Mittlerweile wurde das H5N1-Virus in fast 140 Herden verteilt auf zwölf Bundesstaaten entdeckt - und auch auf Menschen ist das Virus schon übergegangen. Doch in Michigan im Mittleren Westen der USA regt sich Widerstand unter Milchbauern gegen Massnahmen zur Eindämmung der Vogelgrippe. Die Landwirte befürchten, dass zusätzliche Kosten ihr Einkommen schmälern und dem ländlichen Amerika schaden könnten. Die staatlichen Beschränkungen, zu denen auch die Nachverfolgung von Besuchern auf den Höfen gehört, wecken in Martin und anderen Kleinstädten in Michigan zudem schlechte Erinnerungen an die Corona-Pandemie.

Dort sind zwei der bisher vier bekannten Fälle von Vogelgrippe bei Menschen aufgetreten - allesamt Farmarbeiter, mit milden Symptomen wie leichte Bindehautentzündung und Atemwegsprobleme. Seit dem ersten gemeldeten Fall bei Milchkühen im März hat Michigan mehr Menschen getestet als jeder der zwölf betroffenen Staaten, wie eine Reuters-Umfrage unter den Gesundheitsämtern ergab. Aber mehr als ein Dutzend Interviews mit Landwirten aus Michigan, staatlichen Gesundheitsbehörden, Forschern und Branchenverbänden sowie vorläufige Daten zeigen auch, dass sich die Milchbauern bisher nur begrenzt an den Bemühungen zur Eindämmung und Erforschung des Virus beteiligen. Und das, obwohl manche Experten bereits vor einer neuen möglichen Pandemie warnen.

In einigen Fällen bleiben Anrufe von örtlichen Gesundheitsämtern unbeantwortet, Gelder für die Forschung werden nicht abgerufen und Arbeiter melken Kühe weiter ohne zusätzliche Schutzausrüstung. Bei Brian DeMann rufen der Ausbruch und die Reaktion des Staates Erinnerungen an Covid-19 hervor. Der 37-jährige Milchviehhalter aus Martin glaubt, dass die Vorschriften zur Eindämmung der Vogelgrippe auf grössere Akzeptanz stossen würden, wenn sie als Empfehlungen und nicht als Auflagen für die Landwirte gelten würden. «Niemand weiss, ob die Massnahmen, die man uns auferlegt, die Vogelgrippe wirklich aufhalten werden», sagt DeMann. «Genau wie 2020 lassen sich die Menschen nicht gerne sagen, was sie tun sollen.»

Dabei hat der Ausbruch auch geschäftliche Konsequenzen: Landwirte mit infizierten Kühen können durch eine geringere Milchproduktion und die Kosten für die tierärztliche Versorgung finanzielle Verluste erleiden. Das US-Landwirtschaftsministerium will daher Landwirte mit kranken Tieren für 90 Prozent der verlorenen Milchproduktion pro Kuh entschädigen. «Die Landwirtschaftsbetriebe stehen vor echten wirtschaftlichen Herausforderungen», sagt Tim Boring, Leiter des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in Michigan.

Bundesstaat Michigan ist der sechstgrösste Milchproduzent in den USA

In diesem Frühjahr haben viele US-Molkereibesitzer die bundesstaatlichen Empfehlungen, ihren Mitarbeitern mehr Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, nicht befolgt, berichten Landwirte und Arbeitnehmer. DeMann sagt, er habe nicht in neue Schutzausrüstungen wie Masken für seine Mitarbeiter investiert, da unklar sei, wie sich das Virus verbreite. Etwa 900 zugelassene Milchviehbetriebe sind über ganz Michigan verstreut. Die Kühe stehen in offenen Ställen, die Futterhaufen sind mit Schutzplanen und alten Reifen darauf abgedeckt.

Die Sorge vor sozialer Stigmatisierung und wirtschaftliche Bedenken im Zusammenhang mit den Infektionen halten Bauern davon ab, ihre Kühe auf Vogelgrippe zu testen, wie Boring sagt. Der Bundesstaat Michigan ist der sechstgrösste Milchproduzent in den USA. «Es gibt viele Faktoren, die zu den Bedenken beitragen», erläutert er. «Wir wissen, dass dies in Michigan eine Herausforderung war.» Der Bundesstaat meldete zuletzt am 9. Juli eine infizierte Milchviehherde - die 26. dort insgesamt.

Michigan bietet Farmen bis zu 28.000 Dollar an, um diejenigen mit infizierten Herden zur Teilnahme an der Forschung zu bewegen. Mehr als ein Dutzend Betriebe haben bisher Interesse bekundet. Separat bietet die US-Regierung finanzielle Unterstützung an. Zwölf von 21 Herden, für die Mittel angefordert wurden, stammen Behördenangaben zufolge aus Michigan. Das US-Landwirtschaftsministerium hat ein freiwilliges Programm ins Leben gerufen, bei dem Landwirte wöchentlich Tanks mit Milch auf Vogelgrippe testen können. Sechs Landwirte in sechs Staaten haben jeweils eine Herde angemeldet, aber ein Landwirt aus Michigan ist noch nicht darunter.

«Ich würde wirklich gerne sehen, dass das in jeder einzelnen Herde gemacht wird», sagt der Veterinärmediziner Zelmar Rodriguez von der Michigan State University. Die Milchbauern machen sich unterdessen permanent Sorgen, dass ihre Kühe die nächsten sein könnten, die sich infizieren. Doug Chapin aus der Gemeinde Remus versucht, seine Mitarbeiter zum Tragen von Schutzbrillen zu bewegen, obwohl diese sich in der Vergangenheit dagegen wehrten, da die Brillen gereinigt werden müssen, wenn Milch darauf spritzt. Michigan plant als erster Bundesstaat Bluttests bei Molkereiarbeitern, um sie auf frühere Infektionen zu testen. Tausende Menschen wurden bereits mit einem komplexen Kontaktverfolgungssystem, das sie dreimal täglich per Textnachricht kontaktiert, auf Vogelgrippesymptome überwacht.

Im Mai ergriff Michigan zusätzliche Massnahmen und verlangte von den Farmen, Besucherlisten zu führen, Lieferwagen zu desinfizieren und andere Sicherheitsmassnahmen zu ergreifen. Seit diesem Monat fordert der Staat zudem negative Tests für nicht milchgebende Kühe, die auf Messen ausgestellt werden sollen. Einige Bauern zögern jedoch, mit den lokalen Gesundheitsämtern zusammenzuarbeiten. Die Gesundheitsbehörde Branch-Hillsdale-St. Joseph hat aufgrund der Vogelgrippe-Fälle damit begonnen, Bauernhöfe anzusprechen, um ihnen eine medizinische Versorgung für die Saisonarbeiter anzubieten, sagt ihre Mitarbeiterin Rebecca Burns. Das Interesse sei aber gering gewesen. «Diese Leute sind es nicht gewohnt, dass wir sie anrufen.»

(Reuters)