cash.ch: Was wird von Wohneigentümern bezüglich des Themas «Hypotheken» in der Regel missverstanden?

Der Abschluss der Hypothek kommt auch mündlich zustande. Vielmals haben Hypothekarnehmer den Eindruck, dass sie die Hypothek gar nicht abgeschlossen haben, wenn sie mündlich beispielhaft per Telefon zugesagt haben, weil sie denken, dies müsse immer schriftlich erfolgen.

Wie wird am Telefon am besten geantwortet? 

‹Ich hätte gerne ein schriftliches Angebot per E-Mail, das die Zinssätze für den Saron, Festzins-Hypotheken und Laufzeiten enthält›, wäre passend. Nachdem man es eingesehen hat, kann man entscheiden, wann und was man abschliessen möchte. Es ist wichtig, alles, was juristisch relevant sein kann, schriftlich vorliegen zu haben.

Bei der Tragbarkeit gibt es meist auch Missverständnisse…

Viele Menschen glauben, dass 20 Prozent Eigenkapital genug sind, um sich Wohneigentum zu leisten. Dabei vergessen sie, dass die Tragbarkeit mit einem erhöhten kalkulatorischen Zinssatz für die Hypothek oftmals dazu führt, dass mehr Eigenkapital eingesetzt werden muss.

Die Preise sind stärker gestiegen als das Einkommen. Ist das nicht das Hauptproblem? 

Genau. Diese Schere hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren aufgemacht. Die höheren Kaufpreise führen zu einer verhältnismässig höheren Hypothek. 

Gibt es zusätzliche Missverständnisse?

Wohneigentümer verstehen oftmals die Kreditklauseln im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung einer Hypothek nicht. Nicht zuletzt, weil unterschiedliche Hypothekarprodukte unterschiedliche Vorfälligkeitsentschädigungen auslösen. Zudem sind diese Klauseln von Hypothekargeber zu Hypothekargeber unterschiedlich. Und darum empfehle ich unbedingt, Kreditvertrag, bis ins letzte Detail prüfen. Und wenn man etwas nicht versteht, sollte ein Experte beigezogen werden. 

Bei der Saron-Hypothek ist der Zinssatz nicht gleich wie der effektive Jahreszins. Was meinen Sie damit?

Bei diesem Hypothekarmodell wird internationale Zinsusanz angewendet - effektive Tage geteilt durch 360. Dadurch sind die Zinskosten höher. 

Beispiel zur internationalen Zinsusanz:

  • Annahmen: Hypothek im Wert von 1'000'000 Franken, Zinssatz von 1,5 Prozent.
  • Zinskosten 15'000 Franken pro Jahr x 365 / 360 = effektiv 15'208 Franken pro Jahr. Bei einem Schaltjahr gilt 366 / 360.

Wie sollen Wohneigentümer bei einer Refinanzierung vorgehen, um das bestmögliche Angebot zu erhalten?

Wohneigentümer sollten die Erneuerung ihrer Hypothek frühzeitig angehen. Das heisst neun bis zwölf  Monate vor Ablauf der Hypothek. Dabei sollten sie folgende Punkte beachten:

  1. Eine Finanzierungsstrategie festlegen - Höhe und Dauer der neuen Hypothek.
  2. Recherchieren und die vorteilhaftesten Kreditangebote evaluieren.
  3. Ein professionelles Kreditdossier aufbereiten und die Hypothek ausschreiben.
  4. Verhandeln, verhandeln, verhandeln.
  5. Die Kreditangebote prüfen und vergleichbar machen.
  6. Nachverhandeln und Zusatzgeschäfte anbieten, falls dies zu besseren Konditionen führt.

 

Wie wichtig ist ein selbstbewusstes Auftreten?

‹Ich sehe mich selbst als eine Person mit einem starken Risikoprofil und habe Anrecht auf die besten Kreditkonditionen›, sollte man sich selbst sagen. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Einstellung von entscheidender Bedeutung ist.

Was halten Sie von Zusatzgeschäften?

Ich bin kein Fan von Zusatzgeschäften. Meine Bonität und das Risikoprofil des Finanzierungsgeschäftes sollten für die besten Konditionen ausreichen.

Wie sollen Pensionäre und Pensionärinnen vorgehen?

Pensionäre sollen gleich vorgehen wie Wohneigentümer mit Erwerbseinkommen. Zusätzlich empfehle ich, bei der Tragbarkeit nebst dem Renteneinkommen, Kapitalverzinsung und Kapitalverzehr in die ‹Waagschale› zu legen, um die Tragbarkeit zu verbessern respektive zu relativieren.

Die Hypozinsen sind zuletzt leicht zurückgekommen. Mit welcher Entwicklung muss bei den Hypotheken in den nächsten Monaten gerechnet werden? 

Es ist denkbar, dass die Hypothekarzinsen noch etwas nach unten korrigieren. Hier gilt es aber, zwischen Saron- und Festzinshypotheken zu unterscheiden. Weil die SNB in diesem Jahr den Leitzins nochmals 0,25 Prozent reduzieren könnte, rechnen wir damit, dass der Saron von aktuell 1,20 Prozent auf etwa 1 Prozent fällt und die Saron-Hypothek dadurch 0,25 Prozent günstiger wird. Festzinshypotheken dürfen etwas günstiger werden – aber nicht im gleichen Ausmass wie die Saron-Hypothek. 

Was fällt an der aktuellen Zinssituation auf?

Die Zinskurve ist nach wie vor invers. Das heisst, Festzinshypotheken sind günstiger als Saron-Hypotheken. Und an diesem Zustand dürfte sich so rasch nichts ändern. Es gilt bei der Aufnahme oder Erneuerung der Hypothek immer die Zinssätze für Saron- und Festzinshypotheken - alle möglichen Laufzeiten - in Erfahrung zu bringen.

Verzerrt die Marktmacht der UBS die Hypothekenlandschaft?

Wir stellen fest, dass Hypothekargeber, wie die die grösste Bank der Schweiz, einige Kantonalbanken  und Regionalbanken ihre Preise für Hypotheken markant erhöht haben, was dazu führt, dass sich Hypothekarnehmer nach neuen Geldgebenden umsehen und den der Hypothekarmarkt mit Hypotheken ‹schwemmen›. Die anderen Geldgebenden können aber die Kreditschwemme aufgrund der hohen Volumen nicht absorbieren, weshalb sie in verschiedenen Fällen auf die Abgabe einer Finanzierungsofferte verzichten. In der Konsequenz müssen sich Hypothekarnehmer mit dem zweit- oder drittbesten Kreditangebot zufriedengeben.

Ist diese Situation temporär?

Ich bin davon überzeugt, dass es sich um eine ausserordentliche und temporäre Situation handelt. Sobald sich die marktführenden Hypothekargeber neu organisiert haben und sich wieder auf das Tagesgeschäft konzentrieren können und sobald die neuen regulatorischen Bestimmungen (Basel III) implementiert sind, wird sich die Situation bis in etwa 6 bis 12 Monaten beruhigen und der Wettbewerb besser spielen. Aus diesem Grund raten wir Hypothekarnehmer die Hypothek kurzlaufend weiterzuführen und nicht zufriedenstellende Kreditverhandlungen zu vertagen, bis sich die Marktlage beruhigt hat.

Auf welche Finanzierungsart sollte man setzen? Geldmarkt, Kurz, Mittel oder Lang?

Eine weitere Leitzinsreduktion der SNB spricht für die Saron-Hypothek. Die inverse und flache Zinskurve favorisiert Festzinshypotheken. Eine pauschale Aussage wäre nicht professionell. So gilt es, eine individuelle Finanzierungstrategie festzulegen und die Finanzierungsart darauf auszurichten.

Keine Saron-Hypothek?

Ich würde in der aktuellen Zinssituation konkret empfehlen, anstatt Saron eine kurzlaufende  Festzinshypothek abzuschliessen. 

Weil es günstiger ist?

Ganz genau. Aber grundsätzlich rate ich zu mittleren und längeren Festzinshypotheken. Wir müssen ein wenig aufpassen. Wir warten zu lange oder haben das Gefühl, die Opportunität kommt noch und verpassen dann den Moment.

Man sagt, dass der Saron auf lange Sicht die kostengünstigste Form der Finanzierung ist. Stimmt das nicht mehr?

Es hängt vom Zinsniveau ab und davon, wie viel Auf- oder Abwärtsbewegung möglich ist. Wenn die Zinsen niedrig sind, würde ich mich für eine Festzinshypothek entscheiden.

Welche Hypothekenhöhe ist ideal? Inwiefern spielen steuerliche Überlegungen eine Rolle?

‹Ideal› ist eine 2/3 Belehnung (Hypothek zu Immobilienwert). Bei dieser Hypothekenhöhe resultiert in der Regel eine ‹Bestnote›, was vorteilhafte Kreditkonditionen mit sich bringt. Steuerliche Aspekte sollten miteinbezogen werden. Vor allem, wenn es um die Art der Amortisation (indirekt via 3a) geht.

Was lohnt sich derzeit mehr: Eigenheim oder Miete?

Das ist die Frage der Fragen. Sowohl die Mietzinsen als auch die Eigenheimpreise sind stark gestiegen. Aber: Mit genügend Eigenkapital und aufgrund der nach wie vor tiefen Hypothekarzinsen ist Eigenheim im Vorteil. Die Schwierigkeit liegt vielmehr darin: Attraktive Eigenheime sind rar und die Anforderungen für die Finanzierung - Eigenkapital und Tragbarkeit - für viele Menschen hoch oder zu hoch.

Hierzu ein Lesebeispiel:

Annahmen (Zahlen vor Steuern):

  • Abzug Hypothekarzinsen und Einzahlung 3a als indirekte Amortisation der Hypothek äquivalent wie Eigenmietwert.

Kauf:

  • 4 ½ Zimmerwohnung, 130 m2, Region Zürich, Kaufpreis 1'400'000 Franken, Eigenkapital 25 Prozent oder 350'000 Franken, Hypothek 1'050'000 Franken.
  • Jährliche Kosten; Hypothekarzins (1,5 Prozent) 15'750 Franken, Nebenkosten (0,7 Prozent) 9800 Franken, Amortisation 14'000 Franken (2. Hypothek CHF 140'000 innerhalb von 10 Jahren) = 39'550 Franken pro Jahr oder 3296 Franken pro Monat respektive 25'550 Franken pro Jahr oder 2129 Franken pro Monat ohne Amortisation.

Miete:

  • Eine vergleichbare Wohnung kostet zur Miete 42'000 Franken pro Jahr oder 3'500 Franken pro Monat. Nach Abzug des Zinses auf dem freien Kapital (Eigenkapital beim Eigenheim) von 2625 Franken pro Jahr (350'000 Franken x 0,75 Prozent) resultiert eine «Nettomiete» von 39'375 Franken pro Jahr respektive 3281 Franken pro Monat.

Giampiero Brundia ist seit 30 Jahren im Hypothekargeschäft tätig. Nach einer Banklehre absolvierte er die höhere Fachausbildung zum Bankfachmann. Nachdem er zwischen 1990 und 2002 bei Banken im Kommerz- und Hypothekarbereich arbeitete, verschrieb er sich 2003 der bankenunabhängigen Finanzierungsberatung. Sein Kundenfokus lag dabei auf gemeinnützigen Wohnbauträgern, Immobiliengesellschaften, privaten Immobilieninvestoren und Wohneigentümern. Diese Tätigkeit übte er bis Juni 2020 bei der Hypothekenbörse und Avobis und seit September 2020 bei der Oxifina aus. In seiner Zeit als Hypothekenspezialist hat Giampiero Brundia über 4 Milliarden Franken Immobilienkredite abgeschlossen, mehr als 1’000 Finanzierungen ausgeschrieben, über 2’000 Finanzierungskonzepte erstellt und mehr als 10’000 Stunden Verhandlungen geführt.

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