Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann bekräftigte im Gespräch mit Reuters zwar frühere Aussagen, wonach die Niedersachsen einer Zusammenarbeit gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen seien, wenn sich dafür Salzgitter perspektivische Vorteile eröffneten. "Das sehe ich jetzt bei der Deutschen Stahl AG nicht", schränkte Fuhrmann jedoch in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview ein. "Wir sehen aktuell kein Szenario, das unsere Situation im Vergleich zur Eigenständigkeit verbessern würde." Zuvor hatte sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Reuters-Interview gegen eine Fusion ausgesprochen.
Thyssenkrupp hat sich wiederholt für ein Bündnis der beiden grössten deutschen Stahlerzeuger ausgesprochen. Der Essener Traditionskonzern sucht nach neuen Strategien, um aus der Krise zu kommen. In der von Überkapazitäten gebeutelten Schwerindustrie sei eine Konsolidierung dringend nötig, hatten schon die früheren Thyssenkrupp-Chefs Heinrich Hiesinger und Guido Kerkhoff betont. Die jetzige Thyssenkrupp-Chefin, Martina Merz, hält sich angesichts der hohen Verluste im Stahl alle Möglichkeiten offen - eine Partnerschaft, eine Fusion oder ein Verkauf. Als mögliche Partner gelten neben Salzgitter der schwedische Konkurrent SSAB, die chinesische Baosteel und ein erneuter Versuch mit Tata Steel Europe.
Fuhrmann sagte, er habe den Eindruck, dass diejenigen, die das Thema propagierten, "ein deutsches, pures Stahlunternehmen" vor Augen hätten. Das stehe in diametralem Widerspruch zu den Interessen, die Salzgitter verfolge. Wenn er höre, durch einen Zusammenschluss würde ein Champion entstehen, müsse er sagen, "dass denjenigen, die sowas in den Mund nehmen, gewisse Grundkenntnisse fehlen". Die Champions der reinen Stahlindustrie seien weltweit tätig und nicht nur in Deutschland und Europa. Sie seien zudem fünfmal so gross wie die angedachte Deutsche Stahl AG. Fuhrmann liess zudem erkennen, dass er sich an dem Führungsanspruch von Thyssenkrupp stösst: "Wir müssten uns vorher noch zerlegen, oder zerlegen lassen. Das wird hier im Unternehmen kein vernünftiger Mensch mitmachen."
Mit Blick auf die eigene Krise nach Zusammenschlüssen als Allheilmittel zu rufen, sei nachvollziehbar, sagte der Salzgitter-Chef. Aus seiner Sicht sei dies jedoch der falsche Ansatz. "Es ist zu oberflächlich und zu kurz gedacht." Die Niedersachsen hätten selbst in der turbulenten Corona-Zeit keinen Anlass für kurzfristigen Aktionismus und stünden unter keinerlei Druck, "von welcher Seite auch immer". Fuhrmann, der den zweitgrössten deutschen Stahlkonzern seit 2011 führt und dessen Vertrag Ende Juni 2021 ausläuft, verwies auf die Erfolge von Salzgitter: In 22 Jahren, seit der Eigenständigkeit 1998, habe der Konzern den Umsatz nahezu verdreifacht, die Mitarbeiterzahl verdoppelt und das Eigenkapital mehr als vervierfacht - und das ohne Kapitalzufuhr von aussen.
Offen für Zusammenarbeit bei «grünem Stahl»
Offen zeigte sich Fuhrmann für eine Zusammenarbeit bei der klimaschonenden Stahlerzeugung. "Eine gemeinsame Gesellschaft für CO2-arme Vorprodukte würde ich nicht ausdrücklich zurückweisen." Bisher gebe es keine Initiativen in diese Richtung, sagte Fuhrmann und zeigte sich "offen für sinnvolle Ansprachen". Salzgitter werde seinen Kunden schon zum Ende dieses Jahres grünen Stahl anbieten können.
Fuhrmann sagte, das Geschäft der stahlproduzierenden Gesellschaften habe sich im laufenden dritten Quartal marginal erholt. "Wir haben uns von einer katastrophalen Situation im zweiten Quartal zu einer schlechten Situation heraufgearbeitet." Während sich die Lage in konsumnahen Bereichen wie der Automobilzulieferung langsam erhole, sei dies in Branchen mit Ausrichtung auf die Infrastruktur wie die Bauindustrie oder der Anlagenbau noch nicht zu sehen. Dort könne es im zweiten Halbjahr und möglicherweise auch im Auftaktquartal 2021 noch "Schleifspuren" geben. Die Prognose für 2020 bekräftigte Fuhrmann. Demnach geht der Vorstand von einem "merklich reduzierten Umsatz" und einem Vorsteuerverlust im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Bereich aus.
(Reuters)