Da die Fans zu Dutzenden von ausverkauften Konzerten von Dublin über Hamburg bis München und Wien strömen, sprechen einige Experten von «Swiftonomics» - einer Sonderkonjunktur für die chronisch lahmende Wirtschaft in Europa. Zumal mit der Fussball-Europameisterschaft in Deutschland und den Olympischen Spielen in Frankreich noch zwei sportliche Grossereignisse hinzukommen. Die Hoffnung ist, dass Swifts Sommertour im Mai, Juni, Juli und August neuen Schwung auf den Kontinent bringt. Es gibt nur ein Problem: «Swiftonomics» gibt es eigentlich nicht.

Man muss schon genau hinschauen, um einen wirtschaftlichen Effekt zu erkennen. Ein Beispiel dafür ist Stockholm. Zu den drei Konzerten von Taylor Swift («You Need To Calm Down», «Shake It Off») im Mai kamen fast 180.000 Fans, die Hälfte davon aus dem Ausland. Das bescherte der Stadt einen Umsatz von fast 850 Millionen Kronen (75 Millionen Euro). Aber selbst für die vergleichsweise kleine schwedische Wirtschaft, die mit einem Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet 623 Milliarden Dollar an achter Stelle in der EU steht, ist das nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Gefragte Cowboyhüte

«Dieser zusätzliche Umsatz ist ein grossartiger Wochenendschub für Stockholm und insbesondere für den Tourismussektor», sagt der Chefökonom der Stockholmer Handelskammer, Carl Bergkvist. «Aber es ist eben nur ein Wochenende, ohne sichtbare oder nennenswerte Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum insgesamt.» Immerhin: Hotels und Restaurants freuten sich über ein hübsches Umsatzplus. Sogar der Verkauf von Cowboyhüten - die Fans des im Moment erfolgreichsten Popstars der Welt gerne tragen - stieg um 155 Prozent, wie die Kammer herausfand.

Auch die Auswirkungen auf die Inflation sind ähnlich unsichtbar. Sie könnten sogar geringer sein als beim Auftritt von US-Popstar Beyoncé in der Stadt vor einem Jahr, der eine Inflationsangst auslöste. Beyoncé-Effekt hin oder her: Die schwedische Inflation ist seither von zehn auf knapp über zwei Prozent gesunken.

«Gibt es einen Taylor-Swift-Effekt? Er ist extrem gering und bestenfalls vorübergehend», sagt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. «Vor Grossereignissen wird viel über die wirtschaftlichen Vorteile geforscht, aber im Nachhinein braucht man eine Lupe, um diese sogenannten Vorteile in den Zahlen zu finden.»

Das Urteil ist das gleiche für die Olympischen Spiele oder die EM. Sie sind ein Segen für viele Restaurants, Brauereien und Verkäufer von Fanartikeln, haben aber keinen dauerhaften Einfluss auf das Konsumverhalten. Wer Geld für eine Konzertkarte und eine Hotelübernachtung ausgibt, dem bleibt weniger für andere Ausgaben wie Restaurantbesuche oder Reisen.

«Gering und vorübergehend»

Analysten der Danske Bank haben einen «Fassbier-Index» aufgelegt. Er zeigt einen starken Anstieg der Einnahmen in Kneipen und Restaurants um 106 Prozent bei einem Fussball-EM-Spiel gegen England, gemessen an den üblichen Einnahmen. «Auf der Mikroebene sorgen solche Ereignisse zwar für einen Aufschwung, aber selbst der ist gering und vorübergehend», sagt Danske-Experte Piet Haines Christiansen. «Sie sind für bestimmte Branchen relevant, beispielsweise für Hotels und Catering, wo immer Taylor Swift auftritt.» Oder eben für den Bierabsatz in Ländern, in denen Fussball gespielt wird.

Einige örtliche Medien stützten sich im vergangenen Monat auf eine Studie von Barclays über die Kaufgewohnheiten der «Swifties» genannten Taylor-Fans und behaupteten, ihre Konzerte würden der britischen Wirtschaft eine Milliarde Pfund einbringen. Doch abgesehen von dem wahrscheinlichen Effekt, den die Konzerte auf andere Ausgaben haben, fliesst ein Grossteil der Einnahmen aus der Swift-Tournee in die USA. Das schmälert den ohnehin geringen wirtschaftlichen Nutzen vor Ort noch weiter. 

(Reuters)