Die US-Bürger sind fast überall mit hohen Preisen konfrontiert: im Supermarkt, an der Tankstelle und auch beim Blick auf die Miet- oder Heizkostenabrechnung. Bei einer Teuerungsrate von zuletzt noch 8,2 Prozent schrillen nicht nur bei der Notenbank die Alarmsirenen, sondern auch im Weissen Haus. "Die Inflationsrate ist natürlich eine Katastrophe für US-Präsident Joe Biden", meint der US-Kenner und Kieler Volkswirtschaftsprofessor Harm Bandholz.
Viele Amerikaner treffe besonders der hohe Benzinpreis hart. Für die Republikaner sei es daher ein Leichtes, dieses Thema auszuschlachten und dem Präsidenten die Verantwortung für die Preismisere zuzuweisen. Der mit niedrigen Popularitätswerten kämpfende Staatschef steht zwar bei den Zwischenwahlen am 8. November nicht auf dem Wahlzettel. Doch müssen seine Demokraten zumindest um ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus bangen, was Biden das Regieren künftig deutlich erschweren würde.
Steigen die Preise an der Zapfsäule - sinkt die Popularität für die Demokraten
Allerdings können die Demokraten auf der Habenseite verbuchen, dass die Preise an der Zapfsäule zuletzt wieder gefallen sind. Bandholz verweist darauf, dass die Unterstützungswerte für die Demokraten und auch für Biden moderat gestiegen seien nach einem Tiefpunkt Ende Juni: "Und dieser Zeitpunkt korrespondierte genau mit dem Hochpunkt der Benzinpreise", fügte der Kieler FH-Professor hinzu, der früher an der Wall Street als US-Chefökonom für die Grossbank UniCredit tätig war.
Ein Zugpferd ist Biden jedoch nicht für seine Demokraten. Laut einer Meinungsumfrage von Reuters/Ipsos finden nur 40 Prozent der Amerikaner Bidens Amtsführung gut - im Juni waren es sogar nur 36 Prozent. Der Präsident hatte nach den jüngsten Inflationszahlen prompt eine Botschaft an das Wahlvolk parat: "Die Bekämpfung der globalen Inflation, die Länder auf der ganzen Welt und arbeitende Familien hier zu Hause betrifft, hat für mich oberste Priorität."
Der 79-Jährige agiert als Kümmerer und forderte Banken und Mobilfunknetzbetreiber vor einigen Wochen unverblümt auf, unnötige Kosten für Konsumenten zu senken. Dazu zählt er beispielsweise Überziehungskredite, aber auch Kündigungsgebühren bei Mobilfunkverträgen. Solche "Schrott-Gebühren" schadeten den Familien. Und von Tankstellenbetreibern verlangte Biden, die Preise umgehend zu senken.
Wer hat Schuld an Preismisere?
Als eine gewisse Hypothek für den Präsidenten gilt, das er während der Corona-Pandemie billionenschwere Ausgabenpakete geschnürt hatte. Auch wenn viele Amerikaner davon in der Krise profitierten, werfen Kritiker Biden vor, diese Geldschleuder habe die Inflationswelle mit verursacht. Die Republikaner schieben Biden höchstpersönlich den Schwarzen Peter zu. In TV-Werbespots werden er und der von seiner Partei kontrollierte Kongress als Hauptschuldige für die Preismisere an den Pranger gestellt.
Doch verfängt diese Argumentation bei den Bürgern nur zum Teil: In einer Ipsos-Umfrage sah nur rund ein Drittel der Befragten die Ausgabenpolitik der Regierung als Treiber der Preisentwicklung. Die meisten sehen die Lieferkettenprobleme im Zusammenhang mit der Corona-Krise sowie den Ukraine-Krieg als Hauptursachen - eine Sicht, die auch viele Ökonomen teilen.
«Die Stimmung hat etwas gedreht»
Die Commerzbank-Experten Bernd Weidensteiner und Christoph Balz verweisen darauf, dass sich im Sommer zeitweise ein Debakel für die Demokraten mit Blick auf die Zwischenwahlen abgezeichnet habe: "Seither hat die Stimmung aber etwas gedreht." Denn Biden habe unter anderem einige gesetzgeberische Erfolge erzielt - etwa die Verabschiedung des "Inflation Reduction Act". Biden pries es als "eines der bedeutendsten Gesetze" in der US-Geschichte. Mit dem 430 Milliarden Dollar schweren Paket sollen der Klimawandel bekämpft, aber auch Arzneimittelpreise gesenkt und einige Unternehmenssteuern erhöht werden.
Dies dürfte die Inflation aus Sicht der Rating-Agenturen Moody's und Fitch aber erst mittel- bis langfristig dämpfen - und gleichzeitig auch das Defizit senken. Die Regierung geht davon aus, dass es binnen eines Jahrzehnts um mehr als 300 Milliarden Dollar verringert werden kann. Das soll dann auch den Preisauftrieb bremsen.
Inflationswelle rollt weiter
Doch die Inflationswelle rollt aktuell noch immer fast ungebremst über das Land: Die Teuerungsrate fiel im September nur minimal auf 8,2 von 8,3 Prozent im August, und gab damit immerhin zum dritten Mal in Folge nach. Die Preise sind aber laut Biden "immer noch zu hoch". Die Inflationsrate liegt mehr als vier Mal so hoch wie von der US-Notenbank Federal Reserve angestrebt. Sie hat daher die Zinsen kräftig angehoben - auf die Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent. Am 2. November - also kurz vor den Zwischenwahlen - dürfte ein weiterer Jumbo-Schritt von 0,75 Prozentpunkten folgen.
Die Zinserhöhungen der Fed bremsen nach Worten der US-Regierungsberaterin Cecilia Rouse allmählich die Wirtschaft. Die straffere Geldpolitik der Fed beginne die "heiss gelaufene" US-Wirtschaft und hier vor allem den Job- und Immobilienmarkt abzukühlen, sagte die Leiterin des Rats der Wirtschaftsberater des US-Präsidialamts. Die Regierung arbeite daran, die Kosten "so gut es geht" zu senken. Doch Preissprünge bei Energie seien auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen.
(Reuters)