Im Zollkrieg der USA gegen den Rest der Welt steht Kühne+Nagel mit Sitz in Schindellegi SZ an vorderster Front. Der grösste Logistikkonzern der Welt ist zwar nicht direkt von all den angekündigten, ausgesetzten und dann doch eingeführten Tarifen betroffen. Aber für seine Kunden wickelt das Unternehmen die Zollformalitäten ab und weiss deshalb, was ihnen derzeit am meisten Sorgen macht.
Seit Wochen laufen die Telefone bei Kühne+Nagel heiss, die Kunden suchen nach Schlupflöchern, um möglichst wenig Schaden durch den Zolltarifhammer zu nehmen. «Die Kunden fragen, ob es irgendwelche Lösungen gibt, um die neuen Zolltarife legal zu umgehen», sagt Marc Bernitt (59) zu Blick. Der Kühne-Kader ist als Senior Vice President Customs für Europa, den Nahen Osten, Afrika und den asiatisch-pazifischen Raum so etwas wie der oberste Zöllner des Konzerns. «Leider müssen wir die Kunden enttäuschen, weil die neue Regierung in den USA sehr streng bei der Umsetzung ist. Es gibt sehr wenig Spielraum.»
Nächster US-Zollhammer kommt am 2. April
Am Mittwoch dieser Woche hat US-Präsident und Zollzampano Donald Trump (78) Strafzölle von 25 Prozent auf alle Autoimporte verhängt. Am 2. April in der kommenden Woche will er weitere Zolldekrete unterschreiben. Was genau rollt auf den Welthandel zu? «Trump hat die Zollpolitik aus seiner ersten Amtszeit drastisch verschärft, es wird jeden Tag weitere Überraschungen geben», so Bernitt, der schon lange im Geschäft ist. «So ein Zeitalter habe ich noch nie erlebt. Jahrzehntelang gewachsene Strukturen im Welthandel werden über Nacht infrage gestellt.»
Die Verunsicherung treibt die Frachtkosten nach oben. Schiffe liegen länger im Hafen, Frachtcontainer stehen auf Standplätzen, weil die Kunden nicht wissen, zu welchem Preis sie überhaupt in die USA liefern können. Oder die Güter dümpeln auf den Weltmeeren dahin, müssen warten, bis sich an der Zollfront etwas klärt oder ändert. «Schwimmende Ware» nennen die Logistiker das Problem. «Ein Schweizer Unternehmen hat filigrane Stahlmembranen in die USA exportiert. Noch während des Transportes hat die Firma versucht, auf politischer oder diplomatischer Ebene eine Ausnahmeregelung zu erzielen», sagt Bernitt.
Logistikbranche steht vor neuer Challenge
Das Zögern der Kunden stellt die Logistikbranche vor neue Herausforderungen. Es wird für die Logistiker immer schwieriger, abzuschätzen, wo sie in der Zukunft Frachtkapazitäten bereitstellen sollen. Denn wer nicht in die USA liefern kann oder will, sucht sich neue Absatzmärkte. «Da kann es sehr kurzfristig zu Verschiebungen kommen», so Bernitt.
Die Zollpolitik von Trump könnte gar zum Rohrkrepierer werden, der Welthandel könnte sich als robuster als erwartet erweisen. «Auch wenn die US-Regierung an ihrem Kurs festhält, bin ich optimistisch, was den Einfallsreichtum der Handelsakteure anbelangt, andere Absatzmärkte zu finden oder auf andere Art und Weise auf die Zollpolitik zu reagieren», macht Bernitt der Weltwirtschaft Mut.
Dieser Artikel erschien zuerst im Blick.ch.
1 Kommentar
Verständlich, dass der oberste Zöllner die Situation relativiert. Leider sind kurzfristige alternative Absatzmärkte Mangelware.