Für Obligationen-Investoren war das Jahr 2023 zum Vergessen. Es resultierten die grössten Kursverluste seit Jahrzehnten. So stiegen innert Jahresfrist die Renditen von zehnjährigen US-Staatsobligationen von 1,5 auf 3,8 Prozent, die der Zweijährigen gar von 0,5 Prozent auf 4,8 Prozent. Gemäss UBS geht es jetzt aber flott in die andere Richtung, denn der Anstieg der US-Renditen sei nur ein Strohfeuer gewesen.  

Die Bank begründet diese Entwicklung mit einer Verschiebung von Inflation zu Deflation, welche im laufenden Jahr prägend sein werde. Dies werde zu einer raschen Lockerung der restriktiven Geldpoliltik der amerikanischen Notenbank führen. Bis Mitte 2024 sollen die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen von derzeit 3,50 Prozent auf noch etwas knapp über 2,0 Prozent sinken. Erst gegen Ende 2024 sollten die deflationären Kräfte nachlassen und mittelfristig mit einer Stabilisierung der Rendite bei 2,65 Prozent zu rechnen sein. 

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Effektive und nominale Renditen 10-jährige US-Treasury Bonds.

Quelle: UBS Global Research

Tiefere Renditen erwartet die UBS allerdings nicht nur in den USA, auch die Renditen von deutschen und UK-Staatsanleihen sollen sinken. 10-jährige "Bunds" und "Gilts", wie deutsche und britische Staatsanleihen auch genannt werden, sollten aber weniger stark sinken als die amerikanischen Pendants. Die Renditen der deutschen Bunds sieht die UBS von 2,10 auf 1,50 Prozent fallen. 

Credit Suisse sieht Ende der Ära der «für längere Zeit niedrigen Zinsen»

Da sich die Inflation 2023 voraussichtlich normalisieren wird, erachtet auch die Credit Suisse Fixed-Income-Anlagen als attraktiv. Zudem biete diese Anlageklasse wieder Diversifizierungsvorteile für Portfolios. Long-Engagements in US-Anleihen werden gegenüber Euro-Bonds bevorzugt, ebenso Schwellenländer-Hartwährungsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit guter Bonität. Aus währungstechnischer Sicht scheint der Dollar derzeit wieder attraktiver nach der jüngsten Korrektur im Vergleich zum Euro, der gegenüber dem Franken wieder über der Parität notiert. Wie die UBS erwartet auch die Credit Suisse, dass die Renditen nicht mehr auf die tiefsten Niveaus des letzten Jahres zurückfallen werden. 

Sich von Obligationen abzuwenden, hält auch die Genfer Privatbank Union Bancaire Privée (UBP) für falsch. Deren Chefökonom Patrice Gautry ist Aktien gegenüber eher vorsichtig, da die Bewertungen im aktuellen Wirtschaftszyklus hoch seien. "Der Fokus liegt nach den Leitzinserhöhungen der Zentralbanken auf den Obligationenmärkten, da die Nominalzinsen deutlich attraktiver sind. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um sich mit Anleihen einzudecken. Wir können sogar das High-Yield-Segment in Betracht ziehen, das eine attraktive Risikoprämie und eine interessante Rendite bietet. Heute, auf dem aktuellen Niveau, ist es wertvoller, einen Euro in Hochzinsanleihen als in Aktien zu investieren.“

Rekordhohe Finanzierungsnachfrage in Europa

Deutlich weniger optimistisch für die europäischen Bondmärkte ist der Bondstratege Jan von Gerich von der Nordea Bank. Grund für seine Skepsis sind die seit Herbst 2022 zurückgehenden Anleihenkäufe der Notenbank. "Bereinigt um die Nettokäufe der EZB dürfte der Nettofinanzierungsbedarf in diesem und im nächsten Jahr auf ein neues Rekordhoch steigen, höher als nach der Finanzkrise 2009 und 2010. Da braucht es viel, bis der Rentenmarkt diese Anleihenschwemme verdaut hat".

"Infolgedessen steht der Euro-Anleihemarkt im nächsten Jahr vor einer nahezu beispiellosen Emissionsherausforderung", so von Gerich weiter. "Die Emissionsaussichten sind natürlich nur ein Treiber des Anleihenmarktes, und die grössere Richtung für die Anleiherenditen können häufig globale Renditeentwicklungen, Änderungen der Wirtschafts- und Inflationsaussichten und Wenden in der Zentralbankpolitik sein. Dennoch spricht der Emissionsausblick eindeutig für höhere Anleiherenditen und eine steilere Zinskurve."

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700 Milliarden Euro Refinanzierungsbedarf in 2023.

Quelle: Nordea

Trifft die Erwartung der UBS tatsächlich ein, so können Anleger mit Obligationen in diesem Jahr wohl deutlich höhere Kursgewinne erzielen als mit Aktien. Ein Instrument, um von sinkenden US-Obligationsrenditen zu profitieren, ist der unter dem Ticker TLT bekannte ETF. Der "iShares Barclays 20+ Year Treasury Bond Fund" bildet einen Basket von US-Obligationenanleihen mit 20-jähriger Laufzeit ab. Volumenmässig ist es das liquideste und wohl bekannteste Kapitalmarkt-Produkt, mit dem private Anleger direkt auf sinkende oder steigende Kurse setzen können.  

Thomas Daniel Marti
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