Der Goldpreis ist seit Anfang Jahr trotz Inflation und Ukraine-Krieg um 10 Prozent auf knapp 1640 Dollar pro Unze gefallen. Seit dem Höchststand vom März hat jeder Monat mit einem Kursminus geendet. Das ist die längste Verlustserie seit den späten 1960er Jahren.
Die Entwicklung des Goldkurses seit Anfang 2022 (Quelle: cash.ch).
Geraten die Börsen unter Druck, steigt der Goldpreis, lautet ein altes Marktgesetz. Stimmt nicht, zumindest nicht seit dem letzten März. Während die Aktienmärkte in einen Bärenmarkt eingetreten sind, hat das Edelmetall ebenfalls 20 Prozent an Wert eingebüsst.
Tatsächlich: Inflation, Krieg und fallende Aktienmärkte - Gold wird 2022 dem Ruf als "sicherer Hafen" nicht gerecht. Der von börsengehandelten Fonds gehaltene Goldbestand ist vielmehr auf das tiefste Niveau seit April 2020 gefallen, was das zurückgegangene Anlegerinteresse - insbesondere aus den USA - widerspiegelt.
Was ist mit der Krisenwährung Gold los? cash.ch geht auf die fünf wichtigsten Fragen zum Edelmetall ein, die sich Anlegerinnen und Anleger derzeit stellen.
1. Warum setzen die steigenden Zinsen Gold so unter Druck?
"Der Goldpreis orientiert sich in erster Linie an der US-Geldpolitik", sagt Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär, gegenüber cash.ch. Die Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ist wegen der Leitzinserhöhungen der US-Notenbank Fed dieses Jahr von 1,63 auf 4 Prozent angestiegen. Steigt die Rendite der Anleihen, verringert sich für Anlegerinnen und Anleger die Attraktivität von Gold als Investment, da Anleihen im Gegensatz zu Gold Zinsen abwerfen. Mehr noch, es fallen beim Edelmetall Lagerungskosten an.
Doch die Krux liegt im Detail: Die negative Beziehung zwischen Gold und der Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ist zwar gegeben. Doch sollte man vielmehr die US-Realzinsen beachten, die in diesem Jahr in den positiven Bereich hochgeschossen sind. Bei dieser wird auch die goldpreistreibende Inflation berücksichtigt. Der Realzins wird üblicherweise definiert, indem von der Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit die Inflationsrate abgezogen wird.
2. Was hat der erstarkte US-Dollar mit der Goldschwäche zu tun?
Seit Jahresbeginn hat der US-Dollar Index, der den Wert des Dollars mittels eines Währungskorbs aus sechs Währungen vergleicht, um gut 15 Prozent an Wert gewonnen. Der Dollar konnte seine momentane Stärke vor allem durch die restriktive Zinspolitik der Fed erreichen. Doch auch die Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg und die Rezessionsängste haben die Nachfrage nach der Fluchtwährung angetrieben.
Da Gold in der Regel in Dollar notiert und gehandelt wird, macht ein starker Dollar das Edelmetall für Käufer ausserhalb der Dollar-Region teurer. Das hat der zur Folge, dass die Nachfrage nach Gold sinkt. Zudem macht die Leitwährung in Krisenzeiten dem Gold oft die Funktion als sicherer Hafen streitig.
Steigende Realrenditen und ein erstarkter Dollar haben dieses Jahr das Anlegernachfrage gedrückt und den Goldpreis belastet. "Im Grunde symbolisiert der Goldpreis damit, dass der Fed immer noch Vertrauen entgegengebracht wird, um diese inflationäre Periode unter Kontrolle zu bringen", führt Menke aus.
3. Bietet Gold tatsächlich einen Schutz vor Inflation?
Der starke Kursrückgang 2022 inmitten einer hochschiessenden Teuerung hat den Mythos des Goldes als Inflationsschutz beschädigt. "Es gibt keinen ökonomischen Grund, warum das Gold gegen die Inflation schützen soll", sagte Thomas Stucki, Anlagechef der St.Galler Kantonalbank, in einer Markt-Notiz von letzter Woche. Vielmehr sei dies schlichtweg ein "Phantom".
Menke widerspricht diesem Befund und verweist dabei auf die positive Performance des Goldpreises in Euro oder dem britischen Pfund. "In allen Ländern, die unter sehr schwachen einheimischen Währungen leiden, hat Gold seine Funktion als Inflationsschutz erfüllt." Das Vertrauen in die US-Notenbank Fed ist das, was den Goldpreis in Dollar gerechnet überlagert.
4. Was ist die Beziehung zwischen der Entwicklung auf dem Aktienmarkt und dem Goldkurs?
Die Renditen von Gold und Aktien sind historisch unabhängig voneinander. Fallende Aktienkurse bedeuten nicht, dass Gold im Preis steigen wird und vice versa. Aber das ist der entscheidende Punkt: Nicht korrelierende Assetklassen verfügen über das grösste Diversifikationspotenzial für ein Portfolio. Und darum ist Gold auch bei vielen Investorinnen und Investoren in der Regel so beliebt.
5. Wie wird sich der Goldpreis langfristig entwickeln?
Realzinsen, US-Dollar und die Anlegernachfrage sind für die zukünftige Entwicklung beim Goldpreis entscheidend. Der Goldpreis würde dann zulegen, wenn die US-Notenbank wegen einer Rezession gezwungen wäre, von der eingeschlagenen Geldpolitik deutlich Abstand zu nehmen. Damit würde sich der bisherige Jahresverlauf umkehren: Der Dollar wird sich abschwächen, die Realrenditen runtergehen und die Stimmung im Goldmarkt sich verbessern. "In diesem bullishen Szenario könnten wir leicht wieder einen Goldpreis von 1900 Dollar sehen", so Menke.
Eher negativ für den Goldpreis wäre es hingegen, wenn die Fed die Inflation unter Kontrolle bringt, ohne dass die Wirtschaft in die Rezession rutscht. Der Goldpreis dürfte in diesem Basisszenario von Menke in der Spanne zwischen 1600 und 1650 Dollar bleiben, weil viel Negatives schon eingepreist ist und viele Leute Gold schon verkauft haben. Ein höherer Goldpreis wäre in diesem Marktumfeld nur möglich, wenn sich Europa im nächsten Jahr von der Energiekrise erholen und damit die Dollarstärke gegenüber dem Euro sich abschwächen sollte.
Das klar schlechteste Szenario für Gold wird Tatsache, wenn die Fed am sehr aggressiven geldpolitischen Kurs festhält und die Zinsen noch deutlich in die Höhe schraubt. "Dies würde noch mehr dollar- und stimmungsgetriebene Verkäufe auslösen. Der Goldpreis könnte unter 1400 Dollar fallen, was aber eine Kaufgelegenheit darstellen würde", sagt Menke. Denn in diesem Szenario sind eine Rezession der US-Wirtschaft und eine daraus folgende geldpolitische Kehrtwende der Fed wohl unausweichlich. Der Goldpreis würde daher nur vorübergehend stark einbrechen.
2 Kommentare
Die Aussage, dass Gold Geld und alles andere Kredit ist, wird John Pierpont Morgan (1837 - 1913) zugschrieben und ist eine über Jahrtausende bewährte Wahrheit.
Der frühere Leiter des Edelmetallgeschäfts von JPMorgan Chase, Michael Nowak, und sein oberster Goldhändler, Gregg Smith, sind am Mittwoch in Chicago wegen jahrelanger Marktmanipulationen von einem Bundesgericht für schuldig gesprochen worden. Ein dritter Angeklagter, Jeffrey Ruffo, der als Verkäufer in der Edelmetallabteilung der Bank tätig war, wurde vom Vorwurf der Beteiligung an der Verschwörung freigesprochen.
Nowak und Smith hatten in den Jahren von 2008 bis 2016 die Edelmetallpreise nach oben und unten manipuliert, um selbst davon zu profitieren. Die Staatsanwaltschaft hatte dies im Verlauf des dreiwöchigen Prozesses mit mehr als acht Verhandlungstagen nachweisen können, indem sie detaillierte Handelsaufzeichnungen, Chatprotokolle und Aussagen ehemaliger Mitarbeiter der beiden Banker vorgelegte.
Quelle: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/5212…
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