Vor allem in der zweiten Jahreshälfte sei bei den sogenannten Mergers&Acquisitions-Aktivitäten eine Abschwächung beobachtet worden, so Brice Bolinger, Leiter M&A Schweiz bei der Credit Suisse. Bedingt sei dies durch makroökonomische Herausforderungen und die Verteuerung von Finanzierungen. Wegen des schwierigen Umfelds seien auch einige grosse öffentliche Übernahmen, an denen im ersten Halbjahr gearbeitet wurde, aufgeschoben worden.

Noch ins erste Semester fiel die volumenmässig mit Abstand grösste Transaktion, die sich abseits der hiesigen Börse abspielte. Der als "Fusion unter Gleichen" angekündigte Zusammenschluss des Genfer Aromen- und Riechstoffherstellers Firmenich mit der niederländischen Royal DSM brachte 20,7 Milliarden US-Dollar auf die Waage. Die bisherigen Firmenich-Inhaber werden künftig gut einen Drittel am fusionierten Unternehmen besitzen und erhielten zusätzlich über eine Barabfindung von 3,5 Milliarden Euro.

ABB und Holcim aktiv

Bei den Grosskonzernen, deren Aktien an der Schweizer Börse gehandelt werden, zeigten sich vor allem der Industriekonzern ABB und der Zementriese Holcim aktiv. So verkaufte ABB im Jahr 2022 die übrigen Anteile am Stromnetzgeschäft an Hitachi, was rund 1,4 Milliarden US-Dollar in die Kasse spülte. Zudem brachte der Konzern die Turbolader-Sparte Accelleron mit einer Kapitalisierung von 1,7 Milliarden Franken an die Börse und hegt auch für das E-Mobility-Geschäft im kommenden Jahr entsprechende Pläne.

Holcim trieb den Wandel von einem zement-lastigen Baustoffhersteller zu einem Anbieter von innovativen und nachhaltigen Baulösungen weiter voran. Nach dem Verkauf der Zementgeschäfte in Brasilien und Simbawe im Vorjahr wurde 2022 die indische Ambuja Cement für 6,4 Milliarden Franken und das Russland-Geschäft abgestossen. Im Gegenzug übernahm Holcim in den ersten neun Monaten 16 kleinere Firmen, womit das Unternehmen laut CEO Jan Jenisch diesbezüglich auf dem Weg zu einem firmeninternen Rekord ist.

Von den SMI-Unternehmen näherte sich auch Alcon mit dem Zukauf von der US-Firma Aerie Pharmaceuticals für rund 770 Millionen US-Dollar der Milliarden-Grenze.

Eine zu Jahresbeginn angekündigte Übernahme des Online-Vermögensverwalters Wealthfront durch die Grossbank UBS platzte im Jahresverlauf hingegen, wofür Marktbeobachter den zu hoch angesetzten Kaufpreis von 1,4 Milliarden US-Dollar verantwortlich machten.

Grosse Transaktionen im SPI

In den hinteren Reihen spielte sich insbesondere die SIG Group ins Rampenlicht. Nach einem Zukauf über 335 Millionen Franken in Asien griff der Verpackungshersteller und TetraPak-Konkurrent in den USA zu und übernahm IPN Scholle mit einem Unternehmenswert von 1,36 Milliarden, wobei deren Eigentümer Laurens Last gleichzeitig der grösste Einzelaktionär wurde.

Auch der aus den vergangenen Jahren bereits Mega-Deal-erprobte Duty-Free-Spezialist Dufry landete im Jahr 2022 einen Coup, als er sich die italienische Autogrill mit einer Marktkapitalisierung von rund 2,4 Milliarden Euro einverleibte. Im Rahmen der Transaktion tauschte die Benetton-Familie ihre Autogrill-Aktien ein und wurde damit mit einem Anteil von 20 bis 25 Prozent zu einem neuen Dufry-Grossaktionär.

Valora wird mexikanisch

Bald von der Schweizer Börse verschwinden wird die Valora-Gruppe. So legte der mexikanische Detailhandelskette Femsa ein Übernahmeangebot von 1,1 Milliarden Franken in bar auf den Tisch, das auch den Verwaltungsrat und die Aktionäre zu überzeugen vermochte. Mit der Übernahme wagte der auch an der US-Börse gelistete Detailhandelsriese den Eintritt in den europäischen Markt.

Weiter kam es im breiten Markt im laufenden Jahr zu verschiedenen Zusammenschlüssen und strukturierten Transaktionen. So fusionierten etwa der Elektroinstallateur Burkhalter und die Gebäudetechnik-Gruppe Poenina. Ausserdem trat Metall Zug den Geschäftsbereich Schleuniger an den ebenfalls in der Innerschweiz angesiedelten Kabelmaschinen-Hersteller Komax ab und erhielt im Gegenzug einen Anteil von 25 Prozent an Komax.

Warten auf Sandoz

Noch in der Warteschlaufe ist beim Pharmakonzern Novartis die Abspaltung der Generikasparte Sandoz. Es gilt aber als gesichert, dass diese im zweiten Halbjahr 2023 an die Börsen gebracht wird. Damit steht den Baslern eine noch grössere Transaktion bevor wie bei der Abspaltung der Augenheilsparte Alcon, welche 2019 mit einer Marktkapitalisierung von damals knapp 27 Milliarden Franken an der SIX gelistet worden war.

Der Blick auf das kommende Jahr ist aus heutiger Sicht gleichwohl eher eingetrübt. Laut CS-Experte Brice Bolinger ist mit einer Beschleunigung erst im zweiten Halbjahr zu rechnen, wenn sich die Finanzierungsmärkte wieder verbessern sollten. Weiter zunehmen dürften seiner Einschätzung nach aktivistische Aktionärskampagnen mit dem Ziel eines Verkaufs oder einer Abspaltung von Unternehmensteilen.

Vereinzelt könnten die eingebrochenen Aktienkurse auch "Schnäppchenjäger" auf den Plan rufen. Immer wieder als Übernahmekandidaten gehandelt werden beispielsweise der Bankensoftware-Hersteller Temenos oder auch die Versandapotheke Zur Rose.

(AWP)