Die sozialen Medien haben unser Leben massiv verändert. Durchschnittlich verbringen wir rund zweieinhalb Stunden auf Social Media Plattformen wie Facebook, YouTube, WhatsApp, Instagram, TikTok oder Twitter. Mit dem Aufkommen der sozialen Medien hat sich aber auch die mentale Gesundheit junger Erwachsener verschlechtert. Beispielsweise erhöhte sich in den USA die Anzahl der 18- bis 23-Jährigen, die unter schweren Depressionen leiden, von 2008 bis 2018 um 83 Prozent. Im gleichen Zeitraum haben auch Selbstmorde stark zugenommen und sind mittlerweile die zweithäufigste Todesursache bei 15- bis 24-Jährigen.
Diese erschreckenden Zahlen haben Luca Braghieri von der Universität Bocconi, Ro’ee Levy von der Universität Tel Aviv und Alexey Makarin vom MIT dazu bewogen, den Zusammenhang zwischen sozialen Medien und mentaler Gesundheit näher zu untersuchen. Sie nutzen dabei die schrittweise Ausbreitung von Facebook als natürliches Experiment. Ihre Forschungsergebnisse wurden erst kürzlich publiziert.
Facebook wurde im Februar 2004 in Harvard erfunden, aber erst im September 2006 der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Zwischen Februar 2004 und September 2006 wurde Facebook sukzessive innerhalb der US-amerikanischen Universitätslandschaft ausgerollt. Sobald Facebook an einer Universität eingeführt war, wurde es von der dortigen Studentenschaft ausgiebig genutzt. Diese sukzessive Ausbreitung von Facebook lieferte den Forschern hervorragendes Datenmaterial, wie man es normalerweise nur mittels streng kontrollierter Experimente erhält.
Für ihre wissenschaftliche Untersuchung verwendeten die Forscher zwei Datensätze. Der erste Datensatz enthält das Einführungsdatum von Facebook an 775 Universitäten. Der zweite Datensatz enthält die Umfrageergebnisse im Rahmen des National College Health Assessment, dem umfangreichsten Survey bezüglich der mentalen Gesundheit von Studierenden im Zeitraum der Facebook Ausbreitung.
Mit diesen Daten lassen sich Kausalzusammenhänge zwischen der Einführung von Facebook an einer Universität und Veränderungen der mentalen Gesundheit unter der betreffenden Studentenschaft ermitteln. Das Hauptergebnis ist eindeutig. Die Einführung von Facebook führt zu einer deutlichen Verschlechterung der mentalen Gesundheit. Grössenmässig entspricht die Verschlechterung in etwa einem Fünftel der Verschlechterung, die ein Verlust des Arbeitsplatzes bewirkt. Laut den Autoren lässt sich in etwa ein Viertel der neu auftretenden schweren Depressionen unter jungen Erwachsenen auf Facebook zurückführen.
Neben diesem Hauptergebnis präsentieren die Forscher drei weitere interessante Resultate ihrer Forschung. Erstens sind die negativen Auswirkungen sozialer Medien bei denjenigen am stärksten, die aufgrund unabänderlicher Eigenschaften wie etwa Alter oder Geschlecht am anfälligsten für mentale Probleme sind. Bei diesem Personenkreis nehmen Depressionsdiagnosen, Psychotherapien und die Anwendung von Antidepressiva signifikant zu. Zweitens werden die negativen Gesundheitswirkungen sozialer Medien kurz- bis mittelfristig mit zunehmender Nutzungszeit grösser. Drittens beeinträchtigt die Verschlechterung des mentalen Gesundheitszustandes mittelbar auch die akademische Leistungsfähigkeit der betroffenen Personen.
Wie lassen sich die negativen Auswirkungen sozialer Medien auf die mentale Gesundheit erklären? Die Forscher identifizieren vor allem nachteilige Sozialvergleiche als Hauptursache. Demgegenüber lassen sich die Hypothesen, dass soziale Medien die Konzentration stören, die Fähigkeit sich zu fokussieren beeinträchtigen oder zu Angst führen, mit Hilfe der untersuchten Daten nicht bestätigen.
Insgesamt müssen die Forschungsergebnisse aber mit Vorsicht interpretiert werden. Vor allem vernachlässigen sie die Auswirkungen von Funktionen sozialer Medien, die erst nach dem Untersuchungszeitraum, also nach 2006, eingeführt wurden. Zudem berücksichtigen die Forschungsergebnisse keine langfristigen Lern- und Anpassungseffekte bei der Nutzung sozialer Medien. Ferner könnten Messfehler bei den Umfrageergebnissen die Forschungsergebnisse verzerren. Schliesslich konzentrieren sich die Ergebnisse ausschliesslich auf Studierende in den USA. Ob sich die Ergebnisse auf andere geografische und demografische Personengruppen generalisieren lassen, ist fraglich.
Unabhängig von den Ergebnissen der beschriebenen Studie empfiehlt sich für die bevorstehende Weihnachtszeit die Pflege persönlicher Kontakte. Die sind nämlich auf jeden Fall gesundheitsfördernd.