Der Schweizer Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe ist wie am Mittwoch publiziert im Juli um 6 Punkte von 44,9 auf 38,5 Punkte gefallen. Dieser sehr grosse Rückgang um drei Standardabweichungen lässt aufhorchen, weil diese hohen Abweichungen sehr selten eintreten. Nebst dem Rückgang ist ebenso unerfreulich, dass der Schweizer PMI nun unter dem Tiefpunkt während der Corona-Pandemie liegt. Normalerweise ist dies der Vorbote einer Rezession - zumal nun auch die Dynamik im Dienstleistungsgeschäft nachlässt. 

Manch einer mag nun abwinken und dagegenhalten, dass ein Indikator allein nicht relevant ist. Anderer Meinung ist da Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price, ein grosses amerikanisches Finanzdienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in Baltimore, Maryland.

Der PMI ist nach der Pandemie immer noch ein zuverlässiger Indikator für die Schweizer Wirtschaftstätigkeit, da dieser eine sehr hohe Korrelation mit dem tatsächlichen Wachstum der Industrieproduktion im Jahresvergleich aufweist. Vor der Pandemie wies der PMI für das verarbeitende Gewerbe eine höhere Korrelation mit dem BIP-Wachstum auf als der KOF-Indikator (0,77 gegenüber 0,57). Nach 2020 ist die Korrelation für beide ungefähr gleich (ca. 0,8). "Es ist natürlich möglich, dass der PMI den Konjunkturabschwung etwas überzeichnet, aber ich denke, er sagt uns etwas über die rasche Verschlechterung der Schweizer Wirtschaft", erläutert Wieladek. 

Rezession in Deutschland erwartet

Die Aussichten sind aber nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa durchzogen. Die Schweiz ist eine kleine offene Volkswirtschaft, und die Exporte des verarbeitenden Gewerbes in die Eurozone machen 80 Prozent aller Exporte aus. Der PMI ist daher ein guter Indikator für die allgemeine Produktionstätigkeit in Europa. Die Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes im Euroraum korrelieren seit dem Ende der Pandemie nur schwach mit dem Wachstum der Industrieproduktion im Euroraum. Die Korrelation lag bei nur 0,2, was einige Beobachter dazu veranlasst hat, zu bezweifeln, dass das verarbeitende Gewerbe im Euroraum in diesem Jahr in eine Rezession eintreten wird, wie es die PMI-Umfragen nahelegen, so Wieladek. 

In der Schweiz hingegen bleibt die Korrelation zwischen dem PMI und dem Wachstum der Industrieproduktion hoch (0.8). "Da der Industriezyklus in der Schweiz sehr stark mit dem Industriezyklus in der Eurozone korreliert, stützen die Daten die These, dass die Industrieproduktion in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte in eine rezessive Phase eintreten wird", sagt Wieladek.

Die Meinung, dass in der zweiten Jahreshälfte eine Rezession ansteht, teilt auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mit Verweis auf Deutschland. Der Trend bei den Orders im Industriebereich weist immer noch nach unten, so Krämer. "Ich erwarte nach wie vor, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte schrumpfen wird." Sie hat ihre Rezession im Frühjahr mit einer Stagnation gerade so beendet, nachdem das Bruttonlandsprodukt zuvor zwei Quartal in Folge geschrumpft ist.

Auch dem deutschen Bundeswirtschaftsministerium zufolge "bleiben die Aussichten für die Industriekonjunktur angesichts des weiter eingetrübten Geschäftsklimas und der schwachen Weltkonjunktur vorerst verhalten".

Auswirkungen auf die Schweizer Geldpolitik - kommt es gar bald zu Zinssenkungen?

Wieladek von T. Rowe Price erwarte nicht, dass die SNB ihre restriktive Haltung in naher Zukunft ändern wird, aber eine Lockerung der Geldpolitik wird notwendig sein, wenn der Inflationsdruck weiter nachlässt. "Die SNB konzentriert sich bei ihrer geldpolitischen Beurteilung vor allem auf die Inflation und die Aussichten auf "nachholende" Zweitrundeneffekte bei der Lohninflation. Diese sind in der Schweiz jedoch viel geringer als in anderen europäischen Ländern, da der Anteil von Nahrungsmitteln und Energie am Schweizer Warenkorb kleiner ist als in anderen Ländern", prognostiziert der Ökonom.

Daher sollte es für die SNB einfacher sein, ihr Preisstabilitätsmandat zu erfüllen, und dies wird wahrscheinlich früher der Fall sein als in anderen europäischen Ländern. Andererseits ist der Schweizer Franken gegenüber dem Euro und dem US-Dollar sehr stark und notiert auf historischen Höchstständen. Dies ist für das verarbeitende Gewerbe in der Schweiz eindeutig von grossem Nachteil. Angesichts der sich verschlechternden Konjunkturlage ist es gemäss dem Ökonomen von T. Rowe Price daher plausibel, dass die SNB die Zinsen rasch senken muss, um den Franken zu schwächen, sobald ihr Ziel der Preisstabilität erreicht ist.

Thomas Daniel Marti
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