Der Impfstoffkandidat zum Schutz gegen die von Zecken übertragene Krankheit, die Organe und das Nervensystem schädigen kann, ist der einzige, der sich derzeit in der klinischen Entwicklung befindet. Im Gegensatz zum harten Wettbewerb mit den globalen Arzneimittelherstellern wie AstraZeneca, Pfizer oder Moderna bei Corona-Impfstoffen, gibt es bei Vakzinen gegen Lyme-Borreliose keine etablierten Rivalen.
Der Corona-Totimpfstoff von Valneva wurde lange als Alternative zu mit neuen Methoden entwickelten Impfstoffen gehandelt, die Skeptiker überzeugen sollte. Er wird aus inaktiven Corona-Viren hergestellt, eine bei Impfstoffen schon lange etablierte Herstellungsweise.
Seit Ende Juni ist das Mittel in der EU zugelassen, als einziges seiner Art. Doch den Liefervertrag strich die EU wenige Wochen später drastisch auf 2,5 Millionen Dosen von einst 60 Millionen zusammen. Ein herber Rückschlag für das Unternehmen. Die Valneva-Aktie verlor in den letzten sechs Monaten fast 40 Prozent ihres Wertes.
Nun nimmt sich das Unternehmen andere Krankheiten vor. Der Klimawandel führt in vielen Teilen der Welt zu längeren Sommern und milderen Winter und löst daher mehr Fälle von Lyme-Borreliose aus. Valneva-Chef Thomas Lingelbach sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass das Vorkommen deutlich zugenommen habe. "Die globale Erwärmung ist sicherlich ein Schlüssel – wenn nicht die treibende Kraft", so Lingelbach.
Studie am Mensch soll starten
Das Unternehmen bereitet derzeit für seinen Impfstoff gegen Lyme-Borreliose den Start von Versuchen am Menschen vor. An der Studie, die in den kommenden Wochen beginnen soll, würden über fünf Jahre mindestens 5000 Personen teilnehmen.
Die Lyme-Borreliose wird in der Regel durch Zecken verursacht, die die Bakterien in sich tragen. Während die meisten Bisse nicht zu einer Infektion führen und nicht jede infizierte Person einen charakteristischen Hautausschlag hat, stellen einige später fest, dass sie die Krankheit haben. Zu diesem Zeitpunkt kann die Standard-Antibiotikabehandlung aber nicht mehr wirken. Wenn die Krankheit nicht behandelt wird, können einige Patienten ernsthafte Komplikationen entwickeln, einschliesslich einer Gehirnentzündung.
Im Erfolgsfall eine Milliarde Dollar Umsatz
Valneva geht davon aus, dass der Borreliose-Impfstoff, bekannt als VLA15, im Erfolgsfall einen weltweiten Jahresumsatz von einer Milliarde Dollar generieren wird. "Die Hoffnung ist, dass VLA15 Menschen helfen kann, die in ländlichen Gebieten und anderen Orten leben, wo Zecken verbreitet sind", sagte Lingelbach zu Reuters.
Die Entwicklung des Impfstoffkandidaten finanziert Valneva mit dem Kapitalerlös aus dem Einstieg von Pfizer. Der US-Pharmariese übernimmt über eine Kapitalerhöhung für 90,5 Millionen Euro einen Anteil von gut acht Prozent an Valneva. Pfizer setzt grosse Hoffnungen auf den Impfstoffkandidaten und rechnet früheren Angaben zufolge damit, die Zulassung des Vakzins 2025 bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen zu können.
Der Impfstoff gegen Chikungunya, einer weiteren Krankheit im Fokus von Valneva, soll in Kürze zur Zulassung in den USA eingereicht werden. Die Viruserkrankung wird durch den Stich infizierter Mücken verbreitet, hauptsächlich in Afrika, Asien und Indien. Chikungunya ist zwar selten tödlich, aber durch intensive Muskel- und Gelenkschmerzen gekennzeichnet, die über Monate oder Jahre andauern können. Im Falle einer Zulassung will Valneva den Impfstoff als Reiseimpfstoff in den Industrieländern verkaufen sowie an die Bevölkerung in Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen. Samir Devani, Analyst bei Rx Securities, erwartet in der Spitze einen Jahresumsatz von 250 Millionen Euro.
(Reuters)