«Ich möchte betonen, dass niedrigere Zinssätze plus negative Zinssätze nicht von unserem Werkzeugkasten ausgeschlossen sind», erklärte der neue SNB-Präsident Martin Schlegel am Freitag auf einer Veranstaltung in Zürich. «Niemand mag Negativzinsen, die SNB mag keine Negativzinsen, aber wenn es notwendig ist, sind wir bereit, den nächsten Schritt zu tun.»
Die SNB könne dieses Instrument bei Bedarf einsetzen, um die Franken-Nachfrage zu dämpfen. Der starke Franken erschwert die für die Wirtschaft des Landes wichtigen Exporte. Schlegel rechnete damit, dass der Franken in Zeiten politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit als sicherer Hafen für Anleger gefragt bleiben dürfte.
Schlegels Bemerkungen erfolgten am Freitag unter dem Eindruck einer sich aufwertenden Schweizer Landeswährung. Das Euro/Franken-Paar fiel bis auf 0,9206. So tief notierte das Paar letztmals im Tagesverlauf des 15. Januar 2015. Der Dollar stieg nach den Äusserungen Schlegels gegenüber dem Franken auf den höchsten Stand seit 18 Wochen.
Der Schweiz sind Negativzinsen nicht fremd. Sie setzte dieses Instrument fast acht Jahre ein, bevor sie im September 2022 zu positiven Zinsen zurückkehrte. Im März 2024 vollzog sie abermals eine Kurswende und leitete als erste grössere Notenbank einen Zinssenkungszyklus ein. Seitdem hat die SNB den Leitzins auf nunmehr ein Prozent gesenkt und die Türe für eine weitere geldpolitische Lockerung weit aufgestossen.
Die Finanzmärkte preisen derzeit für den nächsten Zinsentscheid im Dezember eine 72-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Senkung um 25 Basispunkte und eine 28-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Senkung um 50 Basispunkte ein. Die jüngsten Lockerungen wurden durch den Rückgang der Inflation ermöglicht, die in den vergangenen 17 Monaten innerhalb des Zielbereichs von null bis zwei Prozent lag und im Oktober auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren sank.
Schlegel zufolge sind die Zinssätze weiterhin das wichtigste Instrument der SNB, das bei Bedarf durch Devisenmarktinterventionen unterstützt werde. Der Notenbanker, der im Oktober die Leitung der Zentralbank übernommen hatte, deutete an, dass er sich in Zukunft nicht durch die Möglichkeit, von den USA als Währungsmanipulator abgestempelt zu werden, von Devisenverkäufen oder -käufen abschrecken lassen werde. «Unser Mandat ist klar und konzentriert sich auf die Schweiz,» sagte er und bezog sich dabei auf das Inflations-Zielband der SNB.
SNB könnte bei Bedarf in die Devisenmärkte eingreifen
Bereits Anfang Oktober hatte Schlegel beim ersten Auftritt in seiner neuen Funktion als Präsident der Schweizerischen Nationalbank eine mögliche Wiedereinführung von Negativzinsen erwähnt. Die SNB könne bei Bedarf in die Devisenmärkte eingreifen und sei bereit, die Zinsen erneut zu senken. «Wir können keine Massnahmen ausschliessen», fügte Schlegel an. Gemeint waren damit auch Negativzinsen, welche die SNB nach der Abschaffung der Kursuntergrenze von 2015 bis 2022 in der Schweiz implementiert hatte.
Die Schweizer Wirtschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten im internationalen Vergleich gut entwickelt, erklärte der neue SNB-Präsident zudem laut Redetext. «Die Nationalbank hat zu dieser Entwicklung beigetragen, indem sie die Preisstabilität trotz erheblicher Deflations- und Inflationsrisiken sicherstellte. Die SNB wird auch in Zukunft durch die Gewährleistung der Preisstabilität zu günstigen wirtschaftlichen Bedingungen in der Schweiz beitragen.»
Der seit dem 1. Oktober amtierende Schlegel setzt damit die Politik seines Vorgängers Thomas Jordan fort. Mittelfristig peilt die SNB eine Teuerungsrate innerhalb der von ihr als Preisstabilität definierten Spanne zwischen null und zwei Prozent an.
Aufbau von Eigenkapital geht vor
Das Eigenkapital der Nationalbank sei angesichts der Bilanzrisiken derzeit deutlich zu niedrig, sagte Schlegel gemäss einer Zusammenfassung seines Redetexts am Freitag in Zürich. «Das Eigenkapital der SNB aufzubauen, muss deshalb Vorrang haben vor Gewinnausschüttungen», sagte er.
Die starke Verlängerung der SNB-Bilanz sei ein «wichtiger Nebeneffekt» der in den Jahren nach der globalen Finanzkrise erforderlichen Devisenkäufe durch die Währungshüter. Das führt laut Schlegel zu starken Schwankungen im Jahresergebnis der SNB.
Zur Erinnerung: In den letzten beiden Jahren hatte die SNB Verluste von 132,5 Milliarden (2022) und 3,2 Milliarden Franken (2023) eingefahren. Der Bund und die Kantone gingen jeweils leer aus. Letztmals hatte es für das Jahr 2021 eine Ausschüttung gegeben.
Per Ende 2023 betrug das Eigenkapital der SNB rund 63 Milliarden Franken, bei einer Bilanzsumme von knapp 800 Milliarden. Damit war die Eigenkapitalquote der Notenbank auf 7,8 Prozent geschrumpft.
(cash/Reuters/AWP)
1 Kommentar
Ich glaube kaum, dass man die Probleme innerhalb der EU mit Negativzinsen bekämpfen kann. Zusätzlich noch die geopolitischen Spannungen die Fluchtbewegungen in den CHF auslösen.