Am Ende stand das Machtwort des deutschen Kanzlers: Bis zum 15. April dürfen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke in der Energiekrise noch laufen, dreieinhalb Monate länger als geplant. Dann ist Schluss, entschied Olaf Scholz, selbst wenn bei der FDP in der Ampel-Koalition immer noch gemurrt wird.

Das Atomzeitalter in Deutschland ist damit keineswegs beendet. Der von manchem als billig und klimafreundlich gefeierte Atomstrom hinterlässt ein schwieriges und teures Erbe. Hunderttausende Tonnen radioaktiver Müll müssen irgendwo in Deutschland tief unter der Erde verbuddelt werden. Wenn Windräder oder Stromleitungen bei regionalen Bürgerinitiativen unbeliebt sind, so wird die Suche nach einem Endlager ganz andere Konflikte heraufbeschwören.

Mit Isar 2 und Neckarwestheim 2 sowie Emsland gehen die letzten drei von insgesamt 35 Reaktoren vom Netz, die in Deutschland zur Stromproduktion gebaut wurden. Die Dauer eines Abrisses wird mit etwa 15 Jahren kalkuliert. Aus Sicht des Umweltministeriums und dessen Behörden ist das Aus ein Grund zum Aufatmen: "Der Atomausstieg ist ganz klar ein Sicherheitsgewinn", sagt Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Das gelte umso mehr, da ein Staat inzwischen nicht mehr davor zurückschrecke, Atomkraftwerke zu beschießen, sagte sie mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine. "In einer Krise wie dieser können uns Hochrisikoanlagen wie diese noch verwundbarer machen."

Wolfram König, Chef des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) ist erleichtert, dass nun zumindest kein weiterer Müll anfällt. Allerdings: "Der Atomausstieg ist erst vollendet, wenn alle Atomanlagen beseitigt und deren gefährliche Hinterlassenschaften im tiefen Untergrund dauerhaft sicher gelagert sind", warnt er.

Atomkraft wird oft mit einem Flugzeug verglichen, das gestartet, aber für das noch keine Landebahn gebaut ist. Weltweit existiert kein einziges Endlager für den extrem gefährlichen hochradioaktiven Müll, der über hunderttausende Jahre strahlt. Die Schweiz und Finnland haben immerhin konkrete Pläne, wo eines entstehen könnte.

Lager für eine Million Jahre

Deutschland ist noch lange nicht so weit: Per Gesetz verankert ist, dass der Müll in Deutschland unterirdisch für mindestens eine Million Jahre sicher gelagert werden muss - aber jederzeit auch wieder an die Oberfläche zu holen sein soll.

Mehr als 120'000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle - das entspricht etwa dem Volumen von 1800 Containern - lagert bereits heute in den 16 Zwischenlagern in ganz Deutschland. Mit den in den vergangenen Jahren abgeschalteten AKW wird die Menge auf rund 300'000 Kubikmeter steigen. Sie sollen im Schacht Konrad in Sachsen-Anhalt für immer bleiben.

Welche Risiken jedoch selbst die unterirdische Lagerung hat, zeigt sich in der Asse in Niedersachsen. Hier wurde über Jahrzehnte teils unregistriert schwach- und mittelradioaktiver Müll abgekippt. Insgesamt sind es bis zu 220'000 Kubikmetern. Doch Wasser dringt ein, die Asse droht abzusaufen, das Salzgestein verschiebt sich zudem. Der Müll soll nun wieder an die Oberfläche. Ungewiss, ob das möglich ist. Auf jeden Fall kostet es Milliarden.

In den Zwischenlagern stehen darüber hinaus hunderte Behälter (Castoren) mit hochradioaktivem Müll, häufig an alten AKW-Standorten. Die Menge dieses gefährlichsten Abfalls wird vermutlich auf 27'000 Kubikmeter steigen. Die Zwischenlager sind stark gesichert und müssen rund um die Uhr auch wegen Anschlagsgefahr bewacht werden. Die meisten wurden Anfang des Jahrtausends als Notlösung genehmigt - allerdings nur für 40 Jahre. Damals rechnete man mit einem Endlager schon 2030. Die Genehmigungen für die Standorte müssen wohl verlängert werden. Dafür müssen die Betreiber aber neueste Sicherheitsstandards erfüllen, ein Ja der Behörden ist kein Selbstläufer.

Wann der Müll dann in ein Endlager kommt, ist vollkommen offen. Mit dem Neustart des Suchverfahrens 2017 sollten in ganz Deutschland Standorte geprüft werden - das lange ins Auge gefasste hochumstrittene Gorleben schied aus. Bis 2031 wollten sich Regierung und Parlament nach umfassender Bürger- und Wissenschaftsbeteiligung festlegen, ab 2050 das Lager betriebsbereit sein. Doch der Zeitplan geriet ins Rutschen, im vergangenen Jahr kippte ihn die Bundesgesellschaft für Endlagerung. Klar ist jetzt, allein die Suche wird länger als bis 2045 dauern.

Die Kosten für Zwischen- und Endlager müssen eigentlich die AKW-Betreiber tragen. Sie haben 2017 gut 24 Milliarden Euro an den Staat überwiesen, der das Geld in einem Fonds weiter mehren will und für alle Kosten aufkommen muss. Ob das gelingt, kann niemand sagen. Das Risiko liegt beim Steuerzahler.

(Reuters)