Gemessen am Schweizer Franken hat sich der Dollar auf den ersten Blick nicht überaus massiv aufgewertet. Rund 7 Prozent lautet die Performance seit Jahresbeginn für den "Greenback". Nimmt man aber den US-Dollar-Index als Grundlage, der den Wert des Dollars mittels eines Währungskorbs aus sechs Währungen vergleicht, sieht die Lage etwas anders aus. Hier hat der Dollar 18 Prozent an Wert gewonnen. Die weltweite Leitwährung ist damit so stark wie zuletzt im Jahr 2002.

Der kräftige Anstieg des Dollar, der auch durch die Zinserhöhungen der US-Notenbank gefüttert wurde, weckt an der Wall Street nun primär Sorgen wegen der Unternehmensgewinne. Sogar Befürchtungen einer Finanz- oder Wirtschaftskrise machen die Runde. 

So bei Michael Wilson, Chefstratege für Aktien bei Morgan Stanley. Er ist einer der lautstarksten "Bären" an der Wall Street. Respekt geniesst er vor allem deshalb, weil er den diesjährigen Ausverkauf an den Aktienmärkten richtig vorausgesagt hatte.

Marktstress, Rezession oder beides

Wilson rechnet in einer Notiz vor, dass jeder Anstieg des US-Dollar Index um 1 Prozent einen negativen Einfluss von 0,5 Prozent auf die Gewinne des S&P 500 habe. Er prognostiziert auch einen Abschlag von 10 Prozent für das Gewinnwachstum der Unternehmenim vierten Quartal. Was die Sache nicht besser macht: Laut den Analysten von Morgan Stanley wird der Dollar bis Jahresende weiter zulegen. Hintergrund: Eine teure Landeswährung macht Exporte und die erzielten Erträge im Ausland teurer.

Den Beweis lieferte Nike, der weltgrösste Sportartikel-Konzern, der am Donnerstag nachbörslich einen Rückgang seines Quartalsgewinns bekanntgegeben. Grund sei unter anderem der Dollar-Kurs. Nach der Meldung brach die Nike-Aktie nachbörslich um 10 Prozent ein. Auch andere grosse multinationale US-Konzerne, darunter Microsoft und Coca-Cola, haben vor einer Belastung durch die Stärke der US-Währung gewarnt. Microsoft erwirtschaftet rund die Hälfte des Umsatzes im Ausland.

Wilson hatte sich bereits im Juli warnend zu den Entwicklungen des Aktienmarktes geäussert. Die Aufwertung des Dollars gehe in der Regel mit Marktstress, einer Rezession oder beidem. Die Fed wolle eine deutliche Konjunkturabschwächung erreichen und ein stärkerer Dollar sei ein Bestandteil dieses Plans, sagte er vor über zwei Monaten. Gemäss Wilson bedeute ein solcher Dollar-Anstieg jedoch auch einen "massiven Gegenwind" für die Gewinne von vielen grossen US-Firmen. Dies wiederum wäre ein weiterer Grund, von getrübten Gewinnaussichten auszugehen. "Die jüngste Aktienrallye wird wahrscheinlich verpuffen", prophezeite der Stratege damals richtigerweise.

Dollarstärke lastet auf Risikoanlagen wie Aktien

"Die jüngste Entwicklung des US-Dollars schafft eine unhaltbare Situation für Risikoanlagen wie Aktien, die in der Vergangenheit in einer Finanz- oder Wirtschaftskrise oder beidem endete", schreibt Wilson nun wieder. "Auch wenn es schwer ist, solche Ereignisse vorherzusagen, sind die Voraussetzungen für eine solche Krise gegeben, was dazu beitragen würde, das Ende dieses Bärenmarkts zu beschleunigen."

Der Bärenmarkt bei Aktien sei aber nicht vorbei, solange der S&P 500 nicht den Zielbereich von 3000 bis 3400 Punkten später in diesem Herbst oder Anfang nächsten Jahres erreiche. Derzeit liegt der S&P 500 bei rund 3600 Punkten.

Eine Finanz- oder Wirtschaftskrise sei genau das, was zu einer grossen Spitze für den US-Dollar und vielleicht auch für die Zinsen führe, schreibt Wilson. Er verwies dabei auf die globale Finanzkrise von 2008, die Staatsschuldenkrise von 2012 und das Ende der Tech-Aktienblase im Jahr 2000. In allen Krisen hatte der Dollar innert kurzer Zeit deutlich an Wert zugelegt. 

(cash)