatz- und Gewinndynamik zu erzielen”, argumentieren die Autoren. Novartis wird am Mittwoch die Jahreszahlen offenlegen - cash.ch hat hier darüber berichtet.

Gleich grosses oder noch höheres Aufwärtspotenzial sehen die Analysten bei den Kaufempfehlungen von GSK (+21 Prozent) und Merck KGaA (+12 Prozent). Merck KGaA ist für die UBS der bevorzugte europäische Pharmawert für 2024, wenn es um die Bioprozesstechnik geht. “Wir halten die derzeitige Bewertung für besonders attraktiv, da sie einen Abschlag von 68 Prozent auf den Kapitalwert von der Sparte Healthcare impliziert, wenn Life Science und Electronics mit vergleichbaren Multiplikatoren verglichen werden”, so die Analysten. Die Phase-III-Daten von Xevinapant bei Kopf- und Halskrebs könnten ein wichtiger Katalysator sein, um die Pipeline zu verjüngen. 

Wie Bayer, Novo Nordisk oder Sartorius hat die UBS auch Roche, das am Donnerstag den Zahlenkranz präsentieren wird, mit einem “Neutral”-Rating versehen. “Wir stimmen mit dem Konsens für Roche sowohl für 2024 als auch mittelfristig genau überein. Wir gehen von höheren Umsätzen beim Augenmittel Vabysmo und Multiple-Sklerose-Mittel Ocrevus aus, denen ein deutlicher Rückgang bei der Krebstherapie Perjeta und eine stärkere Erosion der Biosimilars beim Allergie-Medikament Xolair und dem Arthritismedikament Actemra gegenübersteht”, schreiben die UBS-Analysten. 

Nach einer Periode schwacher interner F&E-Produktivität habe Roche in letzter Zeit durch Fusionen und Übernahmen (Telavant, Carmot) und Einlizenzierungen (Zilebesiran von Alnylam) erheblich in externe Pipeline-Produkte investiert. Dabei handle es sich um "Vorzeigeprodukte", bei denen sich Fragen zur Differenzierung und Wettbewerbsfähigkeit stellen. Der damit einhergehende Vorstoss von Roche in neue, hart umkämpfte Therapiegebiete werde wohl weitere kommerzielle Investitionen nach sich ziehen. 

Beim Börsenüberflieger NovoNordisk sehen die UBS-Analysten Trends bei Diabetes und Adipositas weiterhin positiv und verweisen auf die über dem Konsens liegenden Schätzungen für die Umsätze und insbesondere die Margen nach 2027. “Die Herausforderung für Novo ist unserer Meinung nach die Bewertung. Während wir das aktuelle Niveau aufgrund der Wachstums- und Ertragsdynamik rechtfertigen können, fällt es uns schwer, die Bewertung weiter zu strecken, um eine positivere Haltung zu rechtfertigen”, so die Argumentation. Die Analysten der UBS sehen immerhin ein Kurspotenzial von 7 Prozent.

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