Die Zahl der Seetransporte von Fahrzeugen mit Elektroantrieb steigt immer weiter. Die in E-Autos eingesetzte Batterietechnologie setzt Experten zufolge die Schifffahrt dem Risiko schwer kontrollierbarer Brände aus. Der Brand des Autofrachters "Fremantle Highway" vor der niederländischen Küste rückt diese Gefahren in den Fokus. Die Ursache des am Dienstagabend ausgebrochenen Feuers ist nach Angaben der niederländischen Küstenwache noch unklar. Laut einer vom Sender RTL veröffentlichten Aufnahme eines Notrufs soll vermutlich ein in Brand geratener Akku eines E-Auto das Feuer ausgelöst haben.
Batterien als Brandbeschleuniger
Lithium-Ionen-Batterien gehören nach Angaben der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) zu jenen Frachtarten, die für einen Grossteil der Ladungsbrände verantwortlich sind. Die Batterien, die auch in Laptops und anderen elektronischen Geräten verbaut sind, sind nur schwer zu löschen. Einmal in Brand geraten, könnten sie nicht mit Wasser oder durch Sauerstoffentzug gelöscht werden, sagt Nathan Habers, Sprecher des niederländischen Reederverbands KVNR. Zudem könnten sich die Feuer durch thermische Prozesse spontan wieder entzünden. "Die erste Frage, die sich stellt: Wird das derzeitige Regelwerk dem Risikoprofil dieser Art von Gütern gerecht?"
Schwimmende Parkhäuser
Während alle Logistikunternehmen mit dem erhöhten Brandrisiko durch Batterien konfrontiert sind, läuft die Seefahrt nach Angaben von Branchenvertretern und Versicherern den technologischen Entwicklungen hinterher. Die Feuerlöschsysteme auf den riesigen Schiffen, mit denen Autos transportiert werden, seien für diese heisseren Brände nicht ausgelegt, sagt Douglas Dillon, Geschäftsführer der Tri-state Maritime Safety Association in den USA.
Das Geschäftsmodell der Unternehmen, das eng gepackte Schiffe vorsieht, erhöht die Risiken. Autotransporter wie die "Fremantle Highway" sind schwimmende Parkhäuser auf denen Tausende von Fahrzeugen untergebracht sind. Die Autos werden dicht an dicht geparkt und haben nur wenig Abstand zur Decke.
"Auf einem Schiff gibt es für einen Feuerwehrmann in Schutzkleidung keine Möglichkeit, zum Brandherd zu gelangen", sagt John Frazee vom Versicherungsmakler Marsh. Dagegen seien Brände bei Lastwagen oder Zügen, die auch E-Autos transportieren, einfacher zu isolieren und zu löschen: Eisenbahnwaggons können abgekoppelt werden, ein Lastwagenfahrer kann an den Strassenrand fahren, erläutert Frazee. An Land kann die Umgebung eines brennendes Fahrzeugs freigeräumt werden und der Wagen mit Wasser geflutet werden. An Bord eines Autofrachters sei das schwierig, sagt Dillon.
"Keine schnelle Lösung"
Laut einem Bericht des Versicherers Allianz wurden im vergangenen Jahr 209 Schiffsbrände gemeldet - die höchste Zahl seit einem Jahrzehnt und 17 Prozent mehr als im Jahr 2021. Davon ereigneten sich 13 auf Autofrachtern, aber wie viele davon E-Autos betrafen war unklar. Die steigende Zahl der Brände sind nicht nur eine Gefahr für Mensch und Umwelt, sondern setzen auch eine neue Kostenspirale in Gang. Schiffseigner nehmen Autobauer in Regress, wenn eines ihrer Fahrzeuge als Ursache für einen Brand identifiziert worden ist. Autohersteller kaufen daher zusätzlichen Versicherungsschutz, sagt Frazee. Und auch die Versicherungskosten für Schiffseigner dürften steigern.
Die Versicherer dürften bei der Verbesserung der Sicherheit an Bord eine führende Rolle spielen. Zu den möglichen Optionen gehörten neue Chemikalien zum Löschen, spezielle Feuerlöschdecken, batteriedurchdringende Feuerlöschdüsen und Abstände zwischen E-Fahrzeugen.
Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) plant nach Angaben eines Sprechers angesichts der wachsenden Zahl von Bränden auf Frachtschiffen im nächsten Jahr neue Massnahmen für Schiffe, die Elektrofahrzeuge transportieren. Die Organisation mit Sitz in London legt die Vorschriften für die Sicherheit auf See fest. Dazu könnten Details für die Art der verfügbaren Wasserlöscher auf Schiffen und Vorgaben gehören, wie weit eine Batterie aufgeladen werden darf.
Es gebe bereits eine Reihe von Gesprächen über eine Verschärfung der Vorschriften, um den zusätzlichen Sicherheitsrisiken Rechnung zu tragen, sagt KVNR-Sprecher Habers. "Doch der aktuelle Vorfall macht deutlich, dass wir den Prozess möglicherweise beschleunigen müssen". Versicherungsexperte Frazee zeigt sich skeptisch: "Ich sehe keine schnelle Lösung."
(Reuters)