US-Notenbank-Chef Jerome Powell sagte am Freitag auf dem jährlichen Symposium der US-Zentralbank in Jackson Hole, dass es «an der Zeit» sei, die Zinsen zu senken. Das ist Powells bisher deutlichstes Signal, dass die lange erwartete Zinssenkung unmittelbar bevorsteht und die Fed beginnt, die Leitzinsen von ihrem Zwei-Dekaden-Hoch zu senken. 

Zwar gab Powell keine Hinweise auf den Umfang oder den Pfad der Lockerung, stellte hingegen Fortschritte bei der Inflation fest und meinte, dass die Gesundheit des Arbeitsmarktes für den weiteren Verlauf der Zinspolitik zentral sei. Seine Worte senkten die Renditen von US-Staatsanleihen und den Dollar gegenüber wichtigen Fremdwährungen und führten zu einem positiven Handelsschluss bei den US-Aktienmärkten.

«Die Märkte müssen diese Rede erst einmal verdauen und sich daran erinnern, dass sie - und die Fed - immer noch von Daten abhängig sind», sagte ein Portfoliomanager bei Brandywine Global Investment Management. Powell schlug zwar einen taubenhaften Ton an, aber «jetzt müssen die Daten liefern».

Richtungswechsel nährt Carry Trades

Am Freitag sind bereits die nächsten grossen Wetten auf Zinssenkungen in den Blickpunkt gerückt. Die Händler erhöhten ihre Wetten auf eine Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt anstatt der bisher erwarteten 0,25 Prozentpunkte im September. Auch der zunehmend schwachen Greenback gerät erneut in den Fokus. Denn dieser entpuppt sich als bevorzugte Währung für eine neue Welle der sogenannten Carry Trades, bei denen riskante Wetten mit geliehenem Geld in einer anderen Währung eingegangen werden. 

Während die Preise von Treasuries nach Powells Rede zulegten, fielen die Renditen aller Laufzeiten - der 10-jährige Referenzzinssatz beendete den Handel am Freitag bei 3,8 Prozent und büsste damit im Wochenverlauf um 8 Basispunkte ein. Mit diesen Gewinnen liegen die Kursavancen US-Staatsanleihen in diesem Monat gemäss einem Bloomberg-Index bei 1,44 Prozent.

Treasuries sind nun auf dem besten Weg, den vierten Monat in Folge Gewinne zu verbuchen - das wäre die längste Reihe positiver Renditen seit drei Jahren. Die Aussicht auf niedrigere Leitzinsen der Fed hat dem S&P 500 in diesem Jahr zu einer Rendite von 18 Prozent verholfen. Gleichzeitig hat der Bloomberg-Dollar-Index seit Ende Juni über 4 Prozent verloren.

Die Richtung der Reise ist klar

Während seiner Rede sagte Powell am Freitag, dass «die Richtung klar ist», aber dass «der Zeitpunkt und das Tempo der Zinssenkungen von den eingehenden Daten, den Aussichten und den Risiken abhängt». Für den September bedeutet dies, dass «die Debatte über 25 Basispunkte versus 50 Basispunkte immer noch ist», so ein Devisen- und Makrostratege bei BNY Mellon.

Die Äusserungen von Powell verleihen dem nächsten monatlichen US-Arbeitsmarktbericht vom 6. September enorme Wichtigkeit. Die jüngsten Arbeitsmarktdaten fielen schwächer aus als erwartet - sollte der nächste Datenpunkt diesem Trend folgen, «dann könnten 50 Basispunkte ins Spiel kommen», so der Stratege von BNY.

Für den Rest dieses Jahres signalisieren die Swap-Sätze, die an die Sitzungen der Zentralbank gebundenen Swap-Kontrakte, eine Senkung um insgesamt etwa einem Prozentpunkt voraus. Da in diesem Jahr nur noch drei Fed-Sitzungen stattfinden, dürften die Märkte die Wahrscheinlichkeit einer überdimensionierten Leitzinssenkung als hoch einstufen.

Was Strategen dazu sagen 

«Jerome Powell hat uns letztendlich gesagt, was wir bereits wussten, wenn auch vielleicht ein wenig nachdrücklicher als einige seiner Kollegen. Das alles lenkt den Fokus auf die nächsten Lohnzahlen in ein paar Wochen, und darüber hinaus natürlich, die Ankündigung des FOMC im nächsten Monat», so ein Marktstratege von Bloomberg.

Vor der Veröffentlichung der Arbeitsmarktzahlen im September gibt es in der nächsten Woche eine Reihe von wichtigen Daten zu analysieren. Dazu gehört der Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben (PCE) im Juli - das bevorzugte Inflationsmass der Fed. Es wird erwartet, dass die jährlichen PCE-Raten sowohl als Gesamtes als auch für die Kerninflation leicht über den Werten vom Juni liegen. 

Unabhängig von der Richtung der Leitzinspolitik wird der Schwenk zu Senkungen als negativ für den Dollar angesehen. Dies könnte dazu führen, dass er zu einer potenziellen Währung für Carry Trades interessant wird. Dabei leihen Händler Kredite in Dollar, um in höher rentierende Währungen und Vermögenswerte in anderen Währungen zu investieren. Voraussetzung für das Funktionieren dieser Geschäfte ist jedoch eine niedrige Volatilität. 

«Asien und der Rest der Schwellenländer werden dies wahrscheinlich als offene Theke interpretieren, die mit dem Dollar bezahlt wird», meinte ein Portfoliomanager aus Singapur. «Schnappen Sie sich ein Glas «Carry Trade» oder einen Risikococktail und lassen Sie die Nüchternen sich um das Morgen sorgen». 

Die Citigroup wies letzte Woche darauf hin, dass sie eine Wiederbelebung dieser Strategie, wobei der Dollar statt dem Yen zur Finanzierung des Handels verwendet wurde.

«Alle Augen werden auf den Yen gerichtet sein», sagte der Chefstratege bei Mizuho Securities in Tokio. «Der Dollar befand sich im freien Fall gegenüber allen Währungen, vom Yen bis zum brasilianischen Real - die Anleger hierzulande könnten sich der Meinung anschliessen dass es sich lohnt, angeschlagene Währungen wie den Yen zu kaufen gegen den Dollar zu kaufen, da Powell nun sagt, es sei Zeit für eine Politik anzupassen».

(Bloomberg)