Dass die globale Mindeststeuer manche Unternehmen zusätzlich belasten wird, war schon klar, als die Stimmbevölkerung im Juni 2023 Ja zur Umsetzung des Vorhabens in der Schweiz sagte. Im Fokus stehen internationale Konzerne, die mehr als 750 Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen. Sie müssen mindestens 15 Prozent Steuern auf dem Gewinn bezahlen, und zwar unabhängig von ihrem Standort; die Mindestbesteuerung muss jeweils pro Staat erreicht werden. Kleinere Firmen und damit die meisten Schweizer Unternehmen werden hingegen wie bisher besteuert.
Damit die Vorgabe einer 15-Prozent-Steuer erfüllt wird, erhebt die Schweiz Ergänzungssteuern. Sie schliessen die Lücke zwischen den bisherigen Steuersätzen und dem Mindeststeuerniveau. Nun: Aufgrund des Projekts, das von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) angestossen wurde, bezahlt die Wirtschaft Milliarden - bezogen auf die Schweiz: «International tätige grosse Konzerne in der Schweiz werden mit dieser Mindestbesteuerung ab dem nächsten Jahr um bis zu 3,5 Milliarden pro Jahr zusätzlich belastet», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter in einer Rede Mitte November.
Das Motiv der Schweiz, bei der Mindestbesteuerung mitzumachen, ist plausibel: Sie will verhindern, dass nicht sie, sondern andere Länder die Steuern einziehen. Das wäre gemäss dem OECD/G20-Regelwerk möglich. Ausserdem: Die Mehreinnahmen sollen in die Standortattraktivität fliessen, die aufgrund der höheren Steuerbelastung gelitten hat.
Was bis vor Kurzem noch nicht im Detail absehbar war, zeichnet sich inzwischen deutlicher ab: Inwiefern einzelne Schweizer Unternehmen von den Besteuerungsregeln betroffen sind, die bisher in der Schweiz und in manchen anderen, vor allem europäischen, Ländern, greifen.
Anschaulich wird dies am Sanitärtechnikkonzern Geberit. Dessen Nettoergebnis der ersten neun Monate des laufenden Jahres sank um 3,1 Prozent auf 501 Millionen Franken. «Grund für den Rückgang des Nettoergebnisses war die deutlich höhere Steuerrate, die hauptsächlich durch die seit 2024 gültige OECD-Mindestbesteuerung getrieben war», heisst es in der Mitteilung, die das Unternehmen zur Drittquartalsberichterstattung veröffentlicht hat.
Für das Gesamtjahr 2024 rechnet Geberit mit einer Steuerrate zwischen 19 und 20 Prozent. Davon seien rund zwei Prozent durch die OECD-Mindestbesteuerung getrieben, teilt das Unternehmen aus Rapperswil-Jona auf Anfrage von cash.ch mit. Es geht aber nicht davon aus, dass die Mindeststeuer die Dividenden- und Ausschüttungspolitik beeinträchtigen wird.
Auch Nestlé, Novartis und Roche weisen höheren Steuersätze aus
Roche weist die aktuellsten verfügbaren Zahlen, welche die Mindeststeuer beschreiben, im Halbjahresbericht aus. Demnach ist die Steuerrate des Pharmakonzerns im ersten Semester 2024 auf 18,6 Prozent von 17,6 Prozent in der entsprechenden Vorjahresperiode gestiegen. Der Anstieg sei hauptsächlich auf das OECD/G20-Projekt zurückzuführen, das seit Januar in verschiedenen Ländern laufe, in denen Roche aktiv sei. In Franken ausgedrückt: Roche bezahlte 186 Millionen Franken für die Mindeststeuer und 1,5 Milliarden Franken Steuern total.
Zur Besteuerung im Gesamtjahr sowie zu den Auswirkungen auf die Dividenden- und Ausschüttungspolitik äussert sich der Pharmakonzern aus Basel gegenüber cash.ch nicht. Er wird erst zur offiziellen Berichterstattung wieder kommunizieren.
Novartis wies in den ersten neun Monaten des Jahres einen Kernsteuersatz von 16,2 Prozent auf - nach 15,4 Prozent in den Monaten Januar bis September des Jahres 2023. Der Anstieg um 0,8 Prozentpunkte sei im Wesentlichen auf einen veränderten Gewinnmix sowie den Einfluss der Mindeststeuer zurückzuführen.
Nicht grundsätzlich anders als bei den Pharmaunternehmen aus Basel verhält es sich beim Lebensmittelkonzern Nestlé aus Vevey. Die aktuellste verfügbare Angabe stammt aus dem Halbjahresreport. Das Unternehmen wies einen um 1,7 Prozentpunkte höheren Steuersatz von 25 Prozent aus. Die zugrunde liegende Steuerrate stieg um 1,5 Prozentpunkte auf 22,1 Prozent, was «hauptsächlich» auf erhöhte Steuersätze in einigen Regionen wegen des OECD-Projekts zurückzuführen sei.
Inwieweit wird die Dividenden- respektive Ausschüttungspolitik von Nestlé durch die Zusatzbelastung der OECD-Mindeststeuer beeinträchtigt wird, sagt das Unternehmen auf Anfrage von cash.ch nicht. Erwartbar ist jedoch, dass Nestlé keine Abstriche machen will. Das Unternehmen hat die Ausschüttungen seit Ende der 1950er-Jahre kontinuierlich gesteigert. Eine Abweichung von diesem Pfad würde die ohnehin schon tief gefallene Aktie weiter belasten.
Unsicherheit über die Zahlen
Erinnert man sich an die Phase vor der Abstimmung über die Mindeststeuer, so ist die Summe von 3,5 Milliarden Franken erklärungsbedürftig. Damals wurden Mehreinnahmen des Bundes und der Kantone in Höhe von jährlich 1 bis 2,5 Milliarden Franken vorausgesagt. Es handelte sich aber um Schätzungen. Selbst Befürwortern fehlte ein konkreter Anhaltspunkte. SVP-Nationalrätin und Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher sagte damals: «Wie hoch die Mehreinnahmen tatsächlich sind, ist schwer zu sagen. Es könnten 10 Milliarden oder auch null sein.»
Inzwischen ist die Umsetzung fortgeschritten. Ein Teil, die nationale Ergänzungssteuer, wurde per Anfang 2024 eingeführt. Daraus fliessen 1 bis 2,5 Milliarden Franken. Ein anderer Teil, die internationale Ergänzungssteuer, wird Anfang 2025 in Kraft treten. Sie bringt weitere 0,5 bis 1 Milliarden Franken.
Zusammengenommen ergeben die Beträge die Summe von 3,5 Milliarden Franken. Sie kann sich noch verändern. Denn nicht vollständig absehbar ist unter anderem, wie sich Unternehmen und andere Staaten in der Mindeststeuerreform weiter verhalten werden.
Während europäische Länder in der Umsetzung schon fortgeschritten sind, halten sich beispielsweise die USA, China, Brasilien und Indien zurück. «Die Mindeststeuer ist damit aktuell eher ein europäisches als ein globales Projekt», heisst es in einem im Sommer erschienen Dossier des Wirtschaftsverbandes «Swiss Holdings». Er ging insbesondere von zunehmendem Widerstand der USA aus, sollte der Republikaner Donald Trump amerikanischer Präsident werden - ein Szenario, das mit der Wahl Trumps inzwischen wahrscheinlicher geworden ist.
Nächste Orientierungspunkte, wie sich die Mindestbesteuerung auf die Unternehmen auswirkt, wird die kommende Berichtssaison liefern. Novartis und Roche werden im Januar zum Gesamtjahr 2024 informieren, Nestlé Mitte Februar. Geberit wird im Januar eine erste Information veröffentlichen und im März die Resultate zum Geschäftsjahr 2024 vorlegen.
1 Kommentar
Zum Glück steigen die Unternehmenssteuern in der Schweiz. In der Schweiz ist doch das Bevölkerungswachstum der grösste Kostentreiber. Die aktuelle Infrastruktur ist einfach nicht für so viele Leute gebaut und der weitere Ausbau kostet unser Land viel Geld. Das Bevölkerungswachstum wird ja hauptsächlich durch die Zuwanderung von ausländischen Firmen angetrieben. Sie kommen in die Schweiz und schaffen hier Arbeitsplätze. Arbeitsplätze die wir hier aktuell nicht brauchen da Fachkräftemangel herrscht und somit nur über Fachkräfte aus dem Ausland besetzt werden kann (direkt aber auch indirekt, da den lokalen Firmen die Fachkräfte weggenommen werden). Die Erhöhung der Unternehmenssteuer wegen der OECD-Mindeststeuer ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Unsere Politiker müssen aber endlich umdenken. Keine Steuergeschenke mehr an ausländische Firmen. Zusätzlich wäre es gut wenn die Unternehmenssteuern so weit erhöht wird, dass weniger oder keine Firmen mehr zuwandern. Wenn man die Unternehmenssteuer noch regelmässig in Abhängigkeit der Bevölkerungsentwicklung definiert, überlegen sich dann auch die ansässigen Firmen ob es sich langfristig lohnt, Fachkräfte aus dem Ausland zu holen. Und das Gute daran, mit dieser Lösung könnte die PFZ mit Europa ohne Sonderregelungen bestehen bleiben. So bestünde mehr Spielraum bei den Verhandlungen in den anderen Bereichen. Dies wäre sicher auch zum Vorteil der Firmen in der Schweiz und das ganze Land.