Der Swiss Market Index (SMI) hat sich seit Ende Juni kaum verändert. Weder der Rücksetzer Anfang August noch der darauffolgende starke Anstieg waren nachhaltig. Sorgen über die US-Konjunktur und die näher rückenden US-Präsidentschaftswahlen haben die Volatilität steigen lassen. Daran ändert auch die Aussicht auf sinkende Zinsen nichts.

Kursentwicklung des Swiss Market Index (SMI).

Eine Umfrage von cash.ch unter sechs Fondsmanagern zeigt, dass tendenziell eine vorsichtige, aber dennoch optimistische Haltung zum Markt- und Konjunkturausblick vorherrscht. Besonders defensive Werte werden gezielt zugekauft, und vielfach wird auf Chancen durch Rücksetzer gewartet. Die Börsenspezialisten haben zudem diverse Verkäufe getätigt. Hier ein Überblick.

Patrik Jäger, «IFS Swiss Small & Mid Cap Equity Fund»:

Für Patrik Jäger deuten die Daten in den USA klar auf eine Abkühlung der Wirtschaft hin. In den nächsten Monaten könnte der Arbeitsmarkt in ein Überangebot kippen. Erst dann wird sich die zugrunde liegende Abschwächung in den Arbeitslosenzahlen und dem Konsumentenvertrauen zeigen. «Man darf nicht vergessen, dass die Sparquote in den USA aktuell bei niedrigen 3,5 Prozent liegt. Normalisiert sie sich auf die üblichen 6-7 Prozent, wird die Konsumnachfrage deutlich leiden», warnt der Fondsmanager gegenüber cash.ch.

Der Fondsmanager der Vermögensverwaltungsboutique IFS hat kürzlich vor allem zyklische Industriewerte verkauft und das Portfolio somit defensiver ausgerichtet: «Zykliker wie SFS, dormakaba und Sulzer haben wir aus konjunkturellen Überlegungen etwas abgebaut. Bei einer möglichen Korrektur würden wir diese Titel wieder zukaufen, da uns die Strategie und das Geschäftsmodell dieser Firmen langfristig weiterhin gut gefallen.»

Zugekauft wurde hingegen bei Immobilienwerten wie Intershop, die eher von sinkenden Zinsen profitieren und eine attraktive Dividendenrendite bieten. «Bei Intershop gefällt uns insbesondere das aktive Portfoliomanagement und die geschickten Zukäufe.» Auch etwas höher verschuldete Firmen wie Aryzta oder Temenos werden mittelfristig von wieder sinkenden Zinsen profitieren. SGS steht ebenfalls unter der neuen CEO Geraldine Picaud in Jägers Gunst. Sie habe sich bei EssilorLuxottica und Holcim als erfolgreiche «Buy & Build»-Managerin herausgestellt und dürfte diesen Ansatz auch bei SGS umsetzen.

Patrick Hasler, Fondsmanager Aktien bei der Migros Bank:

Das Ende des Überschwangs in Technologieaktien und die daraus resultierende Sektorrotation ist für Fondsmanager Patrick Hasler in der aktuellen Marktlage auffällig: «Mir scheint, wir befinden uns zurzeit in einem Realitätscheck, bei dem die bisherigen Aktiensteigerungen sich zunächst einmal beweisen müssen», sagt er gegenüber cash.ch. Die Volatilität an der US-Börse lasse darauf schliessen, dass selbst die «Bullen» momentan etwas verunsichert sind.

Auf der Kaufliste stehen weiterhin der Labortechnik-Hersteller Tecan, der Maschinenhersteller Bucher, der Augenheilkonzern Alcon sowie der Elektronikkonzern Lem und der Generikahersteller Sandoz. Sandoz profitiert in einer Welt mit allgemeinem Kostendruck auf das Gesundheitswesen, Lem aufgrund seines relativen Preises. Bei Huber & Suhner wurde jedoch abgebaut, und bei Banken wird Hasler zunehmend selektiv. Auf einen Rücksetzer für Zukäufe wartet er bei dem Halbleiterzulieferer Inficon und beim Vermögensverwalter Partners Group.

Marc Strub, Leiter Portfolio Management Reichmuth & Co:

«Eine schwere Rezession aufgrund exzessiver Bilanzprobleme bei Firmen oder Haushalten halten wir für unwahrscheinlich», sagt Fondsmanager Marc Strub. Die Marktstimmung ist jedoch etwas angeschlagen. Zinssenkungen der US-Notenbank in den nächsten Monaten dürften den Aktienmarkt stützen. Strub geht zudem davon aus, dass das Interesse der Anleger an defensiven Werten steigen wird und defensive Dividendenaktien bis zu den US-Wahlen gefragt bleiben.

Für ein Aktienportfolio, das kurzfristig Erträge abwirft und langfristig von Marktpotenzialen profitiert, ohne in einer Rezession stark zu verlieren, liegt der Fokus auf defensiven Sektoren und der Begrenzung von überbewerteten Segmenten. Bevorzugt werden hier die defensiven Schweizer Schwergewichte im Gesundheits- und nicht-zyklischen Konsumsektor mit stabilen Cashflows, konkret Novartis, Roche und Nestlé. Gesundheitsaktien wie Roche überzeugen durch hohen Free Cash Flow, der Investitionen in Innovationen und steigende Aktionärsausschüttungen ermöglicht. Der Aktienkurs von Nestlé steht unter Druck, insbesondere nach einem überraschenden Wechsel an der Konzernspitze. «Laurent Freixe wird seine Prioritäten und Ambitionen auf dem Capital Markets Day im November detaillierter erläutern. Bis dahin ist Geduld gefragt, mittelfristig halte ich den Titel für sehr attraktiv», so Strub.

Sollte sich das wirtschaftliche Umfeld in den nächsten Monaten stabilisieren, sieht der Fondsmanager insbesondere bei zyklischen Schweizer Industriewerten, speziell im Nebenwertsegment, Aufholpotenzial. Titel wie Bucher, SFS und Georg Fischer stehen weit oben auf der Kaufliste. Die grössten Kursrenditen in den kommenden Monaten erwartet Strub bei Sulzer und Schindler.

Nach der Neuausrichtung hat Sulzer, das im Fluid-Engineering und Chemical Processing stark ist, ein relativ defensives Geschäftsmodell, wobei 50 Prozent der Erträge aus dem Servicegeschäft kommen. «Holcim bleibt für mich ein attraktives Investment, auch wenn der grosse Kurssprung wahrscheinlich vorüber ist.» Ein weiterer Anstieg könnte mit dem geplanten Spin-off des US-Geschäfts im nächsten Jahr erfolgen. Die Dividendenrendite und das Aktienrückkaufprogramm sprechen ebenfalls für Holcim. Aus Dividendensicht sind insbesondere Versicherungsunternehmen attraktiv, wobei die Zurich Versicherung hervorsticht, die im Branchenvergleich eine überdurchschnittliche Eigenkapitalrendite bietet.

Manuel Bottinelli und Adrian Lechthaler von Peter J. Lehner & Partner

Für Manuel Bottinelli und Adrian Lechthaler von der Peter J. Lehner & Partner AG bleibt die Situation an den globalen Aktienmärkten nach dem Rücksetzer Anfang August fragil. Die längere Phase der restriktiven Geldpolitik zeigt zunehmend Auswirkungen auf die Realwirtschaft, was sich in den Halbjahresabschlüssen der Schweizer Unternehmen widerspiegelt. Die bevorstehenden US-Wahlen könnten für zusätzliche Unsicherheit sorgen. Mittelfristig werden jedoch die erwarteten Zinssenkungen einen bedeutenderen Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung der Aktienmärkte haben. 

«Wir erwarten ein Übergangsjahr für Schweizer Unternehmen und halten eine kleine taktische Liquiditätsposition, um Kaufchancen aktiv zu nutzen», sagen die Portfolio Manager. Bei einer ausgeprägten Korrektur seien Unternehmen wie Bachem, Belimo und VAT mit etablierten Geschäftsmodellen und strukturellen Wachstumstreibern interessant. Potenzielle Neukäufe, die zur Anlagephilosophie von Bottinelli und Lechthaler passen, sind zudem Stadler Rail, Tecan, Lem, SKAN und Forbo. Bei Stadler Rail, Tecan, Lem und Forbo möchten die Fondsmanager jedoch erst Anzeichen einer Stabilisierung oder Verbesserung der operativen Entwicklung sehen. Bei SKAN ist die hohe Bewertung und der noch kurze Erfolgsausweis als börsennotierte Gesellschaft ein Hindernis.

Die Portfolio Manager traten zuletzt bereits bei Dätwyler, SIG und Interroll als Käufer in Erscheinung: «Das Fundament für eine nachhaltige Aktienkursentwicklung ist bei Dätwyler gelegt, die Innovation, Marktpositionierung und Treiber sind intakt. Ein konjunktureller Aufschwung sollte positive Skaleneffekte und Margenverbesserungen bringen.  Die Bewertung von SIG hat sich normalisiert und ist attraktiv geworden. Das defensive Geschäftsmodell mit hohem Anteil an wiederkehrenden Erträgen gefällt uns. Bei Interroll wurde die Talsohle im Markt durchschritten, und der Markt wird bald wieder an Fahrt aufnehmen.

«Aus unserer Sicht haben die Aktien von Komax und Schweiter Technologies zu stark korrigiert. Trotz operativer Herausforderungen sind antizyklische Käufe bei den aktuellen Bewertungen sinnvoll», so Bottinelli und Lechthaler. Bezüglich der Dividende finden Bottinelli und Lechthaler CFT und APG interessant. Insbesondere die neue Dividendenpolitik von CFT könnte dank operativ starken Entwicklungen positiv überraschen.

Johan Utterman, Leiter Schweizer Aktien bei Lombard Odier Investment Managers:

«Makroökonomische Faktoren wie Geopolitik, Inflation, Zinssätze und Wirtschaftswachstum bleiben wichtig, doch 2024 werden Unternehmensfundamentaldaten und Gewinne wieder stärker in den Fokus rücken», so Johan Utterman von Lombard Odier Investment Managers. Dies begünstigt Stock Picking.

Der Fondsmanager hat im August die Positionen in PSP Swiss Property und Swiss Prime Site erhöht. Beide Immobilienaktien zeichnen sich durch hohen Vermietungsgrad, gutes Wachstum der Mieteinnahmen, attraktive Dividenden und potenzielle Vorteile durch sinkende Zinsen aus. «Sie könnten sich besser entwickeln, wenn die US-Notenbank, die EZB und die SNB die Zinssätze senken.» Teilweise verkauft wurde Swissquote, die in den letzten acht Monaten eine Rendite von 51 Prozent erzielte. Gewinne wurden realisiert, um für mögliche Marktschwankungen im Vorfeld der US-Wahlen gewappnet zu sein.

«Für den August-Newsletter haben wir bewusst Belimo als Aktie des Monats ausgewählt», so Utterman. Das Unternehmen erhöhte seine Umsatzwachstumsprognose für 2024 von rund 8 Prozent auf über 10 Prozent. Belimo profitiert von strukturellem Wachstum durch Chancen in Rechenzentren und Nachrüstungen. Ein Kursrückschlag bietet Kaufgelegenheiten.

Ende August war der Fonds mit 3,9 Prozent an der BKW beteiligt, 2,9 Prozentpunkte über der Gewichtung im SPI Extra. Die Halbjahresergebnisse 2024 übertrafen die Erwartungen beim EBIT um 8 Prozent, und die Jahresprognose wurde um 7 Prozent erhöht. Das operative Momentum ist stark, und die Bewertung mit einem KGV von 15, das unter dem Zehnjahresdurchschnitt liegt, erscheint günstig. «Wir glauben, dass die BKW in einem volatilen Umfeld eine relativ sichere Aktie ist, die bei Zinssenkungen besser abschneiden könnte», so der Fondsmanager.

Carla Bänziger, Senior Portfolio Manager Swiss Equities bei Vontobel:

Carla Bänziger von Vontobel erwartet, dass die Marktsituation volatil bleibt, bis der nächste US-Präsident feststeht. Mögliche neue US-Handelseinschränkungen könnten den Schweizer Aktienmarkt belasten, ebenso wie eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den USA.

In dieser Marktlage hat die Fondsmanagerin Aktien von Sonova gekauft. «Wir glauben, dass das neue Hörgerät 'Sphere eine echte Innovation ist, die dem Unternehmen einen mehrjährigen Vorsprung verschaffen könnte.» Zum ersten Mal in der Firmengeschichte wurde ein Mikrochip auf Basis Künstlicher Intelligenz entwickelt, der die Spracherkennung in lärmigen Umgebungen verbessert. Bei einem Kursrücksetzer würde Bänziger Geberit kaufen, da die Wachstumserwartungen wegen der Schwierigkeiten im europäischen Bausektor noch zu hoch seien.

Barry Callebaut wurde wegen interner Probleme und des stark steigenden Kakaopreises massiv abgestraft. Bänziger sieht das Unternehmen auf einem guten Weg zum Turnaround und das neue Management hat bisher geliefert. Erste Indikationen zeigen eine gute Kakaoernte, was den Preis stabilisieren sollte. «Auch wenn wir in den kommenden Monaten noch kein Volumenwachstum erwarten, dürfte die Profitabilität weiter steigen. Diese Faktoren sollten sich letztlich positiv auf den Aktienkurs auswirken.»

Bänzigers Favorit unter den Dividendentiteln ist die Cembra Money Bank. «Eine Aktie, die sowohl fundamentale Stärke als auch attraktive Dividendenrendite bietet.» Cembra ist vollständig auf den Schweizer Markt ausgerichtet und somit nicht von der europäischen oder US-amerikanischen Wirtschaftslage betroffen. Das Unternehmen macht derzeit grosse Fortschritte beim Kostenabbau und Bänziger erwartet eine steigende Dividende. „In Zeiten hoher Volatilität ist dies eine defensive Aktie mit einer attraktiven Dividendenrendite von über 5 Prozent.»

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