Multinationale Konzerne müssen künftig offenlegen, in welchem EU-Land sie wie viel Steuern zahlen und wie viel in Steueroasen. "Die Einigung ist ein Meilenstein für Steuergerechtigkeit in Europa", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold. Steuerdumping werde damit für alle sichtbar.

Unterhändler von Rat und Parlament einigten sich am Dienstagabend auf einen Kompromiss. Damit dürfte eine seit 2016 andauernde Hängepartie beendet werden. Allerdings fehlen noch die formalen Zustimmungen.

Durch die Coronavirus-Pandemie sind die Schulden vieler Länder zuletzt massiv angestiegen - sie sind entsprechend dringend auf Steuereinnahmen angewiesen. Vielen Weltkonzernen wird aber vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen kaum beziehungsweise vergleichsweise wenig Steuern zu zahlen. Die Rufe nach einem faireren Beitrag sind in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Vor allem die Internet-Giganten sind bislang als Gewinner aus der Corona-Krise hervorgegangen.

Deutschland stimmt nicht für Kompromiss

Giegold sagte, der Widerstand gegen mehr Steuertransparenz sei gross gewesen. Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft habe nun aber den Erfolg eingefahren, weil Slowenien und Österreich zustimmten. Deutschland enthielt sich. Die SPD gab dafür dem Regierungspartner CDU/CSU die Schuld. Dies offenbare, wie wenig der Union an einer gerechteren und transparenteren Besteuerung von Grosskonzernen gelegen sei, sagte der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Achim Post.

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sprach von einem Riesenschritt für mehr Steuergerechtigkeit. "Es muss endlich Schluss sein mit schmutzigen Steuertricks. Auch Multis müssen ihren fairen Beitrag zahlen, so wie jeder kleine Einzelhändler von nebenan." Die Regeln müssten nun schnell beschlossen werden.

Erzielen international agierende Konzerne zwei Jahre in Folge einen Umsatz von jeweils mindestens 750 Millionen Euro müssen sie künftig ihre Umsätze, Gewinne, Steuern und Mitarbeiterzahl nach EU-Ländern und Steueroasen aufschlüsseln - das sogenannte "Country-by-Country-Reporting". Damit soll deutlich werden, ob die gezahlten Steuern den wirtschaftlichen Aktivitäten entsprechen. Als Steueroasen gelten Länder, die auf der sogenannten Schwarzen Liste der EU stehen. Betroffen sind auch Staaten, die mindestens zwei Jahre in Folge auf der Grauen Liste der EU stehen, also derzeit etwa die Türkei.

Viele Steueroasen nicht auf der EU-Liste

Die Wohltätigkeitsorganisation Oxfam kritisierte, viele Steueroasen stünden nicht auf den EU-Listen. Von rund 200 Staaten weltweit gebe es künftig Transparenz für die 27 EU-Staaten sowie 21 auf der Schwarzen und Grauen Liste. "Die EU-Gesetzgeber haben multinationalen Konzernen viele Möglichkeiten eingeräumt, weiterhin im Verborgenen Steuern zu hinterziehen, indem sie ihre Gewinne in Steueroasen ausserhalb der EU verlagern - wie die Bermudas, die Cayman-Inseln und die Schweiz", sagte Oxfams Steuerexpertin Chiara Putaturo.

Nach Angaben der Denkfabrik Tax Justice Network sind EU-Länder für 36 Prozent der weltweit durch Steuermissbrauch von Unternehmen entgangenen Steuern verantwortlich. Dies koste die Staaten weltweit jedes Jahr über 154 Milliarden Dollar. Als Profiteure gelten auch Niedrigsteuerländer in der EU wie Irland, Luxemburg und die Niederlande.

Unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD streben momentan knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an, einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer hatten die USA zuletzt 15 Prozent vorgeschlagen. Deutschland und Frankreich halten dieses Niveau für realistisch und rechnen mit einer Einigung noch in diesem Jahr. Dies wäre ein grosser Erfolg gegen Steuerdumping.

(Reuters)