Zwar sind noch viele Fragen offen zu dem, was sich am Sonntag in West Palm Beach ereignete und was die Bundespolizei FBI als einen möglichen weiteren Anschlagsversuch auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten wertet. Klar aber ist: Die Angst vor einer Eskalation der Gewalt im ohnehin aufgeheizten US-Wahlkampf ist enorm. Der Vorfall stellt Amerika, sein Volk und seine Demokratie einmal mehr auf die Probe.

Das FBI geht davon aus, dass ein mit einem Sturmgewehr bewaffneter Mann den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump am Sonntagnachmittag beim Golfspielen in seinem Club erschiessen wollte. Der Secret Service, der in den USA für den Schutz hochrangiger Politiker zuständig ist, entdeckte den Verdächtigen nach eigenen Angaben wenige hundert Meter von Trump entfernt in den Büschen am Zaun um den Golfplatz und eröffnete das Feuer. Trump blieb unverletzt, der Verdächtige wurde kurz Zeit später festgenommen.

Erst im Juli hatte es einen schwerwiegenden Anschlag auf Trump gegeben, als ein Schütze in Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania während einer Wahlkampfveranstaltung das Feuer auf Trump eröffnete. Der Republikaner wurde am Ohr verletzt, ein Besucher kam ums Leben. Sicherheitskräfte töteten den Schützen, dessen Motiv bis heute nicht klar ist. Der Vorfall markierte eine Zäsur im Wahlkampf. Politikerinnen und Politiker verurteilten über Parteigrenzen hinweg jegliche politische Gewalt.

Warnungen vor Gewalt und Schuldzuweisungen

Auch auf den Vorfall in Florida folgte eine Verurteilung von Gewalt - aber es gab auch gefährliche Provokationen und Schuldzuweisungen. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris verurteile politische Gewalt und mahnte: «Wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen, dass dieser Vorfall nicht zu weiterer Gewalt führt.»

Präsident Joe Biden teilte mit, es gebe in Amerika keinen Platz für politische oder irgendeine andere Art von Gewalt. Er stelle sicher, dass der Secret Service über alle Ressourcen verfüge, um Trump zu schützen. Biden sagte am Montag auch, der Secret Service müsse besser ausgestattet werden und appellierte an den Kongress, dies zu ermöglichen.

Für Entsetzen sorgte Trump-Unterstützer Elon Musk mit einer Reaktion auf X, die er nach kurzer Zeit wieder löschte. Auf seiner Online-Plattform schrieb er: «Und es versucht noch nicht mal jemand, Biden/Kamala zu ermorden.» Hinter die Worte setzte er ein Emoticon mit einem nachdenklichen Gesicht.

Trump selbst verschickte nach dem Vorfall Nachrichten mit Spendenaufrufen. «Es gibt Menschen auf dieser Welt, die alles Notwendige tun, um uns zu stoppen», hiess es in einer dieser Nachrichten. «Ich werde nicht aufgeben, für euch zu kämpfen. Ich werde niemals aufgeben.» Die rechte Influencerin Laura Loomer, die zuletzt mehrfach an Trumps Seite aufgetreten war, schrieb auf X: «Die Medien versuchen, Präsident Trump und seine Unterstützer zu töten.»

Motiv des Täters weiter unklar

Das Motiv des Mannes war unklar. Zu dem Verdächtigen machten die Behörden noch keine offiziellen Angaben. Medien zufolge handelt es sich um einen 58 Jahre alten Bauunternehmer aus dem Bundesstaat North Carolina, der sich in sozialen Netzwerken politisch äusserte - dem Sender CNN zufolge auch kritisch über Trump. Vom Tatort soll in einem Auto geflüchtet sein und das Gewehr und eine Kamera zurückgelassen haben. Kurze Zeit später wurde er auf einer Autobahn in der Nähe festgenommen.

Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf Polizeiquellen, der Mann sei zuletzt nach Hawaii gezogen. Der Zeitung zufolge soll sich der Verdächtige mehrfach öffentlich für die Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland eingesetzt haben. In einem Beitrag in sozialen Medien habe er geschrieben, er sei bereit, in der Ukraine zu kämpfen und zu sterben. Ob es einen Zusammenhang zwischen seiner politischen Orientierung und dem Vorfall in Florida gibt, ist offen.

Vorfall sorgt weltweit für Entsetzen

Spitzenpolitiker bekundeten Trump nach dem Vorfall ihre Solidarität. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb auf der Plattform X: «Sara und ich waren geschockt über den zweiten Attentatsversuch gegen Präsident Trump, und wir waren erleichtert zu hören, dass er ebenfalls gescheitert ist. Aber wir sollten uns nicht auf Glück allein verlassen.»

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte das mögliche Attentat: «Ich bin froh, zu hören, dass Donald Trump sicher und unverletzt ist», schrieb er auf X. Er wünsche ihm und seiner Familie alles Gute. Für Kiew sei klar, dass Gewalt keinen Platz in der Politik haben dürfe.

Immer wieder politische Gewalt in den USA

Trump (78) tritt bei der Präsidentenwahl am 5. November gegen die Demokratin Harris (59) an, die aktuell Bidens Vizepräsidentin ist. Umfragen deuten bislang auf ein sehr knappes Rennen hin.

Der Vorfall wirft erneut Fragen zur Sicherheit der Präsidentschaftskandidaten auf. Dem Verdächtigen scheint es immerhin gelungen zu sein, mit einer schweren Waffe bis auf wenige hundert Meter an Trump heranzukommen. Der zuständige Sheriff sagte, dass Trump weniger Schutz geniesse als ein amtierender Präsident. «Er ist nicht der amtierende Präsident - wenn er es wäre, hätten wir den gesamten Golfplatz umstellt», sagte er.

Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis, der Trump im Wahlkampf unterstützt, kündigte eigene Ermittlungen des Bundesstaats an. Diese sollten «die Wahrheit» über den Vorfall ans Licht bringen.

Gewalt gegen hochrangige Politiker hat es in den USA immer wieder gegeben - auch Präsidenten wurden mehrmals zur Zielscheibe. 1865 wurde US-Präsident Abraham Lincoln in der Loge eines Theaters in der Hauptstadt Washington erschossen, während er eine Komödie verfolgte. US-Präsident John F. Kennedy wurde bei einem Attentat am 22. November 1963 in Dallas im Bundesstaat Texas erschossen. Als Präsident Ronald Reagan 1981 in Washington angeschossen wurde, warf sich ein Leibwächter schützend über ihn.

(AWP)