Europa fährt immer noch grossmehrheitlich mit Benzinern und Diesel-Autos. Zusammengenommen machen die mit fossilem Brennstoff betriebenen Pkws 93 Prozent der rund 250 Millionen Autos auf den europäischen Strassen aus. Elektroautos und Plug-in-Hybride kommen gemeinsam bloss auf einen Anteil von 1,5 Prozent. Leicht besser steht die Schweiz da, wo 3,7 Prozent der total 4,7 Millionen zugelassenen Personenwagen Stromer sind.
Trotzdem: Die E-Autos holen langsam auf. Im vergangenen Jahr erhielten in der EU über 1,3 Millionen Elektroautos eine Zulassung. Das entspricht einem Marktanteil von 13 Prozent. Bis 2035 soll die Flotte an E-Autos rund die Hälfte aller Fahrzeuge ausmachen.
Zwischen 2030 und 2035 werden fast alle Neuwagen elektrisch sein
Hierzulande sieht der Trend ähnlich aus. Aktuell gibt es in der Schweiz gut 110’000 Elektroautos, wovon knapp 40’000 Stück allein im letzten Jahr dazugekommen sind. Der Touring Club Schweiz (TCS) geht davon aus, dass zwischen 2030 und 2035 fast alle Neuwagen elektrisch sein werden, wodurch die Flotte der in der Schweiz eingelösten Elektrofahrzeuge in dieser Zeitspanne auf rund zwei Millionen ansteigen dürfte. Gleichzeitig wird der Anteil der Verbrenner auf den hiesigen Strassen dann auf etwa 50 Prozent sinken, so die TCS-Prognose.
Westeuropa hat eine deutlich bessere E-Ladeinfrastruktur als der Osten
E-Auto-Besitzer laden ihr Gefährt meistens dort auf, wo sie den Grossteil ihrer Zeit verbringen: zu Hause oder am Arbeitsplatz. In 70 Prozent der Fälle ist das so. Dennoch ist auch ein öffentlich zugängliches Netz an Stromtankstellen nötig, will Europa den angepeilten Wandel in der Mobilität weg vom Verbrenner schaffen.
Laut einer Studie von McKinsey braucht es dafür 3,4 Millionen E-Ladesäulen bis 2030. Im vergangenen Jahr existierten erst knapp eine halbe Million solcher Ladesäulen, wie die Europäische Beobachtungsstelle für alternative Kraftstoffe in ihren neusten Daten ausweist. Damit müssten europaweit jede Woche rund 7000 neue Stromtankstellen entstehen.
Die europäischen Staaten sind bezüglich ihrer nationalen E-Lade-Netzwerke sehr unterschiedlich aufgestellt. Eine 2022 veröffentlichte Auswertung des Europäischen Automobilherstellerverbands hat eine ungleiche Verteilung der öffentlichen Ladestationen in der EU zutage gefördert. Demnach befand sich 2022 fast 40 Prozent der gesamten E-Ladeinfrastruktur in nur zwei Ländern: in den Niederlanden und Deutschland, wobei die beiden Länder nur rund 10 Prozent der EU-Landmasse ausmachen.
Die Daten des Verbands zeigen auch ein klares Gefälle zwischen West- und Osteuropa – mit enormen Vorteilen für den Westen. Aber auch dort sind die Unterschiede ziemlich gross, wie ein Report des deutschen Grid X beweist. In diesen hat das deutsche Smart-Energy-Unternehmen die Anzahl E-Ladepunkte von 28 europäischen Ländern, darunter auch von der Schweiz, mit der Bevölkerungszahl und den Strassenkilometern der nationalen Autobahn verglichen.
Norwegen ist das Elektroauto-Mekka
Klarer Spitzenreiter ist laut der Grid-X-Auswertung Norwegen. Im skandinavischen Land kommen auf 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner ganze 538 Stromtankstellen, wovon 81 Schnellladesäulen sind. Grundsätzlich gelten E-Ladestationen ab einer Leistung von 50 Kilowatt (kW) als Schnelllader. Im Report wird jedoch die Schwelle von 100 kW verwendet.
Luxemburg auf Platz zwei hat bereits einen Rückstand auf Norwegen von über 200 E-Ladepunkten weniger pro 100'000 Einwohner. Deutlich knapper ist der Vorsprung von Luxemburg auf die drittplatzierte Niederlande.
Zieht man das Verhältnis zur Autobahnlänge herbei, ändert sich am Bild fast nichts: Auch hier liegt Norwegen klar vor den anderen europäischen Ländern. Die weiteren Podestplätze – in gleicher Reihenfolge – belegen Luxemburg und die Niederlande.
Der grosse Vorsprung Norwegens ist auf die Vorreiterrolle des Landes in Sachen Elektromobilität zurückzuführen. Norwegen, einer der grössten Öl- und Gasexporteure der Welt, hat sich zu einem Mekka für E-Autos entwickelt. Dort fährt bereits jedes zehnte Auto elektrisch, der mit Abstand höchste Wert in Europa. Jener von Luxemburg ist rund fünfmal tiefer.
Die norwegische Regierung macht ihren Bürgerinnen und Bürgern den Kauf eines Stromers mit enormen Anreizen schmackhaft. So entfällt etwa beim Erwerb eines Elektroautos die Mehrwertsteuer von 25 Prozent. Und auch die Zulassungsgebühr, die bei einem grösseren Wagen umgerechnet bis zu 10’000 Franken betragen kann, muss nicht bezahlt werden.
Auch der niederländische Staat fördert die Anschaffung von Elektrofahrzeugen. Die Zuschüsse betragen 2023 für Privatpersonen bis knapp 3000 Euro und für Unternehmen bis zu 5000 Euro. Vergangenes Jahr war in den Niederlanden fast jeder vierte Neuwagen einer mit rein elektrischem Antrieb. Zudem hat das Land in absoluten Zahlen mit rund 120’000 öffentlichen Stromtankstellen das grösste Netz in Europa, noch vor dem viel grösseren Deutschland.
Wissenswertes zum Laden von Elektroautos
Eine Normalladestation wird mit Wechselstrom (AC) und mit einer Ladeleistung von bis zu 22 Kilowatt (kW) betrieben. Mit Gleichstrom (DC) liegen beim Laden aber bis zu 400 kW drin. Sobald eine Ladesäule eine Leistung von mindestens 50 kW aufbringt, spricht man von einer Schnellladestation. Denn die zusätzliche Power reduziert die Ladedauer merklich: An einer einfachen AC-Ladesäule braucht die Batterie eines E-Autos im Schnitt zwischen 2 bis 4 Stunden, um komplett aufgeladen zu sein. An einer DC-Schnellladestation verringert sich die Zeit auf durchschnittlich 30 bis 60 Minuten.
Nur ein Nachbarland ist besser als die Schweiz
Mit den Pioniermärkten in Skandinavien und den Benelux-Ländern kann die Schweiz mit ihrer Ladesäulen-Infrastruktur nicht ganz mithalten. Anders sieht es im Vergleich mit den Nachbarländern aus. In Relation zur Bevölkerung liegt nur Österreich vor der Schweiz.
Frankreich und Italien haben ein noch nicht so ausgebautes Stromtankstellen-Netzwerk, weil die beiden Länder auch in Sachen Elektromobilität noch weniger weit sind als die drei deutschsprachigen Länder. Interessant ist insbesondere der Vergleich innerhalb des DACH-Raums. Deutschland, Österreich und die Schweiz haben alle etwa die gleiche E-Auto-Quote von etwa 1300 Stromern pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Gerade Deutschland hinkt bei der Ladeinfrastruktur aber hinten nach, während Österreich etwas besser dasteht als die Schweiz.
Zahl der E-Autos steigt stärker als die Zahl der Ladestationen
Zwar hat die Schweiz in den letzten Jahren viele neue E-Ladestationen gebaut. 2020 waren es noch unter 6000 öffentliche Stromtankstellen. Bis heute hat sich die Anzahl auf 11'500 Stationen fast verdoppelt. Und in zwei Jahren sollen es dann 20’000 E-Ladestationen sein, so der Fahrplan des Bundes in der Roadmap Elektromobilität 2025.
Trotzdem: Der Zuwachs an öffentlicher Ladeinfrastruktur kann in der Schweiz nicht mit der prozentualen Steigerung bei den Fahrzeugen mithalten. Der Anstieg an neuen E-Autos hat in den letzten drei Jahren jeweils mehr als 50 Prozent betragen. Als Hauptproblem wird oftmals der Föderalismus ausgemacht. Die Förderung als auch die Bewilligungspraxis neuer Ladestationen gelten als kantonaler Flickenteppich.
Entsprechend ist auch das Netz an E-Ladesäulen je nach Landesregion sehr unterschiedlich dicht. Die lateinische Schweiz ist deutlich besser aufgestellt als der Rest des Landes. Im Tessin kommen auf 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner gemäss Grid-X-Report über 400 E-Tankstellen. In der Region um den Genfersee sind es rund 270 Ladestationen. Das Schlusslicht bildet das Wirtschaftszentrum der Schweiz, die Region Zürich mit 105 Stationen pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Handelszeitung.ch unter dem Titel: "So steht die Schweiz bei der Infrastruktur für E-Tankstellen da".