Die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) lag in der Periode von April bis Juni 2023 gegenüber dem Vorquartal bei 0,0 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Montag mitteilte. Während die Wertschöpfung der Industrie zurückging, wuchs der Dienstleistungssektor erneut überdurchschnittlich.
Nicht überraschend
Auch auf sportevent-bereinigter Basis - die grossen internationalen Sportveranstaltungen wie etwa Fussballweltmeisterschaften sind für gewisse Bereiche der hiesigen Wirtschaft wichtig - stagnierte das Wachstum im zweiten Quartal. Im ersten Jahresviertel war das Schweizer BIP hingegen noch klar gewachsen. Auf bereinigter Basis waren es hohe +0,9 Prozent, wobei dieser Wert im Vergleich zur ersten Schätzung im Mai sogar noch deutlich nach oben revidiert wurde.
Die Stagnation im zweiten Quartal kommt allerdings aufgrund der internationalen Entwicklungen nicht ganz überraschend, auch wenn die Zahlen etwas unter den Schätzungen von Ökonomen ausgefallen sind. «Die Schweizer BIP-Entwicklung passt sehr gut ins internationale Bild: Das verarbeitende Gewerbe leidet unter dem internationalen Umfeld, während etwa Dienstleistungen oder der Konsum weiter wachsen», sagte Felicitas Kemeny, Ressortleiterin Konjunktur beim Seco, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
Stagnation in Deutschland
So stagniert etwa im für die Schweiz wichtigen Exportmarkt Deutschland die Wirtschaft seit einigen Quartalen und auch das Wachstum in der ganzen Eurozone fiel in den letzten Quartalen insgesamt recht mager aus. Aber auch andere für die Schweiz wichtige Länder wie die USA oder China leiden unter schwachem Wachstum.
Hintergrund sind etwa die hohe Inflation bzw. die deswegen dramatisch gestiegenen Zinsen in vielen Ländern oder die hohen Energiepreise im Zusammenhang mit dem letztes Jahr gestarteten russischen Angriff auf die Ukraine.
Von einem Konjunktureinbruch - wie man ihn etwa nach Beginn der Corona-Pandemie gesehen hat - kann allerdings keine Rede sein. «Ich würde eher von einer Verlangsamung sprechen», so Kemeny vom Seco.
Ökonomen sehen das ähnlich. «Nicht unerwartet verliert die Schweizer Konjunktur als Folge der nur sehr moderat wachsenden Weltwirtschaft an Elan», sagt etwa Gero Jung von Mirabaud Asset Management. Dazu komme, dass die gestiegenen Zinsen sowohl Ausrüstungs- als auch Bauinvestitionen belasten würden, ergänzt Karsten Junius von Safra Sarasin.
«Das verarbeitende Gewerbe kann sich der schwächeren globalen Nachfrage nicht entziehen», sagt auch Alexander Koch von Raiffeisen Schweiz. Vor allem konjunktursensitivere Branchen hätten eine niedrigere Wertschöpfung erzielt. Immerhin hätten der solide Arbeitsmarkt und die anhaltende Erholung im Gastgewerbe ein BIP-Minus verhindern können.
Keine schnelle Erholung
Laut Alessandro Bee von der UBS dürfte dieses Muster - also die grosse Diskrepanz zwischen dem Konsum und der Entwicklung in der Industrie - in der zweiten Jahreshälfte «nicht gross ändern», weshalb eine starke Beschleunigung des Schweizer Wachstum eher unwahrscheinlich sei.
Immerhin sollte die nach wie vor starke Binnenwirtschaft eine Rezession in den nächsten Quartalen verhindern. Zwar zeigten auch die Arbeitsmarktindikatoren immer mehr auf einen geringeren zusätzlichen Arbeitskräftebedarf. Und der Ausblick für die Exportwirtschaft sei - auch wegen des starken Frankens - zuletzt weiter pessimistischer ausgefallen, fügt Koch von Raiffeisen an. «Insgesamt bleibt aber mehr eine unterdurchschnittliche Entwicklung als ein plötzlicher Konjunktureinbruch angezeigt.»
(AWP)