Nach monatelangem Warten hat Shein offenbar die Genehmigung der britischen Financial Conduct Authority (FCA) für einen Börsengang in London erhalten. Allerdings könnten die US-Zollpolitik und die Börsenschwankungen das Initial Public Offering (IPO) verzögern. Denn die neuen Zölle sind für chinesische Unternehmen wie Temu und Shein, die mit dem Verkauf billiger Produkte in die USA ein erfolgreiches Geschäftsmodell aufgebaut haben, ein Dämpfer.

Binnen weniger Jahre ist Shein zu einer der weltweit grössten Online-Modefirmen aufgestiegen. Nach einem enttäuschenden Geschäftsjahr 2024 und wegen verschärfter US-Zollgesetze scheint die ursprünglich angepeilte Bewertung von umgerechnet knapp 60 Milliarden Euro inzwischen unwahrscheinlich. Nachfolgend einige Fakten zu Shein:

Das Unternehmen

Der chinesische Unternehmer Chris Xu gründete Shein 2012. Eigenen Angaben zufolge bietet der Konzern seine Produkte in 150 Ländern an und beschäftigt mehr als 11.000 Menschen. Täglich bringt er mehrere Tausend neue Kleidungsstücke seiner zehn Modemarken auf den Markt, die er ausschliesslich über seine Webseite verkauft. Shein veröffentlicht bislang keine Umsatzzahlen. Einem Medienbericht zufolge stiegen die Erlöse 2024 mit einem Plus von 19 Prozent deutlich langsamer als vom Unternehmen angepeilt. Gleichzeitig sei der Gewinn um 40 Prozent eingebrochen.

Das Geschäftsmodell

Shein produziert seine Kleidung in China und verkauft sie ausserhalb der Volksrepublik. Nach den USA ist Deutschland der weltweit zweitwichtigste Absatzmarkt für das Modeunternehmen. Es betreibt keine eigenen Fabriken, sondern arbeitet mit etwa 5400 hauptsächlich chinesischen Subunternehmern zusammen. Der Modehändler hat ein System entwickelt, um die Produktion rasch der Nachfrage anzupassen. Dadurch liegt der Anteil unverkaufter Ware eigenen Angaben zufolge durchgängig im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Bei Werbung setzt Shein voll auf das Internet. Die Firma hat nach eigenen Angaben mehr als 250 Millionen Follower in den Sozialen Medien. Ausserdem arbeitet Shein mit zahlreichen Influencern zusammen, die die Produkte auf Plattformen wie YouTube oder TikTok bewerben.

Plagiatsvorwürfe

Shein sieht sich seit Jahren mit dem Vorwurf konfrontiert, das Design bei anderen Modefirmen abzukupfern. Allein in den USA wurden Gerichtsunterlagen zufolge mehr als 90 Klagen eingereicht. Mehrere US-Staatsanwälte bezeichnen Shein als Firma, die «oft die Grenzen zwischen geistigem Eigentum und Urheberrecht verwischt».

Der Konzern weist diese Anschuldigungen zurück. Nach seinen Angaben entwerfen eigene Mitarbeiter, freie Designer und Zulieferer die Produkte. Drittanbieter, die ihre Kleidung über die Shein-Internetseite vertreiben, müssten gegenüber Shein bestätigen, dass ihre Waren keine Urheberrechte verletzen. Ausserdem setze man Künstliche Intelligenz (KI) ein, um Plagiate aufzudecken. Daher seien die Plagiatsvorwürfe zwischen 2021 und 2023 um einen zweistelligen Prozentwert zurückgegangen.

Die US-Ermittlungen

Da Shein die Kleidungsstücke direkt vom Band an die Kunden versendet, kann die Firma auf eine kostspielige Lagerhaltung verzichten. In den USA, dem wichtigsten Absatzmarkt, umgeht sie damit zudem Einfuhrzölle. Diese gelten erst ab einem Warenwert von 800 Dollar. US-Präsident Donald Trump hat diese sogenannte De-Minimis-Klausel für Lieferungen aus China und Hongkong gestrichen. Chinesische Unternehmen wie Shein oder der Online-Händler Temu hatten dieses Schlupfloch bislang besonders häufig genutzt.

Dem Branchendienst «ImportGenius» zufolge baut Shein inzwischen aber Warenlager für bestimmte Produkte in den USA auf. Der Grund seien immer längere Transportzeiten für Lieferungen. Dadurch gerate die chinesische Firma im Vergleich zu US-Versendern wie Amazon oder Walmart ins Hintertreffen. Andere Experten gehen davon aus, dass Shein künftig verstärkt auf Zulieferer aus Staaten wie Brasilien oder der Türkei setzen wird.

Die Bewertung

Bei einer Finanzierungsrunde 2023 war Shein mit 66 Milliarden Dollar bewertet worden. Nach den enttäuschenden Zahlen für 2024 und wegen der US-Zollproblematik ist Insidern zufolge allerdings unklar, ob der Konzern diese Bewertung bei einem Börsengang in London auch wird erzielen können. Die britische Finanzaufsicht FCA hat Shein Insidern zufolge die Genehmigung für den geplanten Börsengang erteilt.

Ende 2021 verlegte Shein den Firmensitz aus dem chinesischen Nanking nach Singapur. Wegen seiner zahlreichen Zulieferer aus der Volksrepublik benötigt das Unternehmen dennoch eine Genehmigung der chinesischen Börsenaufsicht CSRC für das Debüt in London.

(Reuters/cash)