Geht es nach Marcus Widen, müssen die Wörterbücher bald ergänzt werden. «Es ist an der Zeit, ein neues Wort hinzuzufügen: Trumpcession», sagt der Ökonom des skandinavischen Bankkonzerns SEB. Ein Kofferwort, zusammengesetzt aus dem englischen Wort für Rezession und dem Nachnamen des US-Präsidenten. Tatsächlich schliesst der Republikaner selbst eine schrumpfende Wirtschaft nicht aus. «Es gibt eine Übergangsphase, denn was wir tun, ist sehr gross. Wir bringen den Wohlstand zurück nach Amerika», sagte Donald Trump am Wochenende in einem Interview. Nachfolgend ein Überblick, wie der Zollkonflikt die weltgrösste Volkswirtschaft belastet und eine Rezession wahrscheinlicher macht:
Kauflaune im Keller
Die Konsumstimmung ist im Februar so stark eingebrochen wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr. Das vom Institut Conference Board ermittelte Barometer für das Verbrauchervertrauen brach um sieben Punkte auf 98,3 Zähler ein. Es liegt damit auf dem schlechtesten Wert seit Juni 2024. Da der private Konsum mehr als zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung ausmacht, dürften sinkende Verbraucherausgaben die Konjunktur erheblich belasten.
Bei der Umfrage fanden die Experten heraus, dass die von Trump geschürten Handelskonflikte die Verbraucher verunsichern. «Die Erwähnungen von Handel und Zöllen haben stark zugenommen und sind auf ein Niveau zurückgekehrt, das seit 2019 nicht mehr erreicht wurde», sagt die Ökonomin Stephanie Guichard vom Conference Board. Kommen Strafzölle, dürfte das für mehr Inflation sorgen - müssen doch die US-Importeure die Abgaben entrichten. Sie dürfte die höheren Kosten dann an ihre Kunden weitergeben.
Inflationssorgen
Die Verbraucher fürchten deshalb steigende Preise. Die durchschnittlichen Inflationserwartungen der Verbraucher für die kommenden zwölf Monate stiegen im Februar von 5,2 auf 6,0 Prozent, den höchsten Wert seit Mai 2023. Zum Symbol für die Inflationsängste der Amerikaner sind die Eierpreise geworden: In einigen grossen Städten kosten ein Dutzend Eier mittlerweile bis zu zehn Dollar, weil seit Ausbruch der Geflügelpest in den USA im Jahr 2022 etwa 163 Millionen Hühner, Truthähne und andere Vögel an dem Virus starben oder gekeult wurden.
Arbeitsmarkt
Der hat sich in diesem Jahr abgekühlt. Im Februar entstanden nur noch 151'000 neue Jobs, im Januar waren es sogar nur 125'000 - nach 323'000 im Dezember 2024. Die Arbeitslosenquote ist zugleich etwas gestiegen - auf aktuell 4,1 Prozent. «Wir sehen die US-Wirtschaft zwar nicht in eine Rezession abgleiten, aber der Arbeitsmarktbericht für Februar dürfte die Marktteilnehmer nicht davon abhalten, weiter darauf zu spekulieren», erklärt Analyst Dirk Chlench von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Dazu dürfte Trump auch selbst beitragen: Die von seiner Regierung vorangetriebenen Pläne für einen radikalen Personalabbau in der Bundesverwaltung hinterliessen erste Spuren.
Industrie
Die chaotische Zollpolitik Trumps - erst werden Zölle angekündigt, dann wieder auf Eis gelegt - verunsichert die Industrie. Der Einkaufsmanagerindex für diesen Sektor sank im Februar auf 50,3 Punkte. Das Barometer liegt damit nur noch knapp über der Marke von 50, ab der Wachstum signalisiert wird. «Zölle werden die Produzenten eindeutig härter treffen als die Gesamtwirtschaft», sagt der US-Chefvolkswirt bei Santander US Capital Markets, Stephen Stanley. Die Verkaufspreise ab Werk stiegen im Februar fast auf ein Dreijahreshoch, während sich die Lieferzeiten für Materialien verlängerten. Dies deutet darauf hin, dass das Zollchaos die Produktion schon bald beeinträchtigen könnte.
Börsen
Sorgte der Wahlsieg Trumps im November bei Börsianern noch für Euphorie angesichts der Aussicht auf niedrigere Steuern und weniger Regulierung, so gibt es mittlerweile Ernüchterung. Der Ausverkauf an den Aktienmärkten verstärkte sich am Montag nach Trumps Rezessions-Aussagen. Der Leitindex S&P 500 fiel um 2,7 Prozent und verzeichnete damit den grössten Tagesrückgang des Jahres. Die technologielastige Nasdaq rutschte um vier Prozent ab - der grösste Tagesverlust seit September 2022. Der S&P 500 liegt nunmehr um 8,6 Prozent unter seinem Rekordhoch vom 19. Februar und hat seitdem mehr als vier Billionen Dollar an Marktwert eingebüsst.
Börsianer blicken pessimistisch nach vorn. «In den USA messen wir einen massiven Einbruch von Lage- und Erwartungswerten, wie wir sie bisher nur in der Finanzkrise 2008 messen konnten», sagt der Geschäftsführer der deutschen Investmentberatung Sentix, Manfred Hübner. Sentix hat rund 1000 Investoren befragt. «Die Handelspolitik Donald Trumps, es sich mit seinen Zollforderungen mit Kanada, Mexiko und China zur gleichen Zeit anzulegen, und gleichzeitig die Differenzen mit Europa zu vergrössern, sorgt für eine beispiellose Verunsicherung der Anleger», betont Hübner.
Was sagen Ökonomen voraus?
Für Schlagzeilen sorgt dieser Tage ein Prognosemodell der regionalen Notenbank von Atlanta. Es sagt für das laufende erste Quartal einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um annualisiert 2,8 Prozent voraus, nachdem zuvor noch ein Wachstum von 2,3 Prozent ermittelt worden war. Analysten betonen zwar, dass Sonderfaktoren wie das kalte Wetter und vorgezogene Importe diesen Indikator verzerrt haben könnten. Sie weisen aber auch darauf hin, dass drohende Handelskriege erhöhte Risiken für Inflation und Wachstum bedeuten. Die Ökonomen von Morgan Stanley schätzen, dass Zölle gegen China, Mexiko und Kanada das US-Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen um 0,7 bis 1,1 Prozentpunkte schmälern könnten.
(Reuters/cash)