Die Aktien von AMS Osram haben im letzten Februar einen regelrechten Absturz erlebt. Aufgrund einer unerwarteten Stornierung des vielversprechendsten Projekts musste der Halbleiterhersteller nach ersten Schätzungen 600 bis 900 Millionen Euro abschreiben. Auch die Mittelfristziele wurden herabgesetzt. Bis Ende April fiel der Aktienkurs auf 93 Rappen, bevor eine Konsolidierung einsetzte.

Zur Erinnerung: Vor drei Jahren lag der Kurs noch bei über 10 Franken, im Jahr 2018 wurden gar Preise von über 40 Franken erzielt.

Kursentwicklung der Aktien von AMS Osram.

Die Zahlen zum zweiten Quartal, die Ende Juli veröffentlicht wurden, lassen zumindest auf den ersten Blick Raum für Optimismus. Der Umsatz im zweiten Quartal lag rund drei Prozent unter dem Vorjahreswert bei 819 Millionen Euro. Die Bruttomarge betrug 29,7 Prozent, im Vergleich zu 27,8 Prozent im Vorjahr. Der bereinigte Betriebsgewinn (EBIT) stieg um 12 Prozent auf 56 Millionen Euro, und die entsprechende EBIT-Marge lag mit 6,8 Prozent ebenfalls höher als die 5,9 Prozent des Vorjahres.

Der adjustierte EBIT war tatsächlich höher, jedoch hauptsächlich aufgrund geringerer Abschreibungen. Der adjustierte EBITDA - also vor den Abschreibungen - lag mit erzielten 135 Millionen Euro nur leicht über den Erwartungen (Konsens von 130 Millionen Euro).

«Die Talsohle des zyklischen Tiefs ist in Sicht. Das Unternehmen hat Fortschritte auf der Kostenseite gemacht und die Bruttomarge hat den Konsens positiv überrascht. Der Markt wartet nun auf den Verkauf der neu gebauten MicroLED-Fabrik und den entsprechenden Cashflow zum Schuldenabbau», erläutert Reto Huber, Analyst bei Research Partners, die Lage.

Führender Licht-Anbieter im Autosegement

Das MicroLED-Risiko ist nun weitgehend beseitigt. Technologisch konzentriert sich das Unternehmen jetzt auf Lichttransmitter und -sensoren. In dieser Kombination entstehen derzeit viele halbleiterbasierte Anwendungen für die reale Welt, wie beispielsweise dynamische Beleuchtungssysteme, die optimal auf andere Verkehrsteilnehmer reagieren. Noch wichtiger ist, dass die Endkunden jetzt breiter diversifiziert sind, durch den Wegfall des Klumpenrisikos mit Apple.

«Im Bereich der Sensorik – also dem AMS-Teil des Unternehmens – ist kaum noch ein echter technologischer Vorsprung erkennbar, und vieles wurde bereits oder wird noch verkauft. Konkurrenten mit deutlich höheren F&E-Budgets sind hier klar im Vorteil», erklärt Mark Diethelm, Analyst bei Vontobel. Auf der Lichtseite ist Osram hingegen der führenden Anbieter im Autosegment mit einem sehr hohen Marktanteil. Beim konventionellen industriellen Licht gibt es jedoch viele Anbieter, wobei Signify der grösste Konkurrent ist und doppelt so viel Umsatz erzielt.

Diese unfreiwillige Neuausrichtung zeigt sich auch in der Umsatzentwicklung: Während im Jahr 2021 noch 5,038 Milliarden Euro erzielt wurden, sollen es dieses Jahr laut Bloomberg-Daten nur noch 3,455 Milliarden Euro sein. Immerhin wird erwartet, dass das Umsatzwachstum im nächsten Jahr wieder in den positiven Bereich vordringt, die EBITDA-Marge leicht steigt und der Free Cash Flow seinen höchsten Wert seit 2021 erreicht.

In erster Linie ein Autozulieferer

Für Huber, der die Aktie mit einem Kursziel von 1,60 Franken zum Kauf empfiehlt, scheint das angestrebte Wachstumsziel 2026 auf der Grundlage der historischen Korrelationen erreichbar zu sein.

Sicherlich dürfte auch der Gewinn des Ambient Light Sensors im iPhone 16 zusätzlich zum Umsatz beitragen. Aber wie wir aus der Vergangenheit gelernt haben, wechselt Apple ihre Lieferanten relativ schnell, sobald ein günstigerer Anbieter verfügbar ist. Wachstum im Consumer-Bereich ist daher weniger ein Thema.

Mark Diethelm bleibt getreu seiner «Halten»-Empfehlung zurückhaltend: «Nach dem Aus für das Micro-LED-Projekt ist AMS Osram in erster Linie ein Autozulieferer geworden, der darauf baut, dass viel mehr LEDs in Fahrzeuge eingebaut werden - beispielsweise mehr Innenbeleuchtung oder Frontlicht über die ganze Breite - und gleichzeitig das traditionelle Aftermarket-Geschäft (Ersatz von Halogen) sich nicht zu schnell zurückbildet.» Es gab in den letzten Jahren viele Ankündigungen wie beispielsweise LIDAR Design Wins, die bisher jedoch nicht realisiert wurden oder zurückgezogen wurden. Einzelne neuere Projekte könnten aber allmählich zum Wachstum beitragen.

Die Konzentration auf Anwendungen für die Endmärkte Automobil, Industrie und Medizintechnik sowie strukturelles Wachstum mit lichtbasierten Anwendungen, Desinvestitionen und Schuldenabbau sind für Huber zentrale Elemente des Investment-Cases für AMS Osram. Der Verschuldungsgrad ist mit 140 Prozent hoch.

Corporate Governance als Schwachstelle

Ein weiterer Schwachpunkt ist die Corporate Governance, die nicht am Shareholder Value orientiert ist. Es wird einige Quartale bis Jahre dauern, bis das Vertrauen wiederhergestellt ist. Ein Ankeraktionär könnte hier helfen. Dies ist notwendig, denn der Markt scheint noch nicht so recht an die zyklische Erholung, den Schuldenabbau und das Management zu glauben.

«Nach dem Aus für Micro-LED ist AMS Osram im Grunde genommen wieder auf dem Stand, den Osram hatte, bevor AMS die Übernahme tätigte», lautet das eher negative Fazit von Diethelm. Als zunehmend auf den Automobilsektor spezialisierter Zulieferer hat sich die Bewertung an anderen Automobilzulieferern orientiert. Die hohe Verschuldung und die niedrigen Free Cash Flows drücken dieses Jahr negativ und könnten 2025 leicht positiv auf die Bewertung wirken.

AMS Osram befindet sich in einem Turnaround. Gelingt dieser, winken höhere Kurse und umgekehrt. Dass die von Bloomberg erhobenen Kursziele ein Kurspotenzial von bis zu 129 Prozent implizieren, zeugt von der hohen Unsicherheit, die mit dieser Aktie einhergeht. Ein klarer Kauf ist AMS Osram sicherlich nicht.

ManuelBoeck
Manuel BoeckMehr erfahren