Um einer Erhöhung der Vermögenssteuer in seiner Heimat zu entgehen, verliess der Immobilienmagnat Tord Kolstad vor zwei Jahren Norwegen. Doch die Bedrohung ist ihm in den Süden gefolgt. In der Schweiz, Kolstads neuer Heimat, tobt derzeit eine hitzige Debatte über eine Erbschaftssteuer für Superreiche. Der Vorschlag, die Hälfte jedes vererbten Vermögens einzubehalten, das über 50 Millionen Franken hinausgeht, hat dazu geführt, dass Milliardäre und Unternehmer öffentlich damit drohen, das Land zu verlassen.
Ähnliche Debatten finden derzeit überall auf der Welt statt, weil Regierungen darüber nachdenken, wie sie Reiche stärker besteuern können, um die enormen Haushaltsdefizite zu bewältigen und öffentliche Dienstleistungen zu finanzieren. Auch dort wurde den Politikern gesagt, dass derartige Massnahmen zu einem Exodus der Wohlhabenden und einem Verlust von Investitionen führen würden. Im Rahmen der Schweizer direkten Demokratie findet über den Vorschlag in voraussichtlich zwei Jahren eine Volksabstimmung statt. Doch allein der blosse Vorschlag lässt bei einigen die Emotionen hochkochen - aus der Angst heraus, dass die Identität des Landes allmählich erodiert.
Nach Zweifeln an der Stabilität des Schweizer Finanzsektors im Zuge des Zusammenbruchs der Credit Suisse und Rissen in der Neutralität des Landes, bedroht der Erbschaftssteuervorschlag für einige den Ruf der Schweiz als wirtschaftsfreundliches Land mit niedrigen Steuern. Die Schweiz ist seit langem als guter Hort für Reichtum bekannt. Selbst nach dem Ende des strengen Schweizer Bankgeheimnisses hat sie ihren Ruf als Standort für das Private Banking bewahrt.
Die UBS, der grösste Vermögensverwalter der Welt, ist hier zu Hause, und Alpenorte wie St. Moritz und Gstaad gelten als Tummelplätze der Superreichen. "Es ist ein sehr radikaler Vorschlag und ich denke natürlich, dass er sich negativ auf viele Unternehmer auswirken würde", sagte Kolstad in einem Interview. "Auch wenn ich in der Schweiz sehr glücklich bin, würde ich über meinen Wohnort noch einmal nachdenken, wenn das durchgeht."
2500 Schweizer Steuerzahler mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken
Kolstad war einer von Dutzenden wohlhabenden Norwegern, die in die Alpen zogen, nachdem Norwegens sozialdemokratische Regierung die Vermögenssteuer für die Spitzenverdiener praktisch verdoppelt hatte. Laut dem Bloomberg-Milliardärsindex leben in der Schweiz derzeit 22 der 500 reichsten Menschen der Welt.
Isabel Martínez, leitende Ökonomin an der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, schätzt, dass es etwa 2500 Steuerzahler mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken gibt, was weniger als 0,1 Prozent der Steuerzahler ausmacht. Sie zahlen jährlich zwischen 5 und 7 Milliarden Franken an die Staatskasse, das sind rund 6 Prozent der Einnahmen aus Einkommens-, Gewinn- und Kapitalertragssteuern.
In der Schweiz gibt es derzeit keine Erbschaftssteuer auf Bundesebene. Einige Kantone erheben Abgaben, wobei Ehepartner und Kinder in den meisten Fällen davon befreit sind. Werden Nachkommen besteuert, beträgt der Steuersatz nach einem fünf- oder sechsstelligen Freibetrag höchstens 3,5 Prozent.
Auch wenn die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer noch in weiter Ferne liegt - wenn sie denn überhaupt kommt - ist sie doch ein heisses Thema geworden. Verschiedene wohlhabende Persönlichkeiten haben sich öffentlich geäussert, um den Vorschlag zu verurteilen und die Kontroverse im öffentlichen Bewusstsein zu halten.
Hinter der ganzen Aufregung stecken die Schweizer Jungsozialisten - die Juso. Um Klimamassnahmen zu finanzieren, sammelten sie genügend Unterschriften – mehr als 100'000 — um eine Volksabstimmung über die höhere Erbschaftssteuer auf die Agenda zu setzen.
"Wir sehen, dass die Reichsten von dem Wirtschaftssystem profitiert haben, das die Klimakrise verusacht hat", sagte Juso- Vorsitzende Mirjam Hostetmann. "Sie sollten für die Bekämpfung der Klimakrise zahlen, nicht immer die Gesamtgesellschaft." Das Schweizer Parlament wird über den Vorschlag beraten und über seine Empfehlung sowie einen möglichen Gegenvorschlag entscheiden. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab.
Juso-Vorschlag ist ambitioniert
Neben dem Argument, dass die Superreichen einfach abwandern würden, sehen manche auch drohende wirtschaftliche Kosten. Sie warnen, dass die vorgeschlagene Steuer so hoch ist, dass die Erben von Unternehmen Vermögenswerte verkaufen müssten, um sie zu bezahlen. Das würde Arbeitsplätze gefährden, insbesondere bei ausländischen Käufern, die die Produktion wahrscheinlich nicht in der teuren Schweiz halten würden.
Inzwischen veranlasse die Aussicht auf höhere Steuern manche sogar dazu, vorauszuplanen, sagte Stefan Legge, Leiter des Bereichs Trade and Tax Policy an der Universität St. Gallen. "Menschen mit grossem Vermögen werden das niemals bezahlen", sagte er. "Sie werden einfach wegziehen."
Er warnt auch davor, dass die Steuer kontraproduktiv sein könnte. Die Einnahmeverluste, die durch den Wegzug wohlhabener Einwohner entstünden, müssten durch Steuererhöhungen für die übrigen Bürger kompensiert werden. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC vom Juni gaben zwei Drittel der betroffenen Unternehmenseigentümer an, dass sie eine vorzeitige Übertragung ihres Vermögens auf andere Familienmitglieder in Erwägung ziehen. Mehr als die Hälfte erwog einen Umzug ins Ausland.
In der Schweiz ist auch den Juso klar, dass ihr Vorschlag ambitioniert ist. Aber sie haben die Menschen dazu gebracht, darüber zu reden, wie Regierungen sich weiterhin finanzieren können, wenn die Kosten steigen und die Bevölkerungen altern. Was für die einen eine gute Sache ist, hat für andere bereits einen Imageschaden verursacht. "Die Initiative schadet dem Ruf der Schweiz, einer besonnenen, überlegten und nicht wirtschaftsfeindlichen Schweiz", sagte Tito Tettamanti, Unternehmer und Investor. "Man hat ein Stück unserer Vertrauenswürdigkeit verspielt."
(Bloomberg)
5 Kommentare
Für unfair hält der Unternehmer Georg Kern die Steuerprivilegien dennoch. Er stellt klar: „Wohlhabende sind keine Leistungsträger - ganz im Gegenteil. Die allermeisten sehr Wohlhabenden in Deutschland sind ja Erben, also die haben überhaupt nichts geleistet.“ Bei Leistungsträgern handle es sich um „die Leute, die sehr viel und engagiert arbeiten“, erklärt Rick. „Und die werden bei uns sehr stark besteuert.“ Das deutsche Steuersystem sei dem Millionär zufolge ein „absolut absurdes Theater“. Er plädiert für die Vermögenssteuer: „Es fehlt überall erkennbar an Geld und wir erlauben uns, diese Steuern, die wir gut gebrauchen könnten, nicht zu erheben. Das ist ein Skandal.“
Es gibt menschen die können mit geld umgehen( das ist an sich eine kunst). Geben sie allen menschen gleich viel geld, dann nach 1 jahr sehen sie was passiert: die einen haben es vermehrt, die anderen haben probleme und sind pleite. So ist das nunmal und wird immer so sein. Wir sind nicht alle gleich. Diese erbschaftsteuer finanziert eine junge generation von rentner, mit grossen träumen. Die wirklich armen sehen davon nichts
Aus Sicht eines Erbenden ist eine Erbschaft leistungsloses Einkommen. Es sollte daher behandelt werden, wie jedes Einkommen: Versteuern und Abgaben an die Sozialwerke bezahlen.
Es kommt in den meisten Fällen noch dazu, dass das vererbte Vermögen nie versteuert wurde, weil es aus Kapitalgewinn entstand. Aus diesem Grund brauchen wir auch noch eine Kapitalgewinnsteuer, um Einkommen aus Kapital dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit gleichzustellen. Das ist nichts anderes als gerecht und daher für den sozialen Zusammenhalt wichtig.
Der JUSO-Vorschlag zeigt auf eindrückliche Art und Weise, dass Politik massgeblich am Geldausgeben interessiert ist und sich weniger bis gar nicht um das Sparen bzw. um ein ausgegliechenes Haushaltsbudget kümmert.
Vielmehr sollen diejenigen, welche sich über Jahrzehnte - z.T. unter schwierigen Voraussetzungen - ein grösseres Vermögen aufgebaut haben für die Ausgabewut der Politik aufkommen. Dabei werden die wirtschaftlichen Zusammenhänge und negativen Auswirkungen für die eigene Bevölkerung gar nicht oder viel zu wenig berücksichtigt.
Mich erstaunt es persönlich gar nicht, dass besonders erfolgreiche und vermögende Personen nicht in der Politik aktiv sind.