Was für ein Wochenstart: Die Titel von SAP stiegen am Montag auf 257,80 Euro, woraus sich eine Marktkapitalisierung von 316,708 Milliarden Euro ergab. Damit überholte das deutsche Softwareunternhemen den Pharmakonzern Novo Nordisk (309 Milliarden Euro), der bis anhin als «grösstes europäisches Unternehmen» galt.
Auch am Dienstag konnte SAP seine Rally fortsetzen, während der Kurs heute tiefer notiert auf 252,50 Euro. Die bisherige Aufwärtstendenz ist aber nicht neu: Innerhalb eines Jahres konnten die Aktien um die 40 Prozent zulegen, also fast doppelt so stark wie der deutsche Leitindex Dax. In derselben Zeit ist Novo Nordisk um etwa dieselbe Prozentzahl in die entgegengesetzte Richtung tendiert.
SAP profitierte insbesondere von einer hohen Nachfrage nach Cloud-Angeboten und Künstlicher Intelligenz (KI), die das Geschäft im vergangenen Jahr überraschend stark angekurbelt hatten. Laut Bloomberg sorgt die zunehmende Verlagerung der Kunden von traditionellen On-Premise-Lizenzen hin zum Abonnementmodell in der Cloud ebenfalls für Auftrieb. Dies beflügelt das Geschäft mit lukrativen Produkten mit KI-Funktionen. Ausserdem habe sich die breitere Rotation von US-amerikanischen zu europäischen Aktien aufgrund der Befürchtung, dass die Zölle von Präsident Donald Trump die Inflation anheizen und das Wachstum bremsen werden, positiv auf SAP ausgewirkt.
Für den Abnehmgiganten Novo Nordisk entwickelte sich die Nachfrage eher gegenteilig. Der Boom bei den Medikamenten zur Gewichtsreduzierung ist jüngst abgeebbt und enttäuschende Studiendaten haben dem Aktienkurs abermals einen Dämpfer verpasst. So sorgten einzelne Publikationen von Studienergebnissen für Kursdämpfer von bis zu fünf Prozent.
Wer hat die Nase vorn?
Die Differenz der beiden Marktkapitalisierungen beträgt lediglich 7 Milliarden Euro. In einem volatilen Markt können diese im Extremfall innerhalb von Minuten oder Stunden durch Käufe oder Verkäufe ausgeglichen werden. Die Vorzeichen sind für beide Unternehmen positiv - was somit SAP mit einem Vorsprung begünstigt.
Analysten schätzen, dass der Umsatz von SAP in diesem Jahr um 12 Prozent steigen wird. Sollte dies gelingen, wäre das die schnellste jährliche Wachstumsrate des Unternehmens in den letzten zehn Jahren. Nach dem im Januar angekündigten Konzernumbau dürfte sich das Betriebsergebnis sogar noch deutlicher verbessern.
Für Novo Nordisk sprechen allerdings die Wachstumserwartungen des Abnehmmarktes. Analysten beziffern das Potenzial für Abnehmmedikamente bis 2030 auf rund 100 Milliarden Dollar. Ausserdem hat sich der dänische Konzern mit einem bis zu zwei Milliarden Dollar schweren Deal die weltweiten Rechte an einem neuen Gewichtsabnahme-Wirkstoff des chinesischen Unternehmens United Laboratories gesichert. Mit dem Deal erhält Novo Nordisk die Lizenz zur Entwicklung, Herstellung und Vermarktung des experimentellen Wirkstoffs UBT251. Das Mittel könnte aufgrund der Wirkstoffzusammenstellung eine stärkere Gewichtsabnahme ermöglichen als die derzeit führenden Abnehmspritzen Wegovy von Novo Nordisk und Zepbound/Mounjaro von Eli Lilly.
Betrachtet man die Analystenratings halten sich die beiden Konzerne in etwa die Waage. Es bietet sich dasselbe Bild: 70 Prozent der Experten empfehlen die Aktien zum Kauf, um die 20 Prozent würden die Titel halten und zehn Prozent sprechen sich für einen Verkauf aus. Das Aufwärtspotenzial bei SAP liegt gemäss dem durchschnittlichen Kursziel 10 Prozent gegenüber dem aktuellen Kurs von 258 Euro. Bei Novo Nordisk sind es mehr als 50 Prozent.
Wache Konkurrenz
Auch die weitere Konkurrenz schläft nicht. Laut dem US-Anlegermagazin Barron's ist LVMH ein potenzieller Anwärter auf den 1. Platz als wertvollstes Unternehmen in Europa. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt derzeit bei 298 Milliarden Euro - es fehlt also nicht viel. Nachdem die Aktien im 2024 aufgrund mangelnder Nachfrage um 26 Prozent gefallen sind, hat das Papier seit dem Jahreswechsel mehr als zehn Prozent zugelegt.
Unternehmenschef Bernard Arnault schlug in einer Präsentation einen optimistischen Ton an. Das Jahr 2025 habe relativ gut begonnen, da Louis Vuitton mit einem zweistelligen Wachstum gestartet sei. Der viertreichste Mann der Welt ist zuversichtlich, dass die angeschlagene Marke Dior in diesem Jahr Fortschritte machen werde und prognostizierte einen «boomenden» US-Markt.
Aus der Schweiz dürfte es demnächst keine Konkurrenz für SAP geben. Dennoch haben es vergangenes Jahr drei Schweizer Konzerne unter die 100 teuersten Firmen der Welt geschafft. Die drei SMI-Schwergewichte Roche (Platz 43), Nestlé (Platz 51) und Novartis (Platz 66) verteidigten ihren Platz im Tableau der «Top 100» der wertvollsten Börsenunternehmen. Unter die Top 500 Unternehmen schafften es immerhin 15 Schweizer Konzerne. ABB (Platz 165), UBS (Platz 169), Richemont (Platz 185), Holcim (Platz 351) und Swiss Re (Platz 463).
Es ist also schwierig zu sagen, wer von den beiden längerfristig an der Spitze bleibt. Während SAP von hohen Wachstumserwartungen gestützt wird, ist der grösser werdende Abnehmmarkt Novos Hoffnungsträger. Beide Konzerne sind jedoch in volatilen Wachstumsmärkten tätig, die von erheblichen Chancen, aber somit auch Risiken geprägt sind. Schenkt man den Analystenschätzungen Glauben, überzeugen jedoch beide Titel mit ihren Wachstumsgeschichten, wobei der Kursabschlag bei Novo Nordisk Anleger auf den ersten Blick abschrecken dürfte. Laut dem UBS-Analysten Jo Walton könnte dies jedoch ein attraktiver Einstiegszeitpunkt sein.