Volkswagen-Chef Blume versucht, Investoren von seiner neuen Unternehmensstrategie zu überzeugen. Wenn sich der Erfolg am aktuellen Aktienkurs misst, ist zumindest der erste Versuch gründlich misslungen. Nachdem der Konzernchef beim gross angekündigten Kapitalmarkttag im Juni seine Renditeziele für Europas grössten Autobauer erläutert hatte, verlor die Aktie 2,5 Prozent. Besser war es vor gut zwei Jahren gelaufen, als sein Vorgänger Herbert Diess beim "Power-Day" - begleitet von medialem Trommelwirbel - den Bau von sechs Gigafabriken für Batteriezellen ankündigte. Damals zog die im Dax gelistete Vorzugsaktie um 16 Prozent an. Der Effekt verpuffte jedoch schnell, auch weil Diess sich mit dem mächtigen Betriebsrat überwarf und am Ende die Eignerfamilie den Daumen senkte.
Blume kann knapp ein Jahr nach seinem Amtsantritt an der Konzernspitze Erfolge aufweisen, dennoch kommt die Aktie nicht vom Fleck. Die Aufbruchstimmung unter Blume sei in dem Autokonzern zwar zu spüren. "Es bestehen aber große Zweifel, ob diese Ziele auch erreicht werden können", sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance der Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen.
Reaktion von VW auf Kritiker
Zweiflern hält das Management entgegen, der Kapitalmarkttag sei erst der Beginn "einer langfristigen und vertrauensvollen Beziehung mit dem Kapitalmarkt". Weitere Veranstaltungen sollten folgen. Kurzfristige Kurssprünge habe man ohnehin nicht erwartet. Man sei überzeugt, dass sich die Bemühungen in absehbarer Zeit auch im Aktienkurs widerspiegeln.
Die chronische Kursschwäche des Dax-Unternehmens führen Kritiker weniger auf das operative Geschäft als auf das schwer durchschaubare Interessengeflecht mit dem Porsche-Piech-Clan, dem Land Niedersachsen und dem Betriebsrat zurück. Defizite in der Governance, also dem Einhalten von Prinzipien guter Unternehmensführung, seien eines der Kernprobleme der Wolfsburger, meint Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Der Autoanalyst schlägt vor, den Konzern in zwei oder drei Unternehmen aufzuspalten, um ihn transparenter zu machen.
Arndt Ellinghorst von Quantco verweist auf die Probleme von Volkswagen im Massengeschäft sowie bei der Premiumtochter Audi. Bei fast allen Anlagekriterien hätten Investoren bessere Alternativen, ihr Geld anzulegen als bei VW.
Der VW-Aufsichtsrat ist nicht unabhängig
"Gute Corporate Governance fängt im Aufsichtsrat an", betont Daniel Schwarz von der Investmentbank Stifel. "Wenn man da die Situation bei VW mit anderen Unternehmen vergleicht, schneidet VW schlecht ab." Bei VW seien acht von zehn Aufsichtsräten auf der Kapitalseite direkte Vertreter der Familien Porsche und Piech, dem Land Niedersachsen und dem Emirat Katar, "das heisst, die sind nicht unabhängig", sagt Schwarz.
Fondsgesellschaften dringen schon lange darauf, dass die Familienoberhäupter Wolfgang Porsche (80) und Hans Michel Piech (81) die vierte Generation des weitverzweigten Clans ans Steuer lassen. Die Unsicherheit über die Nachfolge belaste den Aktienkurs. Was geschieht, wenn der Wechsel abrupt kommt, stürzt der Konzern dann ins Chaos?, fragen einige.
"Wir haben wiederholt eine langfristig ausgerichtete Nachfolgeregelung für den Aufsichtsrat gefordert und den Generationswechsel angemahnt", sagt Hendrik Schmidt, Corporate-Governance-Experte der Deutschen-Bank-Fondstochter DWS. Der Börsengang der Sportwagentochter Porsche AG wäre aus seiner Sicht eine ideale Gelegenheit gewesen, das Zepter weiterzugeben.
Der Porsche-IPO gilt als Lichtmoment in dem Grosskonzern. Dem Erfolg sollen die anderen Marken nun nacheifern, virtuell jedenfalls. Der Börsengang im September zeigt aber auch das Dilemma der Wolfsburger: Der bei Volkswagen verbliebene 75-Prozent-Anteil am Gesamtkapital der kleineren, aber besonders renditestarken Sportwagentochter ist mehr wert als der Konzern insgesamt. Der erhoffte Impuls für die VW-Aktie blieb aus.
Porsche-Urenkel den Schalthebeln schon nahe
Den Familien ist das Problem der ungelösten Nachfolge bewusst. Die nächste Generation der Familie stehe schon bereit. Mit Ferdinand Oliver Porsche, Urenkel von Stammvater Ferdinand Porsche, wurde in den vergangen Jahren ein potenzieller Nachfolger aufgebaut. Der 62-Jährige sitzt in den Aufsichtsräten der Familienholding Porsche SE, von Volkswagen, Audi, der Porsche AG und der Porsche Holding in Salzburg, Europas größtem Automobilhändler. Damit ist er den Stellhebeln der Macht schon sehr nahe. "Oliver Porsche wird mit Sicherheit irgendwann Wolfgang Porsche vertreten und übernehmen", heisst es aus Unternehmenskreisen. Auf längere Sicht habe Wolfgang Porsche auch seine Söhne Ferdinand (30) und Felix Alexander (27) im Blick, der eine ist Architekt, der andere Betriebswirt.
Hans Michel Piech, Sprecher der zweiten Familienlinie, hat seine Tochter Sophie Piech (29) jüngst in den Aufsichtsrat der Porsche SE geholt, wo sie ihren Bruder Stefan Piech ersetzt. Auch er ist aber noch im Rennen um die Nachfolge der Familiengranden, wie aus Stuttgart zu hören ist. Sophie und Stefan gehören ebenfalls zu den Urenkeln von Unternehmensgründer und Käfer-Erfinder Ferdinand Piech. Endgültig geregelt ist die Nachfolge aber noch nicht. "Ideal ist es nicht, dass das so lange dauert", räumt der Familienkenner ein.
(Reuters)