Das erstaunt: Eigentlich sprechen die steigenden Leitzinsen in den USA gegen einen Preisanstieg bei den Edelmetallen. Der Silberpreis pro Feinunze (31,10 Gramm) war seit einem Höhepunkt Anfang Mai bei 26,12 US-Dollar bis zum Kriegsausbruch in einer Art Abwärtskorridor gefangen.
Den vorläufigen Tiefpunkt erreichte der Preis Anfang Oktober bei 20,67 US-Dollar. Seither haben wieder "die Bullen" die Oberhand, die Unze kostet aktuell rund 22,75 Dollar. Am 23. Oktober wurden gar 23,67 Dollar bezahlt.
Auslöser des Kurssprungs bei Silber waren die Terrorattacken auf Israel, wie Finanzanalyst Florian Gummes von Midas Touch Consulting schreibt. Das gilt natürlich auch für den "grossen Bruder" Gold. "Der Angriff der Hamas auf Israel hat auch den Status von Gold als Krisenwährung untermauert", heisst es in einem Kommentar von Leonteq.
Die Frage ist nun, ob der Preisanstieg bei den beiden Edelmetallen anhält, wenn sich die Lage in Nahost wieder etwas beruhigen sollte. Das wird sich laut Gummes "erst noch zeigen müssen". Und es spricht eigentlich einiges dagegen, dass es mit dem Preis wieder aufwärts geht.
Silber ist auch ein Industriemetall
Grundsätzlich gibt es zwischen Gold und Silber einen Unterschied: Anders als Gold wird Silber auch stark von der Industrie nachgefragt. Damit ist sein Preis nicht nur den Stimmungen der Anleger ausgesetzt, sondern auch der Konjunktur. Und da sind die Aussichten eher trübe.
“Nach dem schnellen Anstieg, der trotz höheren Zinsen stattgefunden hat, sehen wir vorerst das weitere Erholungspotenzial als beschränkt an”, sagt Elias Hafner, Investment-Stratege bei der ZKB. Insbesondere die Konjunktur steuere erst auf ihren Tiefpunkt zu, womit die Industrienachfrage, welche nach wie vor bei Silber über 50 Prozent der Gesamtnachfrage - beim Gold sind es nur 10 Prozent - ausmacht, den Silberpreis belasten dürfte.
Silber wird dank seiner Eigenschaften etwa von der Auto-Industrie als elektrischer Leiter eingesetzt, wie Ned Naylor Leyland, Fondsmanager bei Jupiter Asset Management ausführt. Auch für Reflektoren, RFID-Chips oder Solarzellen wird das Edelmetall verwendet. Insbesondere wegen der Photovoltaik wird die Nachfrage während den nächsten Jahren in der Tendenz weiter steigen.
Gleichzeitig dürfte 2023 das fünfte Jahr in Folge mit einem Angebots-Defizit im weltweiten Silber-Markt darstellen, wie das Silver Institute prognostiziert. Rund 40 Prozent der Silber-Förderung findet in Mittel- und Südamerika statt. "Mit dem Linksrutsch der verschiedenen politischen Regierungen vieler Länder hat auch die Diskussion um Steuergelder und Nachhaltigkeit von Silber-produzierenden Unternehmen stark zugenommen. Die Folge sind weniger Investitionen der Bergbau-Industrie (auch in Exploration) und somit weniger Förderung", so Hans Peter Schmidlin, Rohstoff-Analyst und Investment Advisor der Basler Kantonalbank und der Bank Cler.
Folgen steigender Zinsen
Üblicherweise spielen bei Rohstoffen Angebot und Nachfrage die zentrale Rolle, was den Preis anbelangt. Bei Silber ist dies laut dem Jupiter-Experten nicht so. Der Preis werde vielmehr von der aktuellen Zins- und Währungssituation geprägt. Aufgrund der steigenden Leitzinsen - die US-Notenbank Fed etwa hat im Kampf gegen die Inflation den Leitzins seit März 2022 von nahe null auf die aktuelle Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent erhöht - leidet der Silberpreis, weil das Edelmetall keinen Zins abwirft.
Insofern steigen mit den Zinsen die Opportunitätskosten für den Besitz von Edelmetallen, was gegen ein Investment sprechen würde. Ausserdem wertete der Dollar aufgrund der US-Geldpolitik unlängst gegenüber vielen Währungen auf. Der starke Dollar ist für Silber eine Bürde, weil das Edelmetall doch primär in der US-Währung gehandelt wird, und sich somit für alle Nicht-Amerikaner verteuert.
Insgesamt ist laut Experte Gummes daher wenig erstaunlich, dass in den Monaten vor Ausbruch des Kriegs in Nahost die "Bären" die Oberhand hatten.
Aufwärtspotenzial beim Silber
Mit Blick nach vorne ist für den Silberpreis auf kurze Sicht laut Gummes ebenfalls noch einige Vorsicht angebracht. Er nennt als Gründe nicht nur die Lage an den Finanzmärkten mit den gestiegenen Zinsen oder die Bilanzverkürzungen der Notenbanken, sondern er geht auch bis Mitte Dezember noch von einer "ungünstigen Saisonalität" aus.
Typischerweise hätten die Edelmetallpreise nämlich in den letzten zwölf Jahren meist erst Anfang bis Mitte Dezember ihren Boden gefunden, sagt er. Mit Blick aufs neue Jahr sehen dann aber sowohl Gummes wie auch Jupiter- Experte Naylor Leyland einiges an Aufwärtspotenzial. Vor allem wenn der Zinsstraffungszyklus in den USA erst einmal definitiv zu Ende sei, könnten die Silberpreise stark anziehen.
"Wenn der Kurs des US-Dollars wieder sinkt, dann sind schnell einmal Preise von 30 US-Dollar pro Unze möglich", sagte Naylor Leyland. Denn der Silberpreis werde eben stark von der Zins- und Währungssituation beeinflusst. Ansonsten dienen die Edelmetalle generell bekanntlich der Wertaufbewahrung.
Auf Jahressicht rechnet auch ZKB-Experte Hafner mit einem höheren Silberpreis. Dies aus zwei Gründe: “Einerseits rechnen wir damit, dass die US-Notenbank auf Jahressicht die Zinsen sichtlich senken wird, was den Dollar, indem der Silberpreis notiert, belasten sollte. Andererseits gehen wir im Jahresverlauf 2024 von einer wirtschaftlichen Erholung aus.”
Sehr beliebt ist Silber dabei auch in der Schmuckindustrie. In Indien etwa sei das Verschenken von Schmuck sehr üblich, erklärt Naylor Leyland. Die Leute wollten dafür aber nicht mehr immer auf teuren Goldschmuck zurückgreifen müssen und verschenkten zunehmend auch Silber.
Investoren unter-investiert
Auch hat das Interesse an Silber bei Investoren seit dem Hoch im Jahr 2020 massiv abgenommen. Seither fand ein Outflow in den weltweit ausstehenden ETF von rund 30 Prozent statt. "Die Investoren sind somit unter-investiert, was somit ein Upside-Potential für sich alleine ausdrückt", sagt Schmidlin. Die Investoren unterschätzen zudem massiv die stark steigende Nachfrage nach Silber und das immer mehr gefährdete Angebot. Wenn die Investoren sich über die Situation im Silber bewusst werden, dürfte es für Schmidlin für längere Zeit zu einem der best-performenden Assets gehören.
Eine Möglichkeit für die Silberanlage bieten börsengehandelte Fonds, die den Preisverlauf des Metalls nachbilden. Beispiele hierfür sind der "iShares Silver Trust ETF" (Exchange Traded Fund) oder der "iShares Physical Silver ETC" (Exchange Traded Commodities). Eine andere Möglichkeit, an der Preisentwicklung des Metalls zu partizipieren, bieten Aktien von Förderunternehmen wie Fresnillo, Pan American Silver, Wheaton Precious Metals oder MAG Silver.
(AWP/cash)
1 Kommentar
Für Edelmetall ETF gibt es auch Schweizer Fondshäuser die dies anbieten, mit Lagerung in der Schweiz, einfach eine kleine Recherche machen, falls einem danach ist.