Der Schweizer Aktienmarkt hat seit Anfang Januar mehr als acht Prozent zugelegt. Sogar im Mai, dem man nachsagt, ein schwacher Börsenmonat zu sein, ging es nach oben.

Jedoch kann von der positiven Entwicklung in der ersten Jahreshälfte nicht unbedingt auf eine ebenfalls positive Entwicklung in den kommenden Monaten und auf einen sonnigen Börsensommer geschlossen werden. Ein solcher Schluss wäre allein schon aufgrund der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren heikel.

Seit 2010 sahen Anlegerinnen und Anleger sowohl gute als auch schlechte Sommermonate: Neunmal legte der Swiss Market Index (SMI) zwischen Anfang Juli und Ende August zu, fünfmal gab er nach. Dabei war die Aufwärts- respektive die Abwärtsbewegungen in einigen Jahren so gering, dass man auch von einer Seitwärtsbewegung sprechen kann. 2013 beispielsweise betrug das Plus von Anfang Juli bis Ende August 0,1 Prozent.

In drei der letzten Jahre folgten auf ein gutes erstes Halbjahr zwei schwache Monate im Juli und August - 2017, 2019 und 2023. Jedoch: In den Jahren 2012 bis 2014 sowie 2021 setzte sich die positive Performance des ersten Halbjahrs in den Sommermonaten mehr oder weniger stark ausgeprägt fort. Statistisch betrachtet sind die Chancen auf eine Fortsetzung des guten Trends also intakt.

Neben den Erfahrungswerten können dieses Jahr mehrere Ereignisse das Börsengeschehen beeinflussen. Beispielsweise können anders als erwartet ausfallende Inflationsdaten den Ausblick auf Zinsschritte der Notenbanken verändern. Ferner dürften geopolitische Spannungen, wenn sie sich verschärften, die Anleger verunsichern.

Derweil sind die konjunkturellen Vorzeichen für die Schweiz zumindest nicht schlecht: Von der ETH-Konjunkturforschungsstelle KOF befragte Experten sagen aktuell ein Wachstum des realen, sporteventbereinigten Bruttoinlandsprodukts von 1,2 Prozent voraus; sie sind damit leicht optimistischer als noch im März. 

Die Ausgangslage ist also vielschichtig und entsprechend herausfordernd.

Anleger können in Aktien investiert bleiben

Anastassios Frangulidis, Chefstratege der Bank Pictet, spricht indes von keinen schlechten mittelfristigen Perspektiven für die globalen und Schweizer Aktien. Er verweist auf Zeichen einer konjunkturellen Erholung, die steigenden Unternehmensgewinne und die bereits gesenkten Leitzinsen in der Schweiz und der Eurozone. Zudem unterstütze der in diesem Jahr schwächer gewordene Schweizer Franken die Gewinnentwicklung der Firmen. «Somit müssen die Anleger und Anlegerinnen die Aktienquote in ihrem diversifizierten Portfolio nicht senken», so Frangulidis. 

Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, sagt dagegen: «Nach der sehr guten ersten Jahreshälfte wird die Bereitschaft zu Gewinnmitnahmen in den Sommermonaten steigen. Die Anleger werden Titel verkaufen, die bisher gut liefen. Sie werden den Markt aber nicht verlassen, sondern bisher wenig gefragte Aktien kaufen.»

Zu den Halbjahresgewinnern im Swiss Market Index zählten Lonza, gefolgt von ABB, Givaudan, Richemont und Alcon. Deren Valoren haben seit Anfang Jahr mehr als 20 Prozent zugelegt. Zu den Verlierern zählen hingegen Kühne+Nagel (-11 Prozent), Sika (-5 Prozent) Partners Group (-5 Prozent) sowie Nestlé (-3 Prozent).

Beispiele für schon erfolgte Gewinnmitnahmen gibt es global wie national. Die Aktie des Chipherstellers Nvidia verzeichnet seit einer Woche markante Verluste, nachdem die Aktie eine Phase starken Wachstums erlebt hatte. Am breiten Schweizer Markt ist die Aktie von Molecular Partners in den letzten Tagen vom Hoch bei 9,30 Franken auf 6,70 Franken gefallen - ein Minus von fast 40 Prozent. Stucki empfiehlt den Bankkunden, Gewinne in etwa zur Hälfte abzuschöpfen.

Im Weiteren dürften in den nächsten Wochen präsentierte Geschäftszahlen richtungsgebend sein. Den Auftakt machen Mitte Juli Novartis und ABB, eine Woche später legen Nestlé, Lonza und Holcim das Zahlenwerk vor. Im August folgen UBS, Geberit und Alcon.

Geldpolitik bleibt im Fokus

Auch weiterhin werden die Anleger auf die Geldpolitik der Notenbanken blicken. Die Schweizerische Nationalbank wird erst Ende September wieder entscheiden. Die amerikanische Notenbank Fed hat je einen Termin im Juli und Mitte September. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen Zins-Sitzungstermin im Juli. Sowohl bei der EZB wie auch bei der Fed rechnet der Markt im Juli noch nicht mit Zinsveränderungen. 

Laut Thomas Stucki wird der Aktienmarkt - auch in der Schweiz - aber durch die Hoffnung auf eine Zinssenkung in den USA gestützt. «Diese wird wahrscheinlicher, da die Kerninflation in Amerika sinkt.»

Insgesamt werde der Swiss Market Index die 12000-Punkte-Marke bis Ende August halten können, sagt der Anlagechef der St. Galler Kantonalbank. Damit würde sich der Markt über die Sommermonate hinweg seitwärts bewegen. Frangulidis hält einen moderaten Anstieg des SMI in den Sommermonaten für möglich.

Wahlen beeinflussen erst im Herbst

Politische Ereignisse dürften den Schweizer Aktienmarkt - soweit dies absehbar ist - kaum oder erst später beeinflussen. Kurz bevor stehen die Wahlen in Frankreich. Laut Stucki könnte ein kleiner Effekt auf die Schweiz ausgehen: Sollte es zu einem Rechtsrutsch kommen, dürfte der Euro gegenüber dem Franken unter Druck kommen. «Dies würde für eine weitere Zinssenkung durch die Schweizerische Nationalbank sprechen. Diese Aussicht könnte den Aktienmarkt begünstigen.»

Die Wahlen in den USA werden voraussichtlich ein Funke für die Volatilität an den Märkten sein - so, wie das in früheren Wahljahren beobachtbar war. Sie finden im November statt und werden an den Märkten, so Stucki, erst im Herbst ein Thema - «könnten dann aber für Bewegung sorgen».