Der Franken hat ein schwächeres erstes Halbjahr hinter sich. Neun der zehn wichtigsten Währungen - die sogenannten G10 - haben gegenüber dem Franken seit Jahresbeginn deutlich zugelegt. Am stärksten stiegen der Euro (+4,7 Prozent), der australische Dollar (+4,8 Prozent), der amerikanische Dollar (+5,25 Prozent) und das britische Pfund (+8 Prozent). Einzig gegenüber dem japanischen Yen (-5,7 Prozent) vermochte der Schweizer Franken zuzulegen: 

Veränderungen Schweizer Franken zu G10-Währungen (Angaben in %)

Schweizer Franken 1.1. bis 16.7. 1 Monat 3 Monate 6 Monate
Japanischer Yen -5,70 -0,20 -4,33 -3,51
Norwegische Krone 0,40 -0,99 -0,49 0,46
Schwedische Krone 1,24 -0,41 1,28 2,22
Neuseeländischer Dollar 1,88 -0,90 0,92 2,56
Kanadischer Dollar 2,29 0,79 -0,98 2,30
Dänische Krone 4,64 2,24 0,58 4,10
Euro 4,73 2,28 0,57 4,14
Australischer Dollar 4,81 2,43 3,21 6,38
US-Dollar 5,26 0,47 -1,93 3,83
Britische Pfund 8,02 2,67 2,25 6,62

Ein Grossteil der Kursverluste des Frankens ist auf die Zinsdifferenz zu den anderen Währungen zurückzuführen, nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Leitzinsen in diesem Jahr bereits zwei Mal um je 0,25 Prozent gesenkt hatte. Dem stehen die anderen wichtigen Notenbanken wie die amerikanische Fed, Royal Bank of Australia oder die Bank of England gegenüber, welche die Zinsen bisher nicht gesenkt haben. Die Europäische Zentralbank hatte im Juni eine Leitzinssenkung um 25 Basispunkte vorgenommen. 

Diese Ausgangslage führt zu Zinsdifferenzen, welche sogenannte Carry Trades interessant machen. Dies ist eine Strategie, bei der ein Devisenhändler einen Kredit in einer Fremdwährung mit vergleichsweise niedrigem Zinsniveau wie dem Schweizer Franken oder dem japanischen Yen aufnimmt und davon zinstragende Wertpapiere oder andere Finanzprodukte kauft, die in einer anderen Währung mit höherem Zinsniveau wie zum Beispiel dem US-Dollar oder dem britischen Pfund notiert sind. 

Aktuell beläuft sich die Zinsdifferenz für eine dreimonatige Geldmarkt-Anlage in Franken auf 1,15 Prozent. Dem stehen 5,2 Prozent in amerikanischen Dollar, 5,1 Prozent in britischen Pfund, 4,4 Prozent in australischen Dollar und 3,6 Prozent in Euro gegenüber.

Allerdings dürfte es im zweiten Halbjahr vorbei sein mit der Herrlichkeit von üppigen Zinsaufschlägen. In den USA, Grossbritannien und der Eurozone sind bis Ende Jahr zwei oder gar fast drei Zinssenkungen eingepreist. 

Vor diesem Hintergrund betont Kit Juckes, langjähriger Devisenstratege bei Société Générale in London, dass die Dollar-Rally fast vorbei sei. «An einem bestimmten Punkt wird die Wende in der US-Geldpolitik das Ende dieser Phase der Dollarstärke einläuten.» Bei früheren Dollar-Rallyes hat die Währung nicht gleich nach der ersten Zinssenkung reagiert, daher ist Juckes auf eine schwierige zweite Jahreshälfte gefasst. Diese Phase der Dollarstärke in den letzten Jahren war jedoch so stark und ging mit so enormen Kapitalflüssen einher, dass eine Korrektur von beträchtlichem Ausmass irgendwann unvermeidlich ist.

Einen schwächeren Dollar erwartet auch Claudio Wewel, Devisenstratege bei der Bank J. Safra Sarasin. Dies stehe aber nicht unmittelbar an, schreibt er. Einerseits dürfte der Schweizer Franken durch die höchst unsichere globale Makroaussicht gestützt werden. Andererseits sollte eine Korrektur der globalen Renditeniveaus der hiesigen Währung dann helfen und gleichzeitig eine Absicherung gegen geopolitische Unsicherheit bieten. Wewel sieht den Dollar zum Schweizer Franken per Ende Jahr bei 0,89 Franken und per Ende 2025 bei 0,85 Franken notieren. Derzeit steht der "Greenback" bei 0,8951 Franken. 

Frankreich bleibt Achillesferse des Euro

Allerdings dürfte nicht nur der Dollar, sondern auch der Euro gegenüber dem Franken wieder den Rückwärtsgang einlegen. Die Gewitterwolken in der Eurozone werden im September deutlich stärker aufziehen. Ab diesem Zeitpunkt wird sich entscheiden, wie es bei dem von der Europäischen Kommission Mitte Juni eingeleiteten Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung von Frankreich, Italien und fünf weiteren EU-Ländern weitergeht.

Besonders im Fokus steht dabei Frankreich. Für Louis-Vincent Gave von der Pariser Research-Boutique Gavekal Research steht Frankreich und Europa eine harte Konfrontation in diesem Winter bevor. Es ist eine Konfrontation mit zwei möglichen Ergebnissen.

Möglichkeit eins: Die EU fährt eine harte Linie und besteht darauf, dass die französische Regierung ihren Teil mit Budgetkürzungen beisteuert. Dies bringt die neue französische Regierung in eine Zwickmühle, mit möglichen Arbeitsstreiks im ganzen Land und Strassenunruhen. In diesem Szenario erscheint es wahrscheinlich, dass Investorinnen und Investoren französische Staatsanleihen verkaufen werden, bis entweder die französische Regierung gegenüber Brüssel nachgibt oder die Europäische Zentralbank einknickt und französische Anleihen kauft. «Es erübrigt sich zu sagen, dass dies vor allem im zweiten Fall nicht gerade positiv für den Euro wäre», so Gave. 

Szenario zwei würde eintreffen, wenn der französische Präsident Emanuel Macron es schafft, die EU davon zu überzeugen, Frankreich werde die Haushaltsvorgaben weiterhin mit Füssen treten, während möglicherweise Deutschland versucht, von seiner verfassungsmässigen Schuldenbeschränkung abzurücken. In diesem Fall würden französische zusammen mit anderen Staatsanleihen der Eurozone verkauft werden. Auch dieses Szenario spricht nicht für höhere Eurokurse. 

Erschwerend kommt hinzu, dass die extreme Linkspartei «La France insoumise» drastische Steuererhöhungen fordert. Entsprechend dürften sich viele französische Unternehmen in den nächsten Monaten mit Investitionen und Neueinstellungen von Mitarbeitern zurückhalten. Das wiederum schwächt das Wirtschaftswachstum in Frankreich. 

Zwei weitere Zinssenkungen durch die SNB?

So schlecht die Vorzeichen in der Eurozone sind, der Euro dürfte nicht rapide zum Franken an Wert verlieren. Die Schweizer Währungshüter haben in den letzten Monaten immer wieder deutlich gemacht, einer schnellen Frankenaufwertung entgegen zu treten. Kurz gesagt, schreibt der Devisenanalyst Daniel Pfister von der Commerzbank in einem Kommentar, ist ein starker Franken der SNB zumindest vorerst ein Dorn im Auge. 

Die SNB dürfte einer neuerlichen Frankenstärke kaum mit Devisenmarkt-Interventionen entgegentreten. Wahrscheinlicher sind weitere Zinssenkungen. «Wir erwarten deshalb, dass die SNB in ​​diesem Jahr noch zwei weitere Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte vornimmt und der Leitzins Ende Jahr bei 0,75 Prozent liegen wird», meint Pfister. 

Der Schweizer Franken dürfte darunter leiden. Deshalb rechnet der Commerzbank-Analyst in den kommenden Monaten weiterhin mit einem leicht höheren Euro zum Franken. Dies mag auf den ersten Blick nicht sehr ausgeprägt aussehen. Man sollte jedoch bedenken, dass das gestiegene globale Sicherheitsbedürfnis aufgrund der aktuellen Unsicherheiten wahrscheinlich nicht verschwinden wird. Ein leichter Anstieg des Euro zum Franken sei deshalb wahrscheinlich, dürfte aber bis Ende Jahr die Parität kaum erreichen.

Anfang nächsten Jahres dürfte sich das Blatt wenden und der Euro sich gemäss dem Commerzbank-Experten auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. Dies sieht auch Claudio Wewel von J. Safra Sarasin so. Er prognostiziert aber schon zum Jahresende einen schwächeren Euro bei 0,95 Franken - derzeit notiert die europäische Einheitswährung bei 0,9762 Franken. Im nächsten Jahr dürfte sich der Euro dann weiter auf 0,93 Franken verbilligen.

Thomas Daniel Marti
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