Der Swiss Market Index (SMI) ist in diesem Jahr einige Prozentpunkte gestiegen. Ob der Markt in den kommenden Monaten weiter zulegt, hängt vor allem davon ab, ob und wie stark die Zinsen in den USA und Europa gesenkt werden. Bei vier Fondsmanagern von Schweizer Aktien, die cash.ch befragt hat, herrscht jedenfalls eine verhalten optimistische Stimmung in Bezug auf die künftige Markt- und Konjunkturentwicklung. Denn die Fondsmanager haben in den letzten Wochen mehrheitlich Aktien zugekauft. Bei einigen Aktien warten sie auf Rücksetzer.

«Die Aussichten auf tiefere Zinsen scheint sich bei manchen Firmen positiv auf die Investitionstätigkeit auszuwirken. Andererseits kämpfen viele Unternehmen noch mit hohen Lagerbeständen bei ihren Kunden», sagt Patrik Jäger von der Vermögensverwaltungsboutique IFS, zu cash.ch. Das Wirtschaftswachstum könnte sich ab dem zweiten Halbjahr leicht beschleunigen, aber die Unsicherheit durch die US-Wahlen kann ab Sommer insbesondere in Europa zum Thema werden.

Eine Spur pessimistischer ist SaraSelect-Fondsmanager Marc Possa: Die derzeitige Situation sei geprägt von verschiedenen Herausforderungen und Verzerrungen. Unternehmen stünden einer volatilen Nachfrage, Währungsschwankungen, höheren Zinsen sowie Re- oder Nearshoring-Effekten gegenüber. Diese Faktoren könnten das verfügbare Einkommen zusätzlich dämpfen.

Unternehmen reduzieren ihre hohen Lagerbestände schnell, was zu grossen Volumenrückgängen in vielen Branchen im zweiten Halbjahr 2023 führte. Possa geht davon aus, dass der Druck auf die Zinsen aufgrund der Stabilisierung der Inflation abnehmen werde. Das Wirtschaftswachstum aber könnte zumindest im ersten Halbjahr 2024 unterdurchschnittlich sein.

Marc Strub von Reichmuth & Co beobachtet, dass zu Beginn des Jahres in den USA noch sechs Zinssenkungen erwartet worden waren. Die US-Notenbank signalisierte zuletzt drei Zinssenkungen. Trotzdem haben sich zinssensitive Wachstumsaktien in diesem Jahr gut entwickelt.

Aktien-Zukäufe: Von Bachem bis SGS

Für Birgitte Olsen, Fondsmanagerin des "Bellevue Entrepreneur Switzerland Fund", ist die Zinsdiskussion weniger relevant als das erwartete Wirtschaftswachstum und die Richtung der Gewinnrevisionen. Aufgrund dieser Faktoren hat sie kürzlich ihre Positionen in Bachem und Clariant aufgestockt. Obwohl das Biochemie-Unternehmen Bachem mit Sitz in Bubendorf BL Verzögerungen beim Aufbau der Produktionskapazitäten hatte, verbesserte sich das Risiko-Ertrags-Profil des Unternehmens, der vorübergehend reduzierte Wachstumsausblick ist bereits eingepreist.

Clariant hat seine Umstrukturierung dagegen abgeschlossen und ist nun Marktführer in der hochmargigen Nische des Spezialchemiesektors. Olsen sieht einen attraktiven Einstiegspunkt, da Clariant derzeit mit einem Abschlag von 30 Prozent gegenüber seiner historischen Bewertung gehandelt wird.

Die Aktien des Chemieunternehmens aus Muttenz BL sind im Januar kurz auf den tiefsten Stand seit 2012 gefallen. Grosse Abschreiber haben das Geschäftsjahr 2023 verhagelt. Trotzdem gibt es gleich viel Dividende für die Aktionäre. Mit Blick auf das Geschäftsjahr 2024 strebt Clariant ein Wachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich in Lokalwährung an, wie das Unternehmen Ende Februar mit den Jahreszahlen proklamierte.

Der Sektor für Testing, Inspektion und Zertifizierung ist strukturell ein wachsender Markt. Auch deswegen hat Strub von Reichmuth & Co in den letzten Wochen beim Warenprüfkonzern SGS zugekauft. Die semi-zyklische Struktur des Sektors gefällt dem Fondsmanager, da ein Teil des Geschäfts konjunkturresistent ist. Denn über 50 Prozent der Tests sind gesetzlich vorgeschrieben. Der Wechsel an der Spitze mit der neuen CEO Géraldine Picaud stimmt ihn positiv, und er sieht SGS als eine der besseren Ideen im Industriebereich.

Trotz des Kursrückgangs beim Pharmariesen in den letzten Monaten hat der Fondsmanager von Reichmuth & Co auch bei Roche zugegriffen. Der Konzern verfügt über eine solide Bilanz und hohe Free Cash Flow Yield, was attraktive Ausschüttungen ermöglicht. Die Umsatzrückgänge aufgrund von abgelaufenen Patenten in den letzten Jahren scheinen weitgehend überwunden. Die Markterwartungen sind zudem niedrig, was positive Überraschungen erleichtert. 

Fondsmanager Possa von SaraSelect nutzte kürzlich Rücksetzer ebenfalls bei Bachem, dann auch bei EMS, SIG und Forbo, um seine Positionen aufzustocken. Er ist der Meinung, dass der Markt das Potenzial der peptidischen Wirkstoffe von Bachem immer noch unterschätze. Beim Werkzeugmaschinenhersteller Mikron zugekauft hat Patrik Jäger von IFS, da das Unternehmen seinen Service-Anteil am Umsatz weiter erhöhen möchte und vom Boom bei Abnehmspritzen profitieren werde.

Bei U-Blox, Ypsomed und Holcim wird auf Rücksetzer gewartet

Bei zahlreichen Schweizer Aktien warten die Fondsmanager noch auf Kursrücksetzer, bevor sie mit Aktienkäufen zuschlagen. Die Aktie von U-blox steht seit Jahresbeginn bereits über 10 Prozent tiefer. Der Rücksetzer vom Allzeithoch im August 2022 beträgt 40 Prozent. Dennoch ist Olsen von Bellevue bei U-blox noch in Lauerstellung . Das Unternehmen durchlaufe im Moment eine Phase des Lagerabbaus, die einschneidender ist als erwartet. Jäger wartet bei U-blox ebenfalls noch ab. Nach einer schwierigen Phase im ersten Halbjahr werden jedoch robuste Umsatzzuwächse erwartet.

 

Possa wartet auf einen Rücksetzer bei Ypsomed, da die Aktien zu stark gestiegen sind. Die Aktien des Medizintechnikunternehmens haben sich innert Jahresfrist im Wert verdoppelt und erreichten vor kurzem ein neues Rekordhoch. Der anhaltende Trend zu injizierbaren Medikamenten wird das Geschäftsmodell von Ypsomed langfristig ankurbeln, so die Hoffnung der Anleger. 

Die Aktien des Zementkonzerns Holcim konnten in den letzten Monaten ebenfalls stark zulegen. Befeuert wurde der Kurs auch durch den geplanten Börsengang des Nordamerikageschäfts im ersten Halbjahr 2025. Fondsmanager Marc Strub von Reichmuth & Co würde hier einen Rücksetzer nutzen, um weitere Zukäufe zu tätigen. Holcim hat eine starke Marktposition sowohl in Europa, wo es von Wachstumsfeldern wie der nachhaltigen Bauwirtschaft und rezyklierten Baumaterialien profitieren kann, als auch in Nordamerika, wo es stark von zukünftigen Infrastrukturprojekten profitieren dürfte.

Implenia, Huber + Suhner und VAT mit grossem Kursplus 2024?

Patrik Jäger von IFS sieht viel Aufholpotenzial beim Baukonzern Implenia. Aufgrund der Spezialisierung auf anspruchsvolle Projekte im Gesundheitswesen und Tunnelbau sollten die Margen in den nächsten Jahren weiter steigen. Jäger hält Kurse von über 40 Franken für realistisch, falls das wirtschaftliche Umfeld mitspielt. Derzeit notiert die Aktie zwischen 32 und 33 Franken.

Olsen von Bellevue prognostiziert hingegen die grösste Kursrendite für 2024 bei Huber + Suhner. Sie erwartet eine Verbesserung der Margen beim Verbindungstechnikspezialisten aus Herisau. Das Unternehmen wird derzeit unter seiner langfristigen durchschnittlichen Bewertung gehandelt. Fondsmanager Strub erwartet überdies die grösste Kursrendite in diesem Jahr bei VAT. Das Unternehmen ist weltweit führend in der Herstellung von Vakuumventilen, einer wichtigen Komponente für die Halbleiterproduktion. 

Weniger Optimismus herrscht dagegen bei Olsen für Emmi, dem bekannten Luzerner Milchverarbeiter. Sie hat die Position abgebaut. Nach zwei Jahren starken Umsatzwachstums, das durch hohe Inflation unterstützt wurde, passt sich das Wachstum nun dem Volumenwachstum der Lebensmittel- und Getränkeindustrie an. Wegen drohender Deflation leidet der Sektor an der Börse unter Dynamikverlust.

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