Die Eskalation der Lage in der Ukraine hat in diesem Jahr zum Anstieg der Gaspreise um rund 45 Prozent beigetragen. Obwohl die Preise noch weit unter den Rekordwerten von 2022 liegen, sind sie hoch genug, um die Krise bei den Lebenshaltungskosten zu verschärfen und den Wettbewerbsdruck auf die angeschlagenen Produzenten zu erhöhen.
Eigentlich sind Gasspeicher in der kalten Jahreszeit eine lebenswichtige Versorgungsquelle für Europa. Doch in diesem Jahr schrumpfen die Reserven zügig, weil die frostigen Temperaturen den Heizbedarf steigen liessen und die Windflaute einen höheren Verbrauch für die Stromerzeugung erforderte.
Somit zeichnet sich ab, dass Europa erneut um die Sicherheit seines Energieversorgungssystems bangen muss - dies, nachdem der russische Präsident Wladimir Putin schon vor etwas mehr als zwei Jahren Energie als Machtmittel eingesetzt hatte.
Der angespannte Markt spiegelt die Schwierigkeit wider, sich vollständig von russischen fossilen Brennstoffen zu lösen. Doch die Lage könnte sich noch verschärfen: Gaslieferungen, die 2024 zur Auffüllung der Reserven beitragen, werden im nächsten Jahr wahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen - was den Preisdruck weiter erhöht.
«Wir haben immer noch Probleme mit der Gasversorgung», sagte Markus Krebber, Chef des Energiekonzerns RWE, am Freitag auf einer Konferenz. «Wenn wir wirklich unabhängig von russischem Gas sein wollen, brauchen wir mehr Importkapazitäten, und das werden wir wahrscheinlich auch in diesem Winter wieder erleben - weil sich die Gasspeicher wegen des kalten Winterbeginns ziemlich schnell leeren.»
Sanktionen können das Risiko von Gaslieferstopps erhöhen
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hält an, und beide Seiten haben diese Woche Raketenangriffe gestartet, um sich vor der Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus einen Vorteil zu verschaffen. Inmitten der wachsenden Spannungen haben die USA die Gazprombank mit Sanktionen belegt. Es war das letzte grosse Finanzinstitut, das bisher von den Sanktionen ausgenommen war und Zahlungen für russisches Gas abwickelt.
Die Sanktionen zielen darauf ab, die Einnahmen des Kremls aus Energieexporten zu verringern. Gleichzeitig erhöhen sie jedoch auch das Risiko, dass die Erdgaslieferungen, die noch in einige mitteleuropäische Länder fliessen, gestoppt werden. Obwohl Europa seine Abhängigkeit von Russland reduziert hat, würde der Verlust einer der letzten verbleibenden Routen für Pipeline-Gas den Druck auf den Gasmarkt erhöhen und die globalen Preise in die Höhe treiben, sagen die Analysten von Energy Aspects.
Europa hat sich bereits auf ein mögliches Ende der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine eingestellt. Denn das Land hatte angekündigt, nach dem Auslaufen des derzeitigen Transitabkommens - ab 2025 - kein russisches Pipelinegas mehr nach Europa durchzulassen. Die nun erfolgten Sanktionen könnten ein frühzeitiges Ende der Gaslieferungen bedeuten. Und mit Ungarn warnt bereits ein Land, dass seine Energiesicherheit gefährdet ist.
Der mögliche Verlust eines Teils der verbleibenden billigen russischen Lieferungen, Verzögerungen bei der zusätzlichen Versorgung mit Flüssigerdgas aus den USA und ein kalter Winter - all dies beeinflusst die Preise.
Zudem sind die Preise für den Sommer - in dem das Gas eigentlich billig genug sein sollte, um die Speicher wieder aufzufüllen - teurer als im darauffolgenden Winter. Das weist darauf hin, dass die Energiekosten länger höher bleiben werden und je niedriger die Füllstände in diesem Winter werden, desto schwieriger wird es, die Reserven wieder aufzufüllen.
Auf dem Höhepunkt der Energiekrise im Jahr 2022 hat Deutschland Gas für die Speicherung auf dem Weltmarkt zu Rekordpreisen eingekauft. Um einen Teil der Mehrkosten auszugleichen, führte die Regierung in Berlin die Gasspeicherumlage ein, die von Händlern oder Versorgungsunternehmen für Transitlieferungen durch Deutschland gezahlt wird. Die Massnahme wurde kritisiert, da sie die Kosten für den Bezug von Flüssigerdgas für Binnenländer wie Österreich, die Slowakei und die Tschechische Republik erhöht.
Weitere Belastung für Deutschland, die grösste europäische Volkswirtschaft
«Das Ganze ähnelt immer mehr einem Szenario aus dem Jahr 2022, in dem die EU Gas zu jedem Preis kaufte», sagte Arne Lohmann Rasmussen, Chefanalyst bei Global Risk Management in Kopenhagen. «Nächstes Jahr könnte dies möglicherweise in einem Jahr mit starker Nachfrage aus Asien passieren.»
Fatih Birol, Executive Director der International Energy Agency, warnt: Europa müsse für den späteren Winter über ausreichende Vorräte verfügen, falls der russische Gastransit durch die Ukraine am 1. Januar mit dem Auslaufen des Transitabkommens zwischen Moskau und Kiew eingestellt werde.
In Deutschland, wo viele Fabriken wegen der hohen Energiekosten die Produktion einstellen oder drosseln mussten, senden schnellere Entnahmen aus den Gasspeichern bedenkliche Signale, dass die Belastung für Europas grösste Volkswirtschaft ein drittes Jahr in Folge anhalten könnte.
«Wieder einmal werden die energieintensiven Volkswirtschaften - allen voran Deutschland - am meisten leiden. Das schadet einer Wirtschaft, die bereits unter den Problemen in der Automobil-, Chemie- und Maschinenbaubranche zu kämpfen hat», sagte Ole Hansen, Head of Commodity Strategy bei der Saxo Bank. Deutschland stagniert seit der Energiekrise und ein Anstieg der Inflation könnte die Frustration der Wähler vor den vorgezogenen Neuwahlen im Februar verstärken.
Im Winter 2022 konnte Europa unter anderem dank einer milden Witterung Engpässe vermeiden. In diesem Jahr ist das Risiko einer Energierationierung gering. Höhere Preise im Vergleich zu Asien bedeuten, dass LNG-Lieferungen ankommen. Aber ein kalter Winter anderswo könnte zu mehr Wettbewerb um die Lieferungen führen und die Preise weiter in die Höhe treiben, was der Region wiederum Probleme bereiten würde.
«Es besteht ein erhöhtes Risiko, dass Europas Glück mit mildem Wetter im bevorstehenden Winter zu Ende geht», sagte Hansen von der Saxo Bank weiter. «Mit anderen Worten: Wir sind gezwungen, auf LNG-Importe zu setzen und dabei wettbewerbsfähig gegenüber Asien zu bleiben.»
(Bloomberg)
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Nah- und Fernwärme wird nicht umsonst ausgebaut.