Seit vergangenem Donnerstag fielen die Aktien von Kuros von 32 auf 20 Franken - ein Kursverlust von mehr als 37 Prozent. Offenbar geriet das Biotechnologieunternehmen in den Sog, der weite Teile des Gesundheitssektors erfasst hatte. Die Nachricht, Robert F. Kennedy Jr. (RFK) solle Gesundheitsminister der Vereinigten Staaten werden, zog Gesundheitswerte wie Roche, Lonza, Pfizer, Amgen, Biontech, Regeneron und weitere nach unten.

Der nun designierte Präsident Donald Trump hatte gesagt, Kennedy dürfe sich in der Gesundheitspolitik «austoben». RFK wiederum gilt als Impfgegner, er will die angebliche Korruption ausmerzen und in den US-Gesundheitsbehörden aufräumen. Dass eine solche politische Entwicklung Anleger verunsichert, liegt nahe.

Ermutigender als der Blick auf die letzten Tage ist die längerfristige Perspektive auf das Abschneiden von Kuros an der Börse. Die Aktien des Biotechunternehmens haben sich bis vergangenen Donnerstag auf 32 Franken von unter 4 Franken per Anfang Januar verbessert - ein Zuwachs von mehr als 700 Prozent. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum hat der Gesamtmarkt gemessen am Swiss Performance Index sieben Prozent zugelegt. Mehr noch: Kein Titel eines anderen Unternehmens am Schweizer Markt verzeichnete eine so starke Performance wie die Papiere der in Schlieren beheimateten Firma. 

Das freut auch die Aktionäre. Grösster Investor ist der Niederländer Chris Oomen. Er hat seinen Bestand seit 2020 von rund drei auf über neun Millionen Stück aufgestockt und besitzt heute 24 Prozent der Kuros-Aktien. Blackrock und UBS halten rund drei Prozent, die Zürcher Kantonalbank 1,8 Prozent der Kuros-Papiere.

Der Aufstieg an der Börse folgt auf eine jahrelange Phase mit Notierungen im tiefen einstelligen Frankenbereich. Das absolute Tief von 1,11 Franken stammt aus dem April 2023. Will man einen Startschuss für den positiven Kursverlauf festmachen, dann wohl den Juli 2023. Damals schloss das Unternehmen die Patientenrekrutierung für eine Studie zu einem Wirbelsäulenprodukt ab. Innert Tagen verdoppelte sich der Wert der Aktie beinahe - auf einen Stand von 2,70 Franken. Später im Jahr folgte die Zulassung des Schlüsselprodukts MagnetOS in den USA - sowie der Sprung auf die 6-Franken-Marke. Sie hatte nicht lange Bestand. Innert Monatsfrist sackte die Aktie wieder auf drei Franken ab.

Damals konnte man nicht unbedingt mit einer nachhaltigen Entwicklung rechnen. Zwar blickt Kuros, ein ETH-Spin-Off, auf eine mehr als 20-jährige Firmengeschichte zurück. Doch angesichts anderer Biotechnologieunternehmen hat man einen Abschwung oder gar ein Scheitern nicht für komplett unwahrscheinlich erklären können. Zum Beispiel befindet sich Spexis in Nachlassstundung und wird wohl bald von der Schweizer Börse verschwinden.

Seit Längerem für Kuros gesprochen hat indes die zuständige Analystin des Analyse- und Brokerageunternehmens Octavian. Niemand ausser ihr deckt den Titel ab. Sie hatte die Abdeckung im Januar 2019 mit einem «Buy»-Rating und einem Kursziel von knapp sechs Franken aufgenommen. Dieses implizierte eine Verdreifachung des Aktienkurses, der damals bei rund zwei Franken lag.

In der Folge passte die Expertin das Preisziel mehrfach an, blieb aber fast immer deutlich über dem Kurs. Im Sommer dieses Jahres schraubte sie ihre Prognose auf 15 von 7 Franken hoch - nachdem die Aktie auf etwas über 11 Franken gestiegen war.

Kursziel ist bisher bei 19 Franken geblieben

Bei der jüngsten Kurszielanpassung ging die Octavian-Analystin auf 19 von 15 Franken hoch und bestätigte ihre Kaufempfehlung erneut. Das war Anfang September. Im Oktober berichtete Kuros von um 149 Prozent auf 50 Millionen Franken gestiegenen Verkäufen des Knochenersatzprodukts MagnetOs in den ersten neun Monaten des Jahres.

Um die weiteren Geschäfte zu finanzieren, standen Kuros per Ende der ersten neun Monate flüssige Mittel in Höhe von 15,8 Millionen Franken zur Verfügung, verglichen mit 14,3 Millionen per Ende Juni 2024. Mithin hat die Gruppe eigenen Angaben zufolge erstmals die Gewinnschwelle beim Cashflow überschritten.

Insofern geht die Aktienkursentwicklung mit einer im Grunde positiven Entwicklung des Geschäftsgangs einher. Zudem ist absehbar, dass die Knochenersatzprodukte von Kuros weiterhin gefragt sind - man kann nicht ohne Weiteres auf sie verzichten. Das spricht für das Unternehmen und für die Aktie.

Wie Finanzchef Daniel Geiger auf Anfrage von cash.ch weiter bestätigt, hat es seit der letzten Berichterstattung keine Änderung der Fundamentaldaten bei Kuros gegeben. Unterstützend hinzu kommen dürfte der Aufstieg in den MSCI-Small-Cap-Index vom MSCI-Micro-Cap-Index per 25. November. Kuros hat zudem eine Marktkapitalisierung von 755 Millionen Franken. Steigt der Marktwert nachhaltig über 1 Milliarde Franken, kommt die Aktie bei weiteren Small- und Mid-Cap-Investoren auf den Radar.

Zweifel an der Nachhaltigkeit der Aktienkurssteigerungen sind jedoch nicht ausgeräumt. Denn Kuros hat in den vergangenen Tagen besonders stark gelitten, andere Gesundheitswerte haben deutlich weniger Boden verloren. Das nährt Vermutungen: Dass Investoren sich angesichts von Negativmeldungen bei Kuros rascher zurückziehen als bei anderen Unternehmen, und dass sie nach der starken Performance der jüngeren Vergangenheit Gelegenheiten zu Gewinnmitnahmen nutzen. 

Im Übrigen hat die Analystin von Octavian das Kursziel anlässlich der - an sich ermutigenden - Berichterstattung im Oktober mit 19 Franken bestätigt und nicht weiter erhöht; es befindet sich nach wie vor auf dem Wert von Anfang September. Somit implizierte sie bis am vergangenen Donnerstag und dem Hoch von 32 Franken ein Abwärtspotenzial von 40 Prozent - das sich bis heute praktisch vollständig realisiert hat. Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, ob die Aktie noch weiter fällt. Oder ob sie nun Boden findet und wieder steigt. Klar geworden ist unterdessen aufs Neue: Wer in Kuros investiert, muss mit grossen Kursschwankungen leben können.

Reto Zanettin
Reto ZanettinReto Zanettin ist seit April 2024 Redaktor bei cash.ch. Zuvor war er während fünf Jahren Inlandredaktor bei den «Schaffhauser Nachrichten» sowie in der Kommunikationsbranche tätig. 2007 schloss er das Studium an der Universität St. Gallen (HSG) als Master of Arts ab.Mehr erfahren