"Wir erleben eine historische Wende, vielleicht sogar den wichtigsten Moment seit der Markteinführung des iPhones. Jedenfalls wird dieser Moment das Silicon Valley verändern." Die Aussage stammt von Peter Thiel, Gründer von Paypal und für viele Tech-Vordenker der Godfather des Silicon Valley. Thiel meinte damit das Veränderungspotenzial der Künstlichen Intelligenz.

Doch noch während Thiel vor wenigen Tagen dieses Interview gab, waren sein Founders Fund und viele andere Tech-Kunden offenbar panikartig daran, Millionen Dollar von der Silicon Valley Bank abzuziehen. Die Bank ging dann am Freitag tatsächlich hops - und löste Schockwellen im Bankensektor weltweit aus. Statt Künstliche Intelligenz droht mittelfristig nun etwas ganz anderes das Silicon Valley zu verändern: Die reale Finanzwelt - und die Folgen des Endes des billiges Geldes.

So ist es durchaus nicht ohne Ironie, dass die kollabierte Silicon Valley Bank, spezialisiert auf Finanzierung von Technologiefirmen in Kalifornien, über Uralt-Mechanismen des Bankenwesens gestolpert ist: Die Anlage von Kundengeldern in langfristige Investments wie Staatsanleihen, um von der Zinsdifferenz zu profitieren. Die Zinserhöhungen und die folgenden Liquiditätsprobleme auf Kunden- wie auf Bankenseite machten der Strategie und dem Geschäftsmodell von SVB aber einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. 

Mit dem Fall der SVB offenbaren sich tatsächlich erstmals deutliche Folgen der Zinserhöhungen der Notenbanken im Finanzsystem. In den USA hat die Fed die Zinsen so stark angehoben wie seit den frühen 1980er-Jahren nicht mehr. Bereits deutlich zu spüren bekamen dies Aktionäre von Technologiefirmen und Krypto-Investoren, aber auch Akteure auf dem Markt der Immobilienfinanzierung.

Auch wenn die Märkte nun verrückt spielen sollten: Der "Fail" von SVB wird kaum eine neue Finanzkrise im Stil 2008 auslösen. SVB, Nummer 16 der US-Bankenbranche, ist nicht systemrelevant.

Der Fokus liegt anderswo: Bei der US-Geldpolitik. Die Bond-Märkte setzten schon am Freitag darauf, dass Turbulenzen bei den Banken die Fähigkeit der Federal Reserve zu weiteren Zinserhöhungen einschränken wird. Auch Tech-Unternehmer und weite Teile der Politik werden von der Fed eine Zinspause verlangen. Kurz: Der Druck auf die US-Notenbank wird steigen. Verstärkt dann, sollten sich die Anzeichen von Bank-Runs in den USA verdichten und Marktturbulenzen zunehmen.

Die Fed und mit ihr die anderen massgebenden Notenbanken könnten vor einer heiklen Aufgabe stehen. Die Zinsen wie geplant im Kampf gegen die Inflation weiter erhöhen - oder dem Druck von Markt und Politik nachgeben und die Geldpolitik wieder lockern. 

Es steht viel auf dem Spiel für die Notenbanken. Ihre Glaubwürdigkeit ist bereits angeschlagen, nachdem sie die Inflation im Verlauf des vorletzten Jahres hartnäckig als «vorübergehend» bezeichnet hatten und den Zinserhöhungszyklus viel zu spät eingeläutet hätten. Eine nochmalige Fehleinschätzung der Lage wäre fatal.

Daniel Hügli
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