Landauf und landab werden derzeit Generalversammlungen durchgeführt, an denen die vorgeschlagenen Dividenden genehmigt werden. Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit, wie Unternehmen Gelder an ihre Aktionäre ausschütten. Im Jahr 2022 wurden durch Rückkaufprogramme an der Schweizer Börse Titel im Wert von 34 Milliarden Franken zurückgekauft. Dies entspricht 3,7 Prozent ihrer Marktkapitalisierung, was über den Werten in Europa und den USA liegt.

Dabei kaufen Unternehmen in der Regel dann eigene Aktien, wenn sie auf vollen Kassen sitzen. Das ist auch im aktuellen Wirtschaftsumfeld vielerorts der Fall. Die Aktienrückkäufe, die sich insbesondere im IT-Sektor und den USA grosser Beliebtheit erfreuen, werden oft zur Kurspflege verwendet. Das Mantra der Kurspflege heisst dabei "Gewinnverdichtung". Wenn bei Rückkaufprogrammen Aktien vernichtet werden, steigt in der Regel der Gewinn pro Aktie - im Fachjargon "Earnings per Share" (EPS) genannt.  

Die Gewinnverdichtung hat in der Regel einen positiven Einfluss auf den Aktienkurs: Wenn die Anzahl Aktien sinkt, steigen der Gewinn pro Titel und auch die Dividende pro Titel. Weil das auf Anleger attraktiv wirkt, wird die Aktie begehrter und ihr Kurs steigt. Auch signalisiert das Unternehmen damit, dass es die eigenen Aktien für eine gute Anlage hält. Für Anlegerinnen und Anleger ist es deshalb interessant zu wissen, wo Aktienrückkaufprogramme bestehen.

NovartisLonza und ABB legen beim Aktienrückkauf nach

Die Bank Vontobel hat in einer Studie ausgerechnet, dass Ende 2022 in der Schweiz Aktienrückkäufe im Umfang von 25 Milliarden Franken ausstehend waren. Wie die untenstehende Tabelle zeigt, sticht betreffend der Anzahl Aktien im Rückkaufprogramm im Verhältnis zur Marktkapitalisierung Ende Dezember Sonova mit einem Wert von 6,9 Prozent heraus. Dahinter folgt Adecco mit 6,5 Prozent. Holcim und Mobilezone kamen immerhin noch auf einen Wert von 5,4 Prozent.

Aktienrückkäufe an der Schweizer Börse.

Aktienrückkäufe an der Schweizer Börse.

Quelle: vontobel

Die Daten von Vontobel müssen aber bereits wieder ergänzt werden: 

  • Der Pharmazulieferer Lonza startete sein Ende Januar angekündigtes neues Aktienrückkaufprogramm am 3. April. Insgesamt sollen Aktien im Wert von bis zu zwei Milliarden Franken zurückgekauft werden.
  • Der Pharmakonzern Novartis hat ein neues Aktienrückkaufprogramm aufgelegt. Über die nächsten drei Jahre können maximal zehn Prozent der eigenen Namenaktien über eine separate Handelslinie an der Schweizer Börse SIX zurückgekauft werden.
  • Der Industriekonzern ABB startete sein angekündigtes neues Aktienrückkaufprogramm am 3. April. Insgesamt sollen Aktien im Wert von bis zu einer Milliarde Dollar zurückgekauft werden.

Es gibt dabei verschiedene Möglichkeiten, wie ein Unternehmen eigene Aktien zurückkaufen kann: Dies geschieht entweder an der Börse oder direkt von den Aktionären. Gibt es beispielsweise zu wenig Kaufoptionen oder scheut das Unternehmen den Preiseffekt an der Börse - schliesslich könnten die Aktienpakete nach und nach immer teurer werden -, kann es seinen Aktionären ein Rückkaufangebot unterbreiten.

Doch warum setzen in der Schweiz Unternehmen überhaupt auf Aktienrückkäufe? Ein Rückkauf eigener Aktien bietet dem Unternehmen mehr Flexibilität als eine Dividendenerhöhung, da diese jederzeit gestoppt werden können. Vor einer Dividendenkürzung schrecken hingegen viele Unternehmen zurück. Die Motivation für einen Aktienrückkauf kann aber auch anders gelagert sein: Aktiengesellschaften können sich so beispielsweise vor einer Übernahme der Konkurrenz schützen. Oder das Unternehmen will die Gesellschafterstruktur verändern, indem der Kreis der Aktionäre verkleinert wird.

Rückkaufprogramme aus Eigeninteresse?

Aktienrückkäufe sind aber per se nicht unproblematisch: Mit diesen reduziert sich automatisch das Eigenkapital, was das Konkursrisiko tendenziell erhöht. Zudem lassen sich Aktienrückkäufe auch über Fremdkapital finanzieren. Das heisst, das Unternehmen nimmt Kredite auf, um Aktionären ihre Aktien abzukaufen. Dies geht nur so lange gut, wie das Unternehmen weiterhin Gewinn erwirtschaftet. Kann es mittelfristig Kreditzinsen nicht mehr bedienen, gerät es finanziell in eine Schieflage. 

Und selbst ein kurzfristig höherer Aktienkurs könnte von der Teppichetage aus Eigeninteresse anvisiert werden - wenn die Vergütung von der Performance an der Börse abhängt. Oder die Aktienrückkäufe werden dafür genutzt, um eine schwache Wertentwicklung zu kaschieren. Dies, wenn sich falsche oder schlechte Managemententscheidungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zeigen.

Die "Gewinnverdichtung" erscheint zudem zwar als grosszügige Behandlung der Aktionäre, kann aber auch mit fehlenden Investments in die eigene Zukunft einhergehen. Denn bleiben Investitionen langfristig aus, kann sich dies negativ auf das Wachstum des Unternehmens auswirken - weil sich die Konkurrenz weiterentwickelt und das Unternehmen irgendwann womöglich abhängt. Zudem können Gelder, die in Rückkaufprogramme fliessen, dem Unternehmen in Krisenzeiten als finanzielles Polster fehlen. 

Steuerlicher Vorteil

Trotz all dieser Einwände ist es rein finanziell für die meisten Anlegerinnen und Anleger in der Schweiz tendenziell von Vorteil, keine Dividenden sondern Kursgewinne einzustreichen. So sind hierzulande Dividenden besteuert, wohingegen Kapitalerträge (Kursgewinne) nicht versteuert werden müssen. Zudem besteht keine Wiederanlegeproblematik für die Aktionäre, da das bestehende Investment dank Gewinnverdichtung im Idealfall an Wert gewinnt und die ausgeschütteten Beträge nicht neu investiert werden müssen.

Trotzdem muss ein höherer Gewinn pro Aktie nicht zwangsläufig ein höherer Aktienkurs resultieren und eine positive Rendite für den Anleger zur Folge haben. Dies zeigt der Kursverlauf der Adecco-Aktie exemplarisch. Diese konnte sich trotz dem bestehenden Aktienrückkaufprogramm letztes Jahr nicht dem negativen Börsenumfeld entziehen. Und als Zykliker hat die Konjunktureintrübung den Personaldienstleister an der Börse belastet, sodass auf Jahressicht ein Minus von knapp 20 Prozent resultiert.

Zwar wäre der Kurs bei Adecco ohne ein Rückkaufprogramm wohl noch tiefer gefallen, aber das Beispiel zeigen, dass Anleger bei Rückkaufprogrammen nicht blindlings zugreifen sollten: Vielmehr sollten Anlegerinnen und Anleger auch andere kursrelevante Aspekte wie das allgemeine Börsenumfeld oder die Quartalszahlen in ihre Kaufentscheide miteinbeziehen.

Ein anderes Bild bietet dank Rekordergebnis hingegen der Zementproduzent Holcim - auch ein Zykliker - , der in derselben Zeitperiode 30 Prozent zulegen konnte. Es gilt daher: Man sollte Aktien von gut geführten Unternehmen zu einem guten Preis kaufen. Ein Aktienrückkaufprogramm ist bei einer Kaufentscheidung wichtig, aber nicht ausschlaggebend.

ManuelBoeck
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