«Die Richtung ist für mich klar: Wir sollten unsere restriktive Geldpolitik in angemessener Weise weiter zurückfahren», sagte er am Freitag vor Journalisten. Als restriktiv gilt ein Zinsniveau, das die Wirtschaft tendenziell bremst. Laut Villeroy sollte die Europäische Zentralbank (EZB) auf dem Zinspfad nach unten beweglich und pragmatisch agieren. Angesichts des unsicheren internationalen Umfelds stünden der Notenbank für die kommenden Treffen alle Optionen offen.

Er verwies zugleich darauf, dass die EZB bei der Inflation im nächsten Jahr früher als erwartet ihr Zwei-Prozent-Ziel erreichen dürfte. Sie müsse nun ebenso auf die Gefahr eines dauerhaften Unterschreitens dieser Marke achten wie bisher auf das Risiko, dass die Inflation über diese hinausschiesse.

Die Inflation dürfte aus Sicht des EZB-Rats in den kommenden Monaten anziehen, bevor sie im Laufe des nächsten Jahres auf den Zielwert der Notenbank von zwei Prozent zurückgeht. Die Währungshüter hatten am Donnerstag die dritte Zinssenkung im laufenden Jahr beschlossen. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz wurde um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent nach unten gesetzt, nur fünf Wochen nach der vorherigen Senkung. Die EZB könnte ihr Zinsstakkato im Dezember laut Insidern womöglich fortsetzen. Dies gelte für den Fall, dass sich die Konjunktur- und Inflationsdaten in den kommenden Wochen nicht grundsätzlich drehen sollten.

(Reuters)

 

LÖSEN WACHSTUMSSORGEN INFLATIONSÄNGSTE AB?

Einige Ratsmitglieder sprachen sich laut Insidern bei der Zinssitzung am Donnerstag dafür aus, von der Zusage abzurücken, die Geldpolitik straff zu halten. Als Grund führten sie an, dass die Inflation niedriger ausfallen könnte als noch vor wenigen Wochen erwartet. Ihre Idee wurde jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Im Begleittext zum Zinsentscheid heisst es: «Der EZB-Rat ist entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zu sorgen. Er wird die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen.»

Auch wenn an dem Bekenntnis zur straffen Linie nicht gerüttelt wurde, deutet der Vorstoss einiger Ratsmitglieder darauf hin, dass sich die Debatte innerhalb der EZB zunehmend von der Bekämpfung der hohen Inflation auf die Wiederbelebung des schwachen Wirtschaftswachstums verlagert. Ein Sprecher der Notenbank lehnte einen Kommentar zu dem Bericht ab.

Die Wirtschaft in der Euro-Zone entwickelt sich nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht so gut wie erwartet. Die neuesten Daten deuteten auf ein schleppendes Wachstum hin, hatte die Französin nach dem Zinsbeschluss des EZB-Rats in Ljubljana gesagt. So hätten die Haushalte weniger konsumiert als angenommen. «Die Unternehmen weiten ihre Investitionen nur langsam aus, während die Investitionen in Wohnimmobilien weiter sinken.»

Zuletzt mehrten sich die Anzeichen für eine Eintrübung der Konjunktur im Euroraum: So signalisierte mit dem Einkaufsmanagerindex von S&P Global ein wichtiger Frühindikator eine Talfahrt. Als Alarmzeichen gilt dabei, dass es mit der Wirtschaftskraft in allen drei grossen Volkswirtschaften - also Deutschland, Frankreich und Italien - gleichzeitig bergab ging. (Bericht von Leigh Thomas, Balazs Koranyi, Francesco Canepa, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)