Nach Prognosen der Energy Information Administration (EIA) in Washington wird die Stromerzeugung bis 2050 weltweit um 30 bis 76 Prozent steigen, je nach Szenario. Quellen seien erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind, doch auch die Kernkraft. Treiber des wachsenden Strombedarfs sind die Energiewende, der Boom der Künstlichen Intelligenz, ein höherer Lebensstandard in manchen Weltregionen sowie das globale Bevölkerungswachstum.
Bestimmte Unternehmen können vom Trend zu einem höheren Strombedarf profitieren. «45 Prozent des Stromverbrauchs entfallen auf Elektromotoren. ABB ist ein wichtiger Akteur in diesem Bereich», sagte beispielsweise Giampiero Frisio, Leiter der ABB-Elektrifizierungssparte, kürzlich im cash-Interview. Das Schweizer Technologieunternehmen hat vier gute Börsenjahre hinter sich. Die ABB-Papiere avancierten von rund 17 Franken im Frühjahr 2020 auf über 52 Franken im vergangenen Sommer. Seither sind sie etwas unter 50 Franken gefallen.
Vistra - die Aktie, die Nvidia überflügelt
Ausserhalb der Schweiz gibt es Unternehmen, die offenbar von den Trends im Energiesektor profitieren. Ein Beispiel ist Vistra, ein amerikanisches Energieunternehmen. Dessen Aktien sind seit Anfang Jahr um 205 Prozent gestiegen und haben sich damit zur Top-Performern im S&P 500 entwickelt. Zum Vergleich: Die Papiere des Chipherstellers Nvidia haben im selben Zeitraum 150 Prozent zugelegt, sie sind von den Vistra-Aktien also überflügelt worden.
Schub gegeben haben Erwartungen, der Boom rund um Künstliche Intelligenz werde das Geschäft des texanischen Energieversorgers und Kernkraftwerkbetreibers immer weiter beleben. Er habe «die richtigen Assets an den richtigen Orten», stellte der verantwortliche Analyst des Investmenthauses Jefferies im September fest.
Damals nahm er die Abdeckung mit einer Kaufempfehlung und einem Preisziel von 99 Dollar auf. Als die Aktie in den Tagen danach weiter abhob, zog er nach und veranschlagte das Kursziel neu mit 137 Dollar. «Vistra bleibt unsere erste Wahl im Energiebereich», schrieb der Jefferies-Experte. Dass er weiteres Aufwärtspotenzial sieht, begründete er speziell mit dem Aufkommen von energieintensiven Rechenzentren. Ein Bereich, der übrigens auch bei ABB momentan sehr stark wächst, wie das Unternehmen im Juli berichtete.
Aktuell notieren die Vistra-Papiere bei 117 Dollar. Alle von Bloomberg erfassten Experten stufen sie mit «Buy» ein - alle, bis auf einen. Am vergangenen Donnerstag hob Travis Miller vom Analyseunternehmen Morningstar den Warnfinger. Er qualifizierte die Aktien des Energieunternehmens mit «Sell» und setzte das Preisziel bei 46 Dollar an.
In seiner Notiz dämpfte er die Hoffnung, Aktien von Kernkraftwerksbetreibern würden von Rechenzentren profitieren. Zur Begründung führte er die Regulierung an. Die meisten amerikanischen Kernkraftwerke verkauften Strom zu staatlich regulierten Tarifen, welche im Wesentlichen die Betriebs- und Fixkosten deckten. Zudem müssten die Versorgungsunternehmen Vorteile aus Verträgen mit Rechenzentren an die Kunden weitergeben.
Vor wenigen Tagen haben Microsoft und Constellation Energy einen Vertrag über zwanzig Jahre abgeschlossen. Das Energieunternehmen soll den Technologieriesen mit Saft beliefern. Der Markt hat die Nachricht freudig aufgenommen. Die Constellation-Aktie schoss von unter 210 Dollar auf rund 255 Dollar und ist bis Ende letzter Woche weiter auf 257 Dollar gestiegen. Insgesamt resultiert ein Zuwachs von 23 Prozent. Für die meisten Experten ist Constellation Energy ein Kauf; Bloomberg zufolge gibt es zwölf Buy-Ratings bei sechs «Halten» und keiner Verkaufsempfehlung.
Vorsichtig geworden ist indes beispielsweise die zuständige Analystin der DBS Bank, einem südostasiatischen Geldinstitut. Ende September hat die Expertin das Kursziel auf 250 von zuvor 215 Dollar angehoben, damit allerdings lediglich den jüngsten Kursanstieg der Constellation-Valoren abgebildet. Zudem hat sie die Einstufung von «Buy» auf «Hold» gesenkt.
Schneider Electric: «Eine der attraktivsten Wachstumsgeschichten»
Das Solarunternehmen Meyer Burger oder Gurit, Anbieter von Bauteilen für Windanlagen, zeigen, dass thematisches Investieren für Anleger nicht immer gewinnbringend ist. Beide Aktien befinden sich seit längerem im Sinkflug. Anders verhält es sich anscheinend mit Schneider Electric, dem französischen Hersteller von Elektrogeräten, der sich selbst «die optimale Nutzung von Energie» auf die Fahne geschrieben hat. In einem Kommentar vom Freitag sagt die UBS. «Wir sehen Schneider weiterhin als eine der attraktivsten thematisch gestützten Wachstumsgeschichten der Branche.»
Zu einer verwandten Einschätzung kam Jordy Hermanns, Portfoliomanager bei Aegon Asset Management, im Sommer. Er zählte Schneider Electric zu einer Gruppe europäischer Unternehmen, die in puncto Performance mit den «Glorreichen 7» der USA mithalten kann. «Schneider Electric hat von der Energiewende profitiert, die sich weltweit vollzieht», so Hermanns.
Gemessen an der Kursentwicklung bestätigt der Markt die positiven Expertenurteile. Seit Jahresbeginn 2019 verzeichnen die Schneider-Aktien einen Zuwachs von rund 300 Prozent, und seit Sommer 2022 sind sie um 114 Prozent auf gegenwärtig 240 Euro gestiegen. Die Klettertour muss noch nicht zu Ende sein. Die verantwortliche Expertin der UBS sieht ein Preisziel von 260 Euro und deutet damit ein Aufwärtspotenzial von weiteren acht Prozent an.
Anlegern winkt gemäss Bloomberg-Daten zudem eine Dividende von 3,85 Euro im Jahr 2025. Im Jahr 2019 betrug die Ausschüttung noch 2,35 Euro. Zum Vergleich: ABB dürfte nächstes Jahr eine Dividende von 94 Rappen auszahlen. 2019 waren es 80 Rappen. Das Dividendenwachstum beim Schweizer Technologiekonzern ist also tiefer als jenes beim Elektrotechnikunternehmen aus Frankreich.
Gegenüber diesem sind freilich auch einige Experten skeptisch, zum Beispiel jener von Morningstar. Er traut der Aktie einen Wert von 208 Euro zu. Das sind 13 Prozent weniger als der aktuelle Kurs. Zudem hat er die Schneider-Papiere vor wenigen Tagen von «Hold» auf «Sell» heruntergestuft.
Auf dem Vormarsch befindet sich unterdessen Nextera Energy, ein amerikanischer Anbieter von Strom aus Wind, Sonne und Gas. Seine Aktien sind seit Anfang Jahr um rund 38 Prozent auf 84,54 Dollar gestiegen. Nun liegen die Meinungen der Experten über die künftige Entwicklung teilweise stark auseinander. Die Finanzgesellschaft Wells Fargo sagt «Kaufen» bei einem Kursziel von 102 Dollar. Andere empfehlen «Halten» oder «Verkaufen» und setzen das Preisziel bei 71 Dollar an.
Weitere Anhaltspunkte liefern Bloomberg-Schätzungen. Demnach wird Nextera Energy den Umsatz von 27 Milliarden Dollar im Jahr 2024 auf 31,5 Milliarden Dollar im Jahr 2026 steigern. Im selben Zeitraum dürfte sich der Gewinn vor Zinsen und Steuern von 9,5 auf 11,8 Milliarden Dollar verbessern. Zugleich sinkt das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 24,8 auf 21,2. Die Aktie wird mittelfristig also günstiger.
5 Kommentare
FIRST SOLAR ist der Leader in Windkraft und mit grossem Potential, volle Auftragsbücher etc. wen es interessiert, kann sich gerne über die Firma schlau machen. Good luck
Solange an den europäischen Märkten das Merit-Order-Modell gilt - ein Preisssetzungsmechanismus der nahe an das Modell der perfekten Preisdiskriminierung kommt und daher hochgradig monopolistisch ist - werden komplett falsche Anreize für die Produktions von Strom gesetzt. Sollte dieses Modell fallen, und das muss es, spätestens bei der Umsetzung der in der Schweiz seit mehr als 20 Jahren beauftragten Strommarktliberalisierung, wird die Monopolrente und damit die exorbitanten Margen im Stromhandel fallen. Und wenn weniger Marge im System drin ist, werden auch die Gewinne und Bewertungen der Unternehmen in der Branche sinken.
Die im Zuge der Erhöhung der Autarkie notwendige Dezentralisierung der Produktion wird zudem zu steigenen Stromkosten auf der Infrastrukturseite führen, bei gleichzeitig rückläufigen Kosten für die Stromproduktion im engeren Sinne. Es werden sich also die Gewinne vom Handel auf die Netz- und Systemdienstleister verschieben.
Die Strommärkte werden noch für Jahrzehnte einem starken Wandel unterworfen sein und dauernd in unbekannten Wassern segeln. sicher werden sie von extremen Wechseln von häufigen Über- und gelegentlichen Unterangeboten und entsprechenden Preisschwankungen geprägt sein. Was am ehesten in jeder Situation rentieren wird, sind grosse, billige Speicher. Wenn ich altuell die Stromstatistiken anschaue, verdienen sich Pumpspeicher-Betreiber im Moment eine goldene Nase. Über Nacht und über Mittag laden sie beinahe gratis französischen Atomstrom und deutschen Wind- oder Solarstrom und verkaufen morgends und abends zu Höchstpreisen an die Italiener. Ein Pumpspeicherwerk kann das 30-50 Jahre lang leisten. Allerdings sind die meisten in öffentlicher Hand. Es gibt aber ein paar, an denen man sich beteiligen kann.
Ja, die Franzosen subventionieren lieber die Alpenländer mit ihrem Atomstrom als auf ihre Nuklearindustrie zu verzichten, die sie brauchen, um eine Atommacht bleiben zu können. Bezahlen tut's der Franzose mit seinem Stromverbrauch in den Spitzenzeiten. Sollten die Franzosen ihre AKWs irgendwann aufgeben, oder, was wahrscheinlicher ist, sollten die französischen AKWs infolge Altersschwäche selbst irgendwann aufgeben (einige tun das bereits), wird's eng. Nicht nur für die Franzosen. Darum müssen wir weiter (a) unser Energiesystem diversifizieren, (b) dezentralisieren und (c) auf Erneuerbare setzten. Die Schweiz sollte sich nicht nur selber versorgen können, sondern ein Nettoexporteur von ökologischem Strom werden. Wir hätten alles dazu, ausser den Willen und die Tatkraft....
Die Strommärkte sind in den allermeisten Staaten dieser Welt staatlicher Willkür und politischer Launen unterworfen. Meines Erachtens ist das ein nicht kalkulierbares Risiko.
Sehr viele Staaten wie Frankreich halten die Strompreise niedrig um Konsumenten und Industrie bei Laune zu halten.
Die Schweizer Kernkraftwerke und Laufwasserkraftwerke hatten zwischen 2011 und 2020 kaum Geld verdient weil der Nachbar Deutschland Überschüsse aus Wind- und Solarstrom zu Negativpreisen in der Schweiz ablud.
Umweltschädliche Windmühlen und dreckige Solarpanels erzeugen Strom gem. der Launen des Wetters, Tages- und Jahreszeit. Die Vergütung des meist wertlosen Stroms erfolgt durch Regulierungs- und Subventionsschemata die sich entsprechend der Launen der Politik ändern, oder in ein paar Fällen auch rückwirkend geändert wurden.