Ein Plus von 63 Prozent seit Jahresbeginn: Dies ist die Bilanz des Industriekonzerns Sulzer unter der Führung von CEO Suzanne Thoma. Damit wurde das bisherige Allzeithoch aus dem Jahr 2007 deutlich übertroffen. Trotz dieser beeindruckenden Performance liegt das vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei nur 17.

Der Geschäftsgang lässt sich sehen: Der Industriekonzern hat in den ersten neun Monaten 2024 deutlich mehr Aufträge hereingeholt als im Vorjahr. Das Wachstumstempo des ersten Halbjahres wurde im dritten Quartal weitestgehend gehalten. Von Januar bis September gingen bei Sulzer Bestellungen im Wert von 2,93 Milliarden Franken ein, wie der Konzern mitteilte.

Dies entspricht einem Plus von 4,6 Prozent. Alle drei Divisionen trugen zum Wachstum beim Auftragseingang von Sulzer bei. Im Vorjahresvergleich und in Lokalwährungen stiegen die neuen Aufträge in der Division Services um knapp 13 Prozent am stärksten, gefolgt von den Divisionen Flow Equipment (+8,0 Prozent) und Chemtech (+6,2 Prozent).

Thoma schaltet Gang höher

Nachdem Thoma bereits 2021 in den Verwaltungsrat der Sulzer AG gewählt worden war, wechselte sie von BKW zu Sulzer und wurde im April 2022 Verwaltungsratspräsidentin. Zum 1. November 2022 übernahm sie zusätzlich die Geschäftsleitung von Sulzer. Seit dem Bestehen der Doppelfunktion hat der Aktienkurs sich verdoppelt. Die als mächtigste Frau der Schweizer Industrie beschriebene Managerin hat die Zügel straff in der Hand und trimmt Sulzer auf Wachstum. Einige Marktbeobachter sagen aber auch, dass Thoma den vorher wegbereiteten Erfolg einfahren kann.

Kursentwicklung der Aktien von Sulzer.

Nach dem Wachstumsdämpfer im Jahr 2022 erreicht der Industriekonzern mit voraussichtlich 5,8 Prozent in diesem und 5,4 Prozent im nächsten Jahr wieder eine beachtliche Geschwindigkeit. «Wo bleibt der Vekselberg-Malus?», fragen sich wohl viele. Der russische Milliardär besitzt über seine Tiwel Holding 48,82 Prozent aller Sulzer-Aktien. Aufgrund seiner Nähe zu Putin gibt es von US-Seite bereits seit 2018 Wirtschaftssanktionen gegen ihn.

«Dieser Aspekt wird durch den Geschäftserfolg überlagert. Vekselberg sind zudem die Hände gebunden, was für Sulzer von Vorteil ist. Auch fliessen keine Dividenden an ihn», sagt Eugen Perger, Leiter Aktienanalyse bei Research Partners, auf Anfrage von cash.ch.

«In der relativen Bewertung (z.B. PE-Ratio oder EV/EBITDA) sieht man noch einen Vekselberg-Abschlag von ca. 20 Prozent im Vergleich zu Unternehmen wie Flowserve», so hingegen Hasanaj. Tatsächlich ist dies aktuell jedoch kein grosses Thema mehr. Seit dem Vorfall in Polen gab es keine nennenswerten Verschärfungen mehr, die Sulzer ernsthaft hätten schaden können. Es bleibt jedoch ein latentes Risiko.

Das Vekselberg-Risiko scheint zumindest keinen nennenswerten Einfluss auf die Kursziele der Analysten zu haben. Laut Bloomberg-Daten stehen sechs «Buy»-Empfehlungen, zwei «Hold»-Empfehlungen und eine «Sell»-Empfehlung gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel liegt 6 Prozent über dem aktuellen Niveau, was nach dem starken Kursverlauf ein grosses Vertrauen in Sulzer widerspiegelt.

Hohe Visibilität

Perger betont, dass die Visibilität bei Sulzer ungewöhnlich hoch ist und spricht von grossem Vertrauen in die zukünftige Entwicklung des Unternehmens. Er sieht weiteres Upside-Potenzial und nennt ein Kursziel von 170 Franken. Das Geschäftsmodell mit den drei Divisionen - Flow Equipment, Services und Chemtech - sei sinnvoll und ergänze sich gut.

Sulzer Chemtech ist Marktführer in den Bereichen Trennkolonnen, statisches Mischen und Kartuschentechnologie. Mit globalen Standorten für Verkauf, Engineering, Produktion und Service bedient die Division Kunden aus der Öl- und Gas-, Petrochemie-, Chemie- und Kunststoffindustrie.

Der Geschäftsbereich Flow Equipment ist auf massgeschneiderte Pumpenlösungen spezialisiert und bietet ausserdem Rührwerke, Kompressoren, Zerkleinerer, Siebe und Filter an. Durch intensive Forschung und Entwicklung in Fluiddynamik und fortschrittlichen Materialien sind wir Marktführer bei Pumpenlösungen für Wasser, Öl und Gas, Energie, Chemie und verschiedene Industriesegmente.

Der Geschäftsgang war zuletzt sehr gut, und Sulzer konnte oft positiv überraschen. «Ich denke, Sulzer konnte zeigen, dass sie auch in grünen Anwendungen viel zu bieten haben, beispielsweise in Services für erhöhte Energieeffizienz, Anlagen für Biopolymere oder Kohlenstoffabscheidung sowie Pumpen für die Förderung von Green Metals», so Arben Hasanaj, Analyst bei Vontobel. «Zudem wurde Sulzer sonst immer als Öl- und Gasfirma angesehen.»

Hasanaj sieht jedoch auch, dass viele Wettbewerber eine ähnlich gute Performance aufweisen, wie beispielsweise Pentair, Ebara, Andritz oder Flowserve. «Ich denke, Sulzer profitiert auch ganz klar davon, dass unter Frau Dr. Thoma jeder Stein umgedreht wurde und der Fokus ganz klar auf Wertgenerierung gelegt wird.»

Fokus auf Effizienz 

Ein grosser Fokus bei Sulzer liegt auf operativer Effizienz und Profitabilität, was das Unternehmen auch für Investoren interessant macht. Sulzer strebt eine unbereinigte EBITDA-Marge von mindestens 17 Prozent bis 2028 an, ausgehend von etwa 14 Prozent in diesem Jahr. Positiv zu bewerten ist auch, dass Sulzer ein ROCE-Ziel (Rendite auf das gebundene Kapital) von über 22 Prozent hinzugefügt hat, um die Kapitaleffizienz zu gewährleisten.

Die Partizipation an strukturellen Trends wie Wasserknappheit, Energiewende und grüner Energie sowie die starke und stringente Fokussierung auf Effizienz und Wertgenerierung unter Thoma bieten erhebliche Chancen. Risiken bestehen jedoch im zyklischen Bereich: Eine wirtschaftliche Abkühlung würde vor allem im Öl- und Gas-Sektor Spuren hinterlassen. 

Der aktuelle Kurs nimmt wohl schon viel Positives vorweg, doch langfristig dürften Kurssteigerungen drin liegen. Bis dahin hilft auch die Dividende: Die Ausschüttungsrendite liegt bei 2,8 Prozent.

ManuelBoeck
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