Die Aktien der drei grossen am SMI kotierten Versicherer kennen zur Zeit nur eine Richtung: aufwärts. Während die Aktien von Swiss Life, Swiss Re und Zurich Versicherung seit dem 1. Januar zwischen je gut 14 Prozent und im 52-Wochen-Vergleich zwischen 26 und 29 Prozent zugelegt haben, ist der Schweizer Leitindex SMI im gleichen Zeitraum vergleichsweise «nur» um 8,6 Prozent bzw. 7,4 Prozent gestiegen und steht am Dienstag Mittag bei 12'740 Punkten.

Die Titel der Versicherer sind unter anderem gefragt, weil sie ihre Gewinnwachstums- und Dividenden-Versprechen bei ihren Investoren jeweils einlösten und wie erwartet steigern konnten. Einzig Swiss Life bleibt dieses Jahr mit ihrer Dividendenerhöhung unter den Erwartungen der Analysten. Manch Anlegerin oder Anleger mag sich nun fragen, ob das Potenzial ausgeschöpft ist. 

Kursziele ausgereizt?

Die Performance von Swiss Life ist bemerkenswert. Zur Zeit notiert der Aktienkurs des grössten Schweizer Lebensversicherer bei 810,60 Franken pro Aktie. Damit hat Swiss Life das durchschnittliche 12-Monats-Kursziel der Analysten von 714 Franken bereits deutlich übertroffen. Entsprechend empfehlen von insgesamt 18 von Bloomberg konsultierten Analysten je sechs «Kaufen» und «Halten». Dem stehen fünf Verkaufsempfehlungen gegenüber.

Auch der zuständige Analyst bei Vontobel, Simon Fössmeier, hat nach Bekanntgabe der Geschäftszahlen das Kursziel bei 770 Franken und die Einstufung auf «Halten» belassen. Swiss Life habe zwar solide Ergebnisse geliefert, aber bei einem der höchsten KGVs (26) in Europa und um einiges höher als bei anderen Schweizern Versichern, müsse das Unternehmen die Erwartungen noch deutlicher übertreffen, schreibt Fössmeier in seiner Analyse. Trotz hoher Bewertung zeigt sich Fössmeier zuversichtlich, dass das Management liefern wird. 

Ähnlich sieht es bei Swiss Re aus. Eine Aktie kostete am Dienstag kurz vor dem Mittag 151,70 Franken. Damit übertrifft Swiss Re auch ihr durchschnittliches Kursziel für die nächsten zwölf Monate von 143 Franken ebenfalls deutlich. Von den insgesamt 25 befragten Analysten empfehlen 12 die Aktie mit «Kaufen», 13 mit «Halten» und keiner zum «Verkaufen». Gemäss Vontobel erzielen Rückversicherer weiterhin gute Ergebnisse, was sich in der Aktienkursentwicklung des laufenden Jahres widerspiegelt. Swiss Re ist zur Zeit die zweitbeste Versicherungsaktie, nach der SPI-gelisteten Helvetia-Versicherung. Die Bewertungslücke habe sich bei Swiss Re gegenüber der anderen grossen Rückversicherer wie Munich Re oder Hannover Re nicht geschlossen, weshalb Vontobel ihr «Buy»-Rating bestätigen.

Erstaunlicherweise hat Zurich von den drei Versicherungsgesellschaften am wenigsten zugelegt. Eine Aktie kostet aktuell 620,60 Franken. Damit übertrifft Zurich auch das durchschnittliche Kursziel der Analysten für die nächsten 12 Monate von 555,96 Franken. Die ZKB stuft die Zurich dank des guten Geschäftsjahres 2024, der starken Kapitalbasis und der soliden Solvenzquote mit «Übergewichten» ein. Zudem seien die hohen Erwartungen erfüllt worden, schreibt der zuständige Analyst Georg Marti. 

Etwas zurückhaltender ist Fössmeier von Vontobel. Gemäss ihren Analysen lassen sich aus den Resultaten keine Rückschlüsse auf die Zurich ziehen, da sich das Unternehmen auf Unternehmensversicherungen und nicht wie die Konkurrenz auf das Privatkundengeschäft konzentriere. Die Ergebnisse würden jedoch die gute Verfassung des Versicherungssektors widerspiegeln, weshalb Vontobel das Rating auf «Hold» belässt. Von den 26 von Bloomberg befragten Analysten stuften nur fünf die Aktie auf «Kaufen», 13 auf «Halten» und acht auf «Verkaufen».

Ausländische Konkurrenz holt auf

Die Tatsache, dass die drei SMI-Versicherungsgesellschaften ihre Kursziele deutlich übertroffen haben, deutet darauf hin, dass die Titel im Vergleich zum internationalen Versicherungsmarkt teuer sind. Dementsprechend haben die Analysten den Schweizer Versicherungstiteln weniger Wachstumspotenzial zugetraut und sich in ihren Kurszielen zurückhaltend geäussert.  

Weiter erklärt Fössmeier von Vontobel liege es am Versicherungssektor, dass alle Schweizer Versicherungen dieses Jahr besser als der Markt abgeschnitten haben. Das gleiche Phänomen zeige sich aber für ganz Europa und die Konkurrenz habe im letzten Jahr teilweise sogar besser abgeschnitten als die hiesigen Titel, so der Analyst. So haben etwa die Allianz 20 Prozent, Axa 17 Prozent, Generali 21 Prozent oder Munich Re 21 Prozent auf Euro-Basis zugelegt. Für Analysten ist es deshalb lukrativer die Valoren von Axa oder anderen europäischen Versichern zu empfehlen als jene von Schweizer Unternehmen - dies obwohl sich die ebenfalls gut entwickeln, einfach nicht so stark wie die Konkurrenz. 

Betrachtet man die Entwicklung der Versicherungsaktien seit der Dotcom-Krise ab der Jahrtausendwende, dann haben die Valoren von Swiss Life und Zurich bis heute am Stärksten zugelegt. Swiss Re vermochte erst ab 2019 zu ihrem bis heute anhaltenden Höhenflug ansetzen. 

Kurssturz eher unwahrscheinlich

Damals, kurz nach der Jahrtausendwende, stürzten die Aktien von Zurich von 909 auf 92 Franken und von Swiss Life von 957 auf 39 Franken ab (bei Swiss Re folgte der Einbruch erst mit der Finanzkrise im Frühjahr 2009). Ist ein solcher Kurssturz also erneut denkbar?

Gemäss ZKB-Analyst Georg Marti seien Versicherungen in Aktienmarktrisiken nicht mehr so umfangreich exponiert wie damals in den Nullerjahren. Veränderte regulatorische Anforderungen hätten dazu geführt, dass die Aktienanlagen nicht mehr einen umfangreichen Anteil der Asset-Allokation ausmachten wie damals. «Anlagerisiken bestehen jedoch weiterhin», schreibt Marti auf Anfrage von cash.ch. Versicherungsgesellschaften seien umfangreich in Bonds investiert. Veränderungen bei den Bondanlagen seien für sie deshalb von Bedeutung, so Marti und erklärt weiter: «Steigende Credit-Spreads zeigen dabei ein erhöhtes Risiko an, was auch einen Einfluss auf die Kursentwicklung von Versicherungsaktien haben kann. Die Credit-Spreads sind über die letzten Jahre deutlich rückläufig gewesen, was sich vorteilhaft auf die Kursentwicklung von Versicherungsaktien auswirkte.»

Fössmeier von Vontobel rechnet nicht mit einem massiven Kurseinbruch. Alle Schweizer Versicherer hätten eine hohe Solvenzquote und würden besser geführt als vor 25 Jahren, schreibt der Analyst auf Anfrage von cash.ch. So hätte man die folgenden Krisen wie Covid-19 oder die steigende Inflation gut verkraften können, erklärt Fössmeier, weist aber auf die Abhängigkeit der Gesellschaften von Kapitalmärkten hin.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass das Potenzial der drei grossen Versicherer wohl noch nicht ausgeschöpft ist. Selbst defensive Analysten wie JP Morgan, die Swiss Life und Zurich mit «Underweight» und Swiss Re mit «Overweight» bewerten, rechnen für die nächsten zwei Jahre mit weiter steigenden Dividendenausschüttungen. Für Swiss Life erwarten die Analysten der US-Investmentbank bis 2027 basierend auf einem gleichbleibenden Aktienkurs einen Anstieg der Dvidendenrendite von 4,5 auf 5,4 Prozent, für Swiss Re von 4,3 auf 7,1 Prozent und für Zurich von 4,4 auf 5,3 Prozent.